Entscheidungsstichwort (Thema)

Außerordentliche Beschwerde. Rechtliches Gehör. Willkür

 

Leitsatz (amtlich)

Eine Verletzung des rechtlichen Gehörs und eine dem zugrundeliegende willkürliche Verfahrensweise des Gerichts bei der Entscheidung über ein Ablehnungsgesuch sind grundsätzlich nicht geeignet, entgegen § 49 Abs. 3 ArbGG eine außerordentliche sofortige Beschwerde statthaft zu machen.

 

Normenkette

ArbGG § 49 Abs. 3; GG Art. 3 Abs. 1, Art. 103 Abs. 1

 

Verfahrensgang

ArbG Berlin (Beschluss vom 14.08.1997; Aktenzeichen 23 Ca 45667/96)

 

Tenor

Die Beschwerde der Beklagten gegen den Beschluß des Arbeitsgerichts Berlin vom 17. August 1997 – 23 Ca 45667/97 wird auf ihre Kosten bei einem Beschwerdewert von 3.400,– DM als unzulässig verworfen.

 

Gründe

1. Im Rahmen der mündlichen Verhandlung vom 1. August 1997 erklärte der Prozeßbevollmächtigte der Beklagten die Ablehnung des ordentlichen Vorsitzenden der Kammer 23 des Arbeitsgerichts Berlin wegen Besorgnis der Befangenheit, was er mit dessen Verhandlungsführung begründete.

Die dienstliche Erklärung des ordentlichen Vorsitzenden wurde an die Vertreter beider Parteien am 7. August 1997 abgeschickt, verbunden mit einer Frist bis zum 12. August 1997. Ein am 11. August 1997 eingegangener Antrag der Beklagten, die Frist zur Stellungnahme um eine Woche zu verlängern, weil die dienstliche Erklärung erst an diesem Tag eingegangen sei und eine Abschrift des Sitzungsprotokolls vom 1. August 1997 noch nicht vorliege, wurde vom Vizepräsidenten des Arbeitsgerichts Berlin als stellvertretenden Vorsitzenden der Kammer 23 am 13. August 1997 telefonisch abgelehnt unter Mitteilung des auf den nächsten Tag angesetzten Termins zur Beratung der Kammer über das Ablehnungsgesuch.

Durch einen zwei Parallelsachen einbeziehenden Beschluß vom 14. August 1997 wurde das Ablehnungsgesuch für unbegründet erklärt. Zur versagten Fristverlängerung ist in den Gründen ausgeführt, daß nicht ersichtlich sei, warum es dem Beklagtenvertreter nicht möglich gewesen sei, binnen zwei Tagen, dem 11. und 12. August 1997, substantiiert vorzutragen, da ihm der Ablauf der mündlichen Verhandlung vom 1. August 1997 aus eigener Anschauung und eigenem Handels besten bekannt gewesen sei.

Gegen diesen der Beklagten am 20. August 1997 zugestellten Beschluß richtet sich ihre am 28. August 1997 beim Arbeitsgericht eingelegte und von diesem an das Landesarbeitsgericht weitergeleitete Beschwerde. Sie ist der Ansicht, wegen Verletzung des rechtlichen Gehörs und eines in der Verfahrensweise des stellvertretenden Vorsitzenden liegenden Verstoßes gegen das Willkürverbot ausnahmsweise beschwerdebefugt zu sein.

2. Die Beschwerde der Beklagten, die entsprechend § 46 Abs. 2 ZPO allenfalls als sofortige Beschwerde in Betracht kam und der deshalb gemäß § 577 Abs. 3 ZPO vom Arbeitsgericht auch nicht hat abgeholfen werden können, war gemäß § 574 Satz 2 ZPO, § 78 Abs. 1 Satz 1 ArbGG als unzulässig zu verwerfen, weil gegen einen Beschluß über ein Ablehnungsgesuch im Arbeitsgerichtsprozeß gemäß § 49 Abs. 3 ArbGG überhaupt kein Rechtsmittel stattfindet und auch die Voraussetzungen für eine sog, außerordentliche Beschwerde nicht erfüllt waren.

Allerdings ist es in der höchstrichterlichen Rechtsprechung anerkannt, daß in eng begrenzten Ausnahmefällen nach allgemeinen Vorschriften nicht rechtsmittelfähige Entscheidungen angefochten werden können, wenn die Entscheidung jeder gesetzlichen Grundlage entbehrt und inhaltlich dem Gesetz fremd ist und deshalb als „greifbar gesetzwidrig” erscheint (BGH, Beschluß vom 8.10.1992 – VII ZB 3/92 – AP § 567 ZPO Nr. 2 zu 2 d.Gr.). Ein Verstoß gegen das in Art. 103 Abs. 1 GG garantierte Prozeßgrundrecht des rechtlichen Gehörs reicht dafür indessen regelmäßig nicht aus, weil er der Entscheidung weder insgesamt die rechtliche Grundlage nimmt noch sie ihrem Inhalt nach gesetzwidrig macht (BGH, Urteil vom 19.10.1989 – III ZR 111/88 – NJW 1990, 838 zu II 4 d.Gr.). Vielmehr stellt er bloß einen – wenn auch schweren – Verfahrensfehler dar, der in einem die sofortige Beschwerde eröffnenden Verfahren zur Aufhebung und zur Zurückverweisung zwecks erneuter Entscheidung über das Ablehnungsgesuch führte (dazu OLG Koblenz, Beschluß vom 14.4.1976 – 4 W 221/76 – JurB 1976, 1684). Für eine der Verletzung des rechtlichen Gehörs zugrundeliegende willkürliche und deshalb gegen Art. 3 Abs. 1 GG verstoßende Verfahrensweise des Gericht gilt insoweit grundsätzlich nichts anderes.

Soweit hiervon in Extremfällen eine Ausnahme in Betracht zu ziehen sein sollte, lag ein solcher Extremfall vorliegend jedenfalls nicht vor. Zwar war der Beklagten zuzugeben, daß die ihre gesetzte Frist infolge des verspäteten Eingangs der dienstlichen Erklärung äußerst kurz bemessen war und daß auch der arbeitsgerichtliche Beschleunigungsgrundsatz aus § 9 Abs. 1 ArbGG selbst in einem Kündigungsschutzprozeß ein Beharren auf dieser Frist nicht rechtfertigen konnte. Immerhin blieben ihr bzw. ihrem mit den Vorgängen im Verhandlungstermin vom 1. August 1997 selbst vertrauten u...

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