Entscheidungsstichwort (Thema)

Antragsbefugnis im Beschlußverfahren

 

Leitsatz (amtlich)

1. Zum Wegfall der Antragsbefugnis des Betriebsrates im Beschlußverfahren, wenn ein Betrieb durch Rechtsgeschäft mit einem anderen Betrieb verschmolzen wird, in dem ein Betriebsrat existiert.

2. Zu den Voraussetzungen einer unzulässigen Überraschungsentscheidung.

 

Normenkette

BetrVG § 21 ff.; GG Art. 103 Abs. 1; BGB § 613a; ArbGG §§ 10, 83

 

Verfahrensgang

ArbG Berlin (Beschluss vom 13.06.1995; Aktenzeichen 23 BV 464/94)

 

Tenor

Die (befristete) Beschwerde des Antragstellers gegen den Beschluß des Arbeitsgerichts Berlin vom 13. Juni 1995 – 23 BV 464/94 – wird mit der Maßgabe zurückgewiesen, daß der Antrag als unzulässig abgewiesen wird.

 

Tatbestand

I.

Der Antragsteller und Beteiligte zu 1) ist der aus fünf Mitgliedern bestehende, am 14. April 1994 gewählte Betriebsrat der (West-)Berliner Bezirksgeschäftsstelle der Beteiligten zu 2), einer gemeinnützigen Bildungseinrichtung des Deutschen Gewerkschaftsbundes mit Sitz in Düsseldorf.

Im Jahre 1990 gründete die Beteiligte zu 2) als alleinige Gesellschafterin die „Berufsfortbildungswerk GmbH”, die Beteiligte zu 3), die mit gleichem Betriebszweck wie die Beteiligte zu 2) in den neuen Ländern und im begetretenen Teil Berlins eigene Geschäftsstellen unterhält. Am 30. Dezember 1994 hatten die Beteiligten zu 2) und 3) einen Vertrag „Über die Übertragung von Vermögensgegenständen, Schulden und sämtlichen Geschäftsaktivitäten der Bezirksgeschäftsstelle Berlin und des Bfw Düsseldorf … auf das bfw Ost” geschlossen.

Am 02. September 1993 vereinbarten der Antragsteller und die Beteiligte zu 2) einen Interessenausgleich, in dem u. a. folgende Regelungen enthalten sind:

„Präambel

Der Betriebsrat nimmt zur Kenntnis, daß nach der Entscheidung der Geschäftsführung die Bezirksgeschäftsstelle Berlin der Berufsfortbildungswerk Gemeinnützige Bildungseinrichtung des DGB GmbH (bfw) zum 31.12.1994 geschlossen wird. …

4. Die BS Berlin wird mit dem 31.12.1994 aufgelöst und stellt ihre Tätigkeit ein.

5. Bis zur Auflösung der BS am 31.12.1994 werden – spätestens ab 01.01.1994 – BS-Leitungs- und teilweise BS-Verwaltungsaufgaben der BS Berlin gegen Kostenverrechnung von der Berufsfortbildungswerk GmbH (bfw) in Anspruch genommen.

6. Die verbleibenden Bereiche der Bezirksgeschäftsstelle Berlin GmbH (bfw) werden durch Rechtsgeschäft zum 01.01.1995 auf die Berufsfortbildungswerk GmbH (bfw) übertragen. Die am 31.12.1994 beim Berufsbildungswerk Gemeinnützige Bildungseinrichtung des DGB GmbH (bfw) bestehenden Arbeitsverhältnisse gehen entsprechend dem vereinbarten Betriebsübergang gem. § 613 a BGB mit Wirkung ab 01.01.1995 auf die Berufsfortbildungswerk GmbH (bfw) über, es sei denn, die Arbeitsverhältnisse sind befristet oder zum 31.12.1994 aus Gründen gekündigt, die mit dem Betriebsübergang nichts zu tun haben.”

Seit dem 01. Oktober 1993 wird die Leitung der Bezirksgeschäftsstelle Berlin (BS Berlin) ebenso wie die der Bezirksgeschäftsstelle Berlin/Brandenburg durch Frau … ausgeübt, die bei der Beteiligten zu 3) beschäftigt ist. Zum 01. Januar 1994 wurde die Verwaltung der BS Berlin/Brandenburg von der … in die … Berlin verlegt.

Der Beteiligte zu 4) ist der am 11. Mai 1994 gewählte, aus fünf Mitgliedern bestehende Betriebsrat der für den Ostteil Berlins und Brandenburg zuständigen Bezirksgeschäftsstelle der Beteiligten zu 3), der mit der Beteiligten zu 3) am 27. Februar 1994 einen weiteren Interessenausgleich unterzeichnet hatte.

Am 01. November 1995 beschloß der Beteiligte zu 4) seinen Rücktritt und bestellte einen Wahlvorstand, der am 16. November 1995 zu seiner konstituierenden Sitzung zusammengetreten ist. Der Wahlvorstand hat beschlossen, unverzüglich Neuwahlen einzuleiten, die Ende Januar 1995 stattfinden werden.

Mit der beim Arbeitsgericht Berlin am 28. November 1994 eingegangenen Antragsschrift hat der Beteiligte zu 1) die Feststellung begehrt, daß er auch über den 31. Dezember 1994 hinaus fortbesteht. Vor dem 31. Dezember 1994 hätten insoweit zwei selbständige Betriebe bestanden. Organisatorisch habe sich zum Jahreswechsel 1994/1995 nichts geändert. Wenn sich organisatorisch in irgendeiner Art. und Weise etwas geändert haben sollte, daß aus zwei Betrieben im Sinne des Betriebsverfassungsgesetzes einer geworden sein könnte, dann durch die einheitliche Leitung durch Frau … und den Umzug der „Ostgeschäftsstelle”, also Ende 1993 bis 01. Januar 1994. Da beide Betriebsräte aber später gewählt und beide Betriebsratswahlen nicht angefochten worden seien, könne nicht von der Nichtigkeit beider Betriebsratswahlen ausgegangen werden. Folglich existiere er, der Antragsteller zu 1), bis zum Ende seiner regelmäßigen Amtszeit weiter. Läge hingegen mit Wirkung vom 01. Januar 1995 eine Verschmelzung beider Betriebe vor, dann hätten beide Betriebe ihre Identität verloren mit der Folge, daß das Mandat beider Betriebsräte erloschen wäre und ihm, dem Antragsteller, ein Übergangsmandat zustünde.

Der Antragsteller hat beantragt,

festzustellen, daß de...

Dieser Inhalt ist unter anderem im Deutsches Anwalt Office Premium enthalten. Sie wollen mehr?


Meistgelesene beiträge