Entscheidungsstichwort (Thema)

Zur Kostentragungspflicht des Arbeitgebers bei der Teilnahme von Betriebsratsmitgliedern an einer gewerkschaftlichen Schulungsveranstaltung

 

Leitsatz (amtlich)

1. Verfolgt eine Gewerkschaft einen Kostenerstattungsanspruch nach § 40 Abs. 1 BetrVG aus abgetretenem Recht, so ist der Zedent am arbeitsgerichtlichen Beschlußverfahren nicht zu beteiligen.

2. Veranstaltet eine Gewerkschaft für Betriebsratsmitglieder eine Schulungsveranstaltung („Betriebsräteseminar I”), so kann sie vom Arbeitgeber nicht die Kosten der Textsammlung von Michael Kittner, Arbeits- und Sozialordnung, erstattet verlangen, wenn sie allen Seminarteilnehmern ein solches Exemplar zum Verbleib übergeben hat.

 

Normenkette

BetrVG § 37 Abs. 6, § 40 Abs. 1; BGB §§ 399-400

 

Verfahrensgang

ArbG Berlin (Beschluss vom 28.04.1988; Aktenzeichen 1 BV 26/87)

 

Tenor

Die befristete Beschwerde der Antragstellerin gegen den Beschluß des Arbeitsgerichts Berlin vom 28. April 1988 – 1 BV 26/87 – wird zurück.

 

Tatbestand

I.

Der bei der Antragsgegnerin bestehende Betriebsrat, dem 19 Mitglieder angehören, beschloß die Teilnahme der Betriebsratsmitglieder … und … an einer von der Gewerkschaft …, Landesbezirk Berlin, in der Zeit vom 11. bis 15. Mai 1987 in Berlin (West) durchgeführten Schulungsveranstaltung „Betriebsräteseminar I”, in der Grundkenntnisse des Betriebsverfassungsrechts sowie die dazugehörige Rechtsprechung vermittelt wurden. An dem Seminar nahmen insgesamt 44 Personen teil. Die Betriebsratsmitglieder … traten in schriftlichen Erklärungen ihre vermeintlichen Kostenerstattungsansprüche in Höhe von jeweils 450,– DM an die Gewerkschaft … und …, die Antragstellerin, ab, die die entsprechenden Kosten verauslagt hatte. Die Antragstellerin berechnete für jeden einzelnen Schulungsteilnehmer die Kosten wie folgt:

  1. Verpflegungskosten 172,50 DM
  2. Materialien

    1. Kittner, Arbeits- und Sozialordnung 28,– DM
    2. Broschüre: Geschäftsführung des Betriebsrates, Praxis der Einigungsstelle nach BetrVG 8,50 DM
    3. Broschüre: Die Kündigung – Rechte des Betriebsrates nach § 102 BetrVG 7,30 DM
    4. 40 Kopien 1,20 DM
  3. Referentenhonorar und Spesen 200,– DM

Nachdem die Antragstellerin mit Schreiben vom 21. Mai 1987 ihre Forderung gegenüber der Antragsgegnerin geltend gemacht hatte, zahlte diese insgesamt lediglich 150,– DM zum Ausgleich der Referentenhonorare. Weitere Zahlungen lehnte sie ab.

Mit der beim Arbeitsgericht Berlin am 21. Oktober 1987 eingegangenen Antragsschrift hat die Antragstellerin die Antragsgegnerin auf Zahlung der restlichen Schulungskosten in Anspruch genommen. Sie hat die Auffassung vertreten, die von ihr geltend gemachten Schulungskosten seien insgesamt verhältnismäßig. Im Vergleich zu den Gebühren für Arbeitgeberschulungen seien die Kosten für das von ihr durchgeführte Seminar gering. Die Höhe der Referentenhonorare sei nicht zu beanstanden. Die unterschiedlichen Qualifikationen der einzelnen Referenten berührten nicht die Angemessenheit ihrer Honorarforderungen, da allein entscheidend sei, daß sie als Veranstalterin der Schulung die Referenten hierfür für geeignet und qualifiziert halte und die für diese Schulung allgemein üblichen Referentenhonorare vereinbart habe. Auch die von ihr zur Verfügung gestellte Literatur, insbesondere die Überlassung der Textsammlung „Kittner: Arbeits- und Sozialordnung” sei angemessen. Die Übereignung je eines Exemplares des „Kittner” an jeden Teilnehmer sei erforderlich gewesen, da wegen der im Regelfall fehlenden akademischen Vorbildung der Betriebsräte diesen die Arbeit mit dem Gesetzestext erleichtert werde, wenn sie sich regelmäßig Anmerkungen zum besseren Verständnis unmittelbar neben den Wortlaut des Textes schreiben könnten.

Die Antragstellerin hat beantragt,

die Antragsgegnerin zu verpflichten, an sie 1.102,50 DM nebst 4 % Zinsen seit dem 22. Mai 1987 zu zahlen.

Die Antragsgegnerin hat beantragt,

den Antrag zurückzuweisen.

Mit der Antragstellerin, so hat die Antragsgegnerin ausgeführt, habe das …-Unternehmen vereinbart, daß Verpflegungskosten bei Schulungsveranstaltungen nur nach der betrieblichen Spesenordnung des Unternehmens zu erstatten seien. Eine Kostenerstattung für je ein Exemplar des Taschenbuches von Michael Kittner „Arbeits- und Sozialordnung” komme nicht in Betracht. Daß die Antragstellerin sämtlichen Teilnehmern des Seminars auch diese Textsammlung mitgegeben habe, sei nicht erforderlich gewesen. Die Anschaffung von Literatur für den Betriebsrat erfolge nach anderen Grundsätzen als denen über die Teilnahme an einer Schulung.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Vorbringens der Beteiligten in der ersten Instanz wird auf den vorgetragenen Inhalt der zwischen ihnen gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen, § 87 Abs. 2 ArbGG in Verbindung mit den §§ 313 Abs. 2, 543 Abs. 2 Satz 2 ZPO.

Durch am 28. April 1988 verkündeten Beschluß hat die Kammer 1 des Arbeitsgerichts Berlin die Antragsgegnerin für verpflichtet gehalten, an die Antragstellerin 890,31 DM nebst 4 % Zinsen seit dem 22. Mai 1987 zu zahlen, u...

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