Entscheidungsstichwort (Thema)
Bindung der Arbeitgeberin an Haustarifvertrag nach Verschmelzung auf nicht tarifgebundenen Rechtsträger. Unbegründete Verbandsklage der Gewerkschaft aufgrund eingeschränkter Fortgeltung des nachwirkenden Haustarifvertrages
Leitsatz (amtlich)
Nach der Verschmelzung eines an einen Haustarifvertrag gebundenen Rechtsträgers auf einen nicht tarifgebundenen Rechtsträger ist der übernehmende Rechtsträger an die Regelungen des Haustarifvertrags nach § 20 Abs. 1 Nr. 1 UmwG gebunden. Die Bindung geht jedoch nicht weiter als der Geltungsbereich des Haustarifvertrages reicht und ist daher auf die (tarifgebundenen) Arbeitnehmer der übernommenen Rechtsträger beschränkt. (offen gelassen von BAG Urt. v. 4.7.2007, 4 AZR 491/06).
Normenkette
UmwG § 20 Abs. 1 Nr. 1; TVG § 3 Abs. 1, § 9; ZPO § 256 Abs. 1
Verfahrensgang
AG Lörrach (Entscheidung vom 19.02.2014; Aktenzeichen 3 Ca 343/13) |
Nachgehend
Tenor
I.
Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Arbeitsgerichts Lörrach vom 19.02.2014, Az. 3 Ca 343/13 abgeändert:
- Die Klage wird abgewiesen.
- Die Klägerin trägt die Kosten des Rechtsstreits.
II.
Die Revision wird für die Klägerin zugelassen.
Tatbestand
Die Parteien streiten im Wege einer Verbandsklage darüber, ob der zwischen der Klägerin und der Firma S. GmbH am 21.12.2011 geschlossene Haustarifvertrag für alle Arbeitnehmer der Beklagten, auf die die S. verschmolzen wurde, gilt oder nur für die Arbeitnehmer, deren Arbeitsverhältnis zuvor mit der S. bestanden hat.
Darüber hinaus streiten die Parteien darüber, ob die in diesem Haustarifvertrag in Bezug genommenen Lohnerhöhungen nach dem (Flächen-)Entgelttarifvertrag für die im Betrieb beschäftigten Arbeitnehmer, die Mitglied der Klägerin sind, umzusetzen sind.
Die klagende IG Metall hatte am 21.12.2011 mit der Firma S. GmbH (fortan: S.) einen Haustarifvertrag geschlossen. Dieser lautet auszugsweise wie folgt:
§ 1
Dieser Haustarifvertrag gilt für alle in der Firma S- GmbH beschäftigte Arbeitnehmer/innen, Angestellten und Auszubildenden, die Mitglied der IG Metall sind.
§ 2 Anerkennung von Tarifverträgen
1. Die Tarifverträge für die Arbeiter/innen, Angestellte und Auszubildende in der Metallindustrie des Tarifgebietes B. abgeschlossen zwischen der Industriegewerkschaft Metall, Vorstand oder Bezirksleitung für Baden-Württemberg einerseits und dem Gesamtverband metallindustriellen Arbeitgeberverbände e. V. (Gesamtmetall) oder dem Verband der Metall- und Elektroindustrie Südwest e.. V. - Südwest Metall F. andererseits sind Bestandteil dieses Tarifvertrages und gelten in ihrer jeweiligen Fassung für die unter dem jeweiligen Geltungsbereich gemäß § 1 aufgeführten Beschäftigten.
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§ 3 regelmäßige Arbeitszeit
1. Die tarifliche wöchentliche Regelarbeitszeit beträgt ab 1. Januar 2012 38 Stunden pro Woche.
§ 7 Lohn und Gehalt
1. Die jeweils in der Fläche vereinbarten Lohnerhöhungen werden automatisch übernommen. Dazu legt die IG Metall der S. per Einwurf-Einschreiben die genauen Inhalte des Abschlusses in der Fläche vor. Dieser Abschluss wird übernommen, sofern nicht S. innerhalb von drei Wochen nach Zugang der vollständigen Information über die Inhalte des Abschlusses gegenüber der IG Metall, Verwaltungsstelle F., mittels Einwurf-Einschreiben ausdrücklich widerspricht.
2. Sollte S. der Übernahme der in der Fläche vereinbarten Lohnerhöhungen widersprechen, sind unverzüglich Verhandlungen mit der IG Metall zur Frage der Lohn- und Gehaltserhöhungen aufzunehmen. Für diesen Fall entfällt die Friedenspflicht.
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§ 8 Gleichbehandlungsgrundsatz
1. Die Arbeitgeberin gewährte den Mitarbeitern, die aus dem Geltungsbereich dieses Tarifvertrages vereinbarte wöchentliche Arbeitszeit leisten, dem Grunde nach die gleichen Arbeitsbedingungen wie den Mitarbeitern der A. GmbH.
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§ 9 Schlussbestimmungen
1. Der vorliegende Haustarifvertrag wird mit Wirkung ab 1.1.2012 bis 31.12.2013 abgeschlossen. Er wirkt bis zum Abschluss eines neuen Tarifvertrages nach.
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Die S. ist eine Schwestergesellschaft der Beklagten. Die beiden Unternehmen führten am Standort SB. einen gemeinsamen Betrieb. Die Beklagte selbst ist weder Mitglied in einem Arbeitgeberverband noch hat sie einen Haustarifvertrag abgeschlossen.
Mit Verschmelzungsvertrag vom 29.06.2012 übertrug die S. als übertragende Gesellschaft ihr Vermögen als Ganzes mit allen Rechten und Pflichten unter Auflösung ohne Abwicklung gemäß §§ 2 ff., 46 ff. UmwG auf die Beklagte als die übernehmende Gesellschaft.
Der Verschmelzungsvertrag führt unter § 5 (Folgen der Verschmelzung für Arbeitnehmer und ihre Vertretungen), 3. a) auf:
Die übertragende Gesellschaft unterliegt folgenden tarifvertraglichen Bindungen: Haustarifvertrag vom 21. Dezember 2011
...
Gemäß § 613 Abs. 1 S. 2 bis 4 BGB genießen die tarifvertraglichen Bestimmungen ... für die Mitarbeiter der übertragenden Gesellschaft Bestandsschutz, da die Identität des Betriebs der übertragenden Gesellschaft von der Verschmelzung nicht berührt wird.
b) I...