Entscheidungsstichwort (Thema)
Verspäteter Prozesskostenhilfeantrag für Mehrvergleich bei unterlassenem Antrag auf Ergänzung des bereits erlassenen Bewilligungsbeschlusses
Leitsatz (amtlich)
1. Anträge im Zusammenhang mit der Bewilligung von Prozesskostenhilfe müssen bei Gericht vor Abschluss der Instanz vorliegen. Dies gilt auch für die Erstreckung von PKH auf einen Vergleichsmehrwert.
2. Ein Antrag gemäß § 114 Abs. 1 ZPO kann auch konkludent gestellt werden und ist der Auslegung zugänglich. Wird über einen Antrag auf PKH erst nach Abschluss eines Vergleichs entschieden, ist der Antrag regelmäßig so zu verstehen, dass er sich auch auf den Vergleichsmehrwert erstreckt.
3. Trifft das Gericht keine Entscheidung über den konkludent gestellten Antrag, ist gemäß § 321 ZPO zu verfahren, es gilt allerdings auch die zweiwöchige Antragsfrist.
Normenkette
ZPO § 114 Abs. 1, § 321 Abs. 2, § 114 Abs. 1 S. 1
Verfahrensgang
ArbG Hamburg (Entscheidung vom 12.06.2015; Aktenzeichen 15 Ca 110/15) |
Tenor
Die sofortige Beschwerde der Klägerin vom 22. Juni 2015 gegen den Beschluss des Arbeitsgerichts Hamburg vom 12. Juni 2015 - 15 Ca 18/15 - wird auf ihre Kosten zurückgewiesen.
Gründe
I.
Die Beschwerdeführerin/Klägerin begehrt Prozesskostenhilfe (PKH) für einen Vergleichsmehrwert (Verpflichtung zur Erstellung eines qualifizierten Arbeitszeugnisses).
Der Klägerin wurde auf ihren Antrag vom 14. April 2015 hin am 5. Mai 2015 Prozesskostenhilfe für Klage und Vergleich bewilligt. Zur Wahrnehmung der Rechte in diesem Rechtszug wurde ihr Rechtsanwalt K. beigeordnet. Eine Ratenzahlung wurde nicht festgesetzt. Zuvor hatte die Klägerin mit Klageschrift vom 2. März 2015 Kündigungsschutzklage erhoben.
Mit Schriftsatz vom 17. April 2015 unterbreitete die Klägerin einen Vergleichsvorschlag. Mit gerichtlich am 27. April 2015 festgestelltem Vergleich wurde das Arbeitsverhältnis der Parteien zum 28. Februar 2015 beendet. Die Beklagte verpflichtete sich in Ziffer 2 des Vergleichs zur Erteilung eines Zeugnisses.
Mit Beschluss vom 9. Juni 2015 setzte das Arbeitsgericht den Gegenstandswert der Klage auf € 8.836,- fest, der übersteigende Vergleichswert (für das Zeugnis) wurde auf € 441,80 festgesetzt.
Mit Schriftsatz vom 10. Juni 2015, eingegangen bei Gericht am 12. Juni 2015, beantragte der Prozessbevollmächtigte der Klägerin, die Gewährung von Prozesskostenhilfe auch auf den Vergleich zu erstrecken.
Dies lehnte das Arbeitsgericht mit dem angefochtenen, am 22. Juni 2015 zugestellten Beschluss ab. Mit am selben Tag eingegangenem Schriftsatz legte die Klägerin sofortige Beschwerde ein.
Das Arbeitsgericht half der sofortigen Beschwerde durch Beschluss vom 23. Juni 2015 nicht abgeholfen.
II.
Die sofortige Beschwerde ist statthaft (§ 127 Abs. 2 ZPO). Sie ist zulässig, jedoch nicht begründet. Die sofortige Beschwerde war daher kostenpflichtig zurückzuweisen.
Das Arbeitsgericht hat zu Recht angenommen, dass für den Mehrvergleich keine PKH zu gewähren war.
1. Der Antrag auf Erstreckung der PKH vom 10. Juni 2015 auf den Mehrwert des am 27. April 2015 durch Beschluss festgestellten Vergleichs ist bereits deshalb abzuweisen, weil er verspätet gestellt worden. Er hat daher keine Aussicht auf Erfolg gem. § 114 ZPO.
Der Ergänzungsantrag ist erst nach Ende des erstinstanzlichen Verfahrens bei dem Arbeitsgericht eingereicht worden. Das erstinstanzliche Verfahren war mit der Vergleichsfeststellung bereits am 27. April 2015 beendet (vgl. BAG 16. Februar 2012 - 3 AZB 34/11 -, juris).
Anträge im Zusammenhang mit der Bewilligung von Prozesskostenhilfe müssen dem Gericht aber vor Abschluss der Instanz vorliegen. Werden sie erst nach Instanzende vorgelegt, haben sie keinerlei Erfolgsaussichten mehr. Erfolgsaussichten können nur für die Zeit bis zum Ende der Instanz angenommen werden. Der Prozesskostenhilfeantrag muss spätestens vor Abschluss der Instanz bei Gericht eingegangen sein, mithin nicht mehr nach Wegfall der Rechtshängigkeit (LAG Sachsen-Anhalt, Beschluss vom 05. Januar 2011 - 2 Ta 191/10 -, juris).
Dies entspricht der Rechtsprechung des BAG (30. April 2014 - 10 AZB 13/14 -, juris): Nach § 114 Abs. 1 Satz 1 ZPO kann Prozesskostenhilfe lediglich für eine "beabsichtigte" Rechtsverfolgung gewährt werden. Eine Rückwirkung der Bewilligung ist grundsätzlich ausgeschlossen. Jedoch kann die Rückwirkung bis zu dem Zeitpunkt erstreckt werden, in dem der Antragsteller durch einen formgerechten Bewilligungsantrag von seiner Seite aus alles für die Bewilligung Erforderliche oder Zumutbare getan hat. Soweit die Voraussetzungen einer rückwirkenden Bewilligung vorliegen, sind aus der Staatskasse Tätigkeiten des beigeordneten Rechtsanwalts zu vergüten, die dieser auf die Hauptsache bezogen bei oder nach dem Eingang des Prozesskostenhilfeantrags erbracht hat. Nach Abschluss der Instanz ist die Bewilligung von Prozesskostenhilfe nicht mehr möglich. Diese Begrenzung der Rückwirkung folgt aus dem Zweck der Prozesskostenhilfe. Der mittellosen Partei sollen die Prozesshandlungen ermöglicht werden, die für ...