Entscheidungsstichwort (Thema)
Vergleichsmehrwert bei außergerichtlicher Schadensersatzforderung. Prozesskostenhilfe bei Vergleich über bisher nicht rechtshängige Streitgegenstände. Erkennbarkeit des Vergleichsmehrwerts aus dem Bewilligungs- und Beiordnungsbeschluss. Nachträglicher Entfall des Antrags auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe für den Mehrvergleich
Leitsatz (amtlich)
1. Zur Bestimmung des Vergleichsmehrwerts bei außergerichtlicher Geltendmachung einer Schadensersatzforderung.
2. Wird vor einer Entscheidung über den Prozesskostenhilfeantrag zwischen den Parteien ein gerichtlicher Vergleich geschlossen, der bisher nicht rechtshängige Gegenstände erfasst (Mehrvergleich), ist regelmäßig davon auszugehen, dass die finanziell unbemittelte Partei Prozesskostenhilfe nicht nur für die bereits rechtshängigen Streitgegenstände begehrt, die durch diesen Vergleich erledigt werden, sondern auch für die weiteren durch den Vergleich miterledigten Streitpunkte.
In einem solchen Fall ist die Beantragung von Prozesskostenhilfe für die Instanz deshalb mangels anderweitiger Anhaltspunkte regelmäßig so zu verstehen, dass sie auch einen Mehrvergleich erfassen soll (vgl. BAG 30. April 2014 - 10 AZB 13/14, Rn. 17).
3. Die Bewilligung von Prozesskostenhilfe für einen Vergleichsmehrwert muss klar aus dem Bewilligungs- und Beiordnungsbeschluss erkennbar sein. Entweder muss sich die Erstreckung daher direkt aus dem Tenor ergeben oder - soweit vorhanden - aus den Gründen des Beschlusses (vgl. BAG 30. April 2014 - 10 AZB 13/14, Rn. 21).
4. Die Anhängigkeit des konkludent gestellten Antrags auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe auch für den Mehrvergleich kann allerdings nachträglich wieder entfallen. Das ist der Fall, wenn über den Antrag im Bewilligungsbeschluss nicht entschieden worden ist, ohne dass durch die den PKH-Antrag stellende Partei fristgemäß eine Beschlussergänzung in entsprechender Anwendung des § 321 ZPO beantragt worden wäre (vgl. BAG 30. April 2014 - 10 AZB 13/14, Rn. 20).
Normenkette
RVG §§ 33, 48; ZPO § 321
Verfahrensgang
ArbG Neuruppin (Entscheidung vom 06.05.2019; Aktenzeichen 3 Ca 584/18) |
Tenor
Die Beschwerde der Prozessbevollmächtigten des Klägers gegen den Beschluss des Arbeitsgerichts Neuruppin vom 6. Mai 2019 - 3 Ca 584/18 - wird zurückgewiesen.
Gründe
I.
Die Parteien haben einen Rechtsstreit über die Wirksamkeit einer betriebsbedingten Kündigung geführt. Das Arbeitsgericht hat mit Beschluss vom 9. August 2018 das Zustandekommen eines Vergleichs festgestellt, in dem die Parteien sich unter Nr. 1) auf die Beendigung des Arbeitsverhältnisses zum 31. Oktober 2018 verständigt haben. Unter Nr. 7 haben die Parteien eine allgemeine Ausgleichsklausel aufgenommen.
Das Arbeitsgericht hat den Streitwert für das Verfahren mit Beschluss vom 6. Mai 2019 auf 15.352,30 Euro festgesetzt und einen Vergleichsmehrwert in Höhe von 9.211,38 Euro in Ansatz gebracht. Der Betrag für den Vergleichsmehrwert beruht auf einem Hinweis der Beschwerdeführer auf ein außergerichtliches Schreiben der Beklagten vom 7. Dezember 2017, mit der sich diese darauf berufen hat, sie halte den Kläger nach den gesetzlichen Bestimmungen und denen des Tarifvertrags für einen entstandenen Schaden für haftbar. Die Klägervertreter halten vor diesem Hintergrund einen Gegenstandswert für den Mehrvergleich in Höhe von 150.000 Euro für gerechtfertigt. Die Beklagtenvertreter haben in ihrer Stellungnahme zum Antrag der Klägervertreter auf Festsetzung des Gegenstandswerts auf § 20 des einschlägigen Manteltarifvertrags hingewiesen, der eine Deckelung bei Schadensersatzforderungen auf den dreifachen Betrag eines Monatstabellenentgelts vorsieht und eine Haftung bei leichter Fahrlässigkeit vollkommen ausschließt. Außerdem sei die Beklagte haftpflichtversichert mit einer Selbstbeteiligung in Höhe von nur 10.000 Euro.
Das Arbeitsgericht hat daraufhin einen Vergleichsmehrwert in Höhe von 9.211,38 Euro (drei Bruttoeinkommen) festgesetzt und darauf hingewiesen, dass "der Vergleichsmehrwert sich nicht auf das PKH-Verfahren erstrecke".
Im Rahmen der am 8. Mai 2019 beim Arbeitsgericht eingegangenen Beschwerde berufen die Prozessbevollmächtigten des Klägers sich darauf, dass ein erheblicher Schaden entstanden sei, den sie auf 150.000 Euro schätzten. Das Schreiben der Beklagten vom 7. Dezember 2017 sehe keine Begrenzung vor. Das Arbeitsgericht führe zu Unrecht aus, dass die Streitwertfestsetzung hinsichtlich des Mehrvergleichs nicht für die Prozesskostenhilfebewilligung gelte.
Das Arbeitsgericht hat der Beschwerde mit Beschluss vom 23. Mai 2019 nicht abgeholfen.
Die Klägervertreter beantragen in dem Beschwerdeschriftsatz nun zudem, die am 16. August 2018 erfolgte PKH-Bewilligung auch auf den Vergleichsmehrwert zu erstrecken.
II.
Die Beschwerde ist zulässig, aber unbegründet. Das Arbeitsgericht hat die Festlegung eines höheren Vergleichsmehrwerts zutreffend abgelehnt. Zu diesem Ergebnis ist das Arbeitsgericht unter Zugrundelegung der Rechtsprechung des Landesarbeitsgerichts zu den Anfo...