Entscheidungsstichwort (Thema)

Zeitpunkt des Zugangs einer außerordentlichen Kündigung eines Arbeitnehmers (hier: Frankreich)

 

Leitsatz (amtlich)

1. Im Nachgang zur Entscheidung des BAG vom 22. August 2019 - 2 AZR 111/19 - Einzelfallentscheidung zur Frage des Zugangs einer Kündigung in einem französischen Dorf mit 1800 Einwohnern.

2. Die Aussage eines Arbeitnehmers vor der Kammer des Arbeitsgerichts, mit der er wahrheitswidrig behauptet, sein Vorgesetzter habe ihm gesagt, im Falle seiner (des Vorgesetzen) Zeugenladung durch das Gericht werde ihm von der Rechtsabteilung gesagt, was er vor Gericht auszusagen habe, stellt einen an sich zur fristlosen Kündigung geeigneten Grund dar. (wörtlich: "[Name des Klägers], mit dir gibt es keine Probleme. Aber du weißt ja, wie das dann ist. Dann werde ich in die Rechtsabteilung eingeladen und dort sagt man mir dann, was ich vor Gericht zu sagen habe.")

 

Normenkette

BGB § 130; KSchG § 4; BGB § 626 Abs. 1, § 130 Abs. 1 S. 1

 

Verfahrensgang

ArbG Karlsruhe (Entscheidung vom 17.04.2019; Aktenzeichen 2 Ca 60/17)

 

Tenor

1. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Karlsruhe vom 17. April 2018 - Az. 2 Ca 60/17 - wird zurückgewiesen.

2. Der Kläger trägt die Kosten des Rechtstreits einschließlich der Kosten der Revision.

3. Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Tatbestand

Die Parteien streiten über die Wirksamkeit einer außerordentlichen, hilfsweise ordentlichen Kündigung der Beklagten vom 27. bzw. 31. Januar 2017, den Antrag des Klägers, die Kündigungsschutzklage nachträglich zuzulassen, sowie den Anspruch auf Weiterbeschäftigung bis zum rechtskräftigen Abschluss des vorliegenden Rechtsstreits.

Der Kläger ist bei der Beklagten in deren PKW-Werk in R. seit dem 1. April 1998 als Montageschlosser beschäftigt. Dort ist ein Betriebsrat gebildet. Auf das Arbeitsverhältnis finden kraft arbeitsvertraglicher Bezugnahme die Tarifverträge der Metall- und Elektroindustrie Baden-Württemberg - Tarifgebiete Nordwürttemberg/Nordbaden Anwendung.

Die Beklagte kündigte das zwischen den Parteien bestehende Arbeitsverhältnis mit Schreiben vom 24. Juni 2016 ordentlich zum 31. Dezember 2016. Durch Urteil vom 17. Januar 2017 stellte das Arbeitsgericht Karlsruhe im Verfahren Az. 2 Ca 282/16 fest, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien durch diese Kündigung nicht beendet wird. Die hiergegen gerichtete Berufung der Beklagten nahm diese am 8. Februar 2018 zurück.

In der mündlichen Verhandlung vor dem Arbeitsgericht Karlsruhe bezüglich dieses Kündigungsschutzverfahrens am 17. Januar 2017 erörterten die Beteiligten die Frage nach einer künftigen gedeihlichen Zusammenarbeit. Dabei äußerte der Kläger sich über sein Verhältnis zu seinem Vorgesetzten, aktuell Herrn M.. Jedenfalls sinngemäß sagte der Kläger vor dem Arbeitsgericht, er habe mit Herrn M. ein Abschlussgespräch geführt und ihn gefragt, ob er für ihn in einem etwaigen Prozess vor Gericht aussagen würde. Dies habe Herr M. - so der Kläger - jedoch abgelehnt und sinngemäß gegenüber ihm gesagt: "C., mit dir gibt es keine Probleme. Aber du weißt ja, wie das dann ist. Dann werde ich in die Rechtsabteilung eingeladen und dort sagt man mir dann, was sich vor Gericht zu sagen habe."

Mit Schreiben vom 23. Januar 2017 verfasste die Beklagte zuvor ein an den Betriebsrat gerichtetes Anhörungsschreiben zur beabsichtigten außerordentlichen, hilfsweise ordentlichen Kündigung des Arbeitsverhältnisses (Bl. 29 ff. der arbeitsgerichtlichen Akte).

Mit Schreiben vom 27. Januar 2017 (Bl. 4 der arbeitsgerichtlichen Akte) kündigte die Beklagte das mit dem Kläger bestehende Arbeitsverhältnis außerordentlich fristlos mit sofortiger Wirkung. Das Schreiben wurde von Boten der Beklagten am selben Tag gegen 13:25 Uhr in den Hausbriefkasten des Klägers eingelegt, was nach Durchführung einer Beweisaufnahme im Termin vom 14. Dezember 2018 nicht mehr streitig ist. Am 27. Januar 2017 nahm der Kläger ab 14:00 Uhr an der Geburtstagsfeier seiner Großmutter in F. teil.

Mit Schreiben vom 31. Januar 2017, dem Kläger an diesem Tag zugegangen, kündigte die Beklagte das mit dem Kläger bestehende Arbeitsverhältnis unter Aufrechterhaltung der bereits ausgesprochenen ordentlichen Kündigung vom 24. Juni 2016 und der bereits ausgesprochenen außerordentlichen fristlosen Kündigung vom 27. Januar 2017 ordentlich zum nächst möglichen Termin.

Am 20. Februar 2017 erhob der Kläger Kündigungsschutzklage, die am selben Tag beim Arbeitsgericht Karlsruhe einging und machte die Rechtsunwirksamkeit der außerordentlichen wie auch der ordentlichen Kündigung geltend.

Dabei rügte er die ordnungsgemäße Anhörung des Betriebsrates. Er bestritt, dass das Anhörungsschreiben der Vorsitzenden des Personalausschusses am 23. Januar 2017 vollständig übergeben worden sei und dass dieser das Schreiben am 25. Januar 2017 an die Personalabteilung mit der Aussage, er lasse die Frist verstreichen, zurückgegeben worden sei. Zudem trägt der Kläger vor, dass das Kündigungsschreiben bezüglich der außerordentlichen Kündigung vom 27. Janua...

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