Entscheidungsstichwort (Thema)
Gerichtliche Ersetzung des Wahlvorstandes zu den Betriebsratswahlen
Leitsatz (redaktionell)
Hat der Wahlvorstand in den ersten zwei Monaten seiner Einsetzung nicht an einer von ihm für notwendig gehaltenen Schulung teilgenommen und sich erst nach weiterem Zuwarten bei der Arbeitgeberin nach ausländischen Arbeitnehmern i.S. von § 2 Abs. 5 BetrVG-WO erkundigt und hat er auch im Übrigen die Durchführung der Wahl nicht vorangetrieben, so ist er gerichtlich zu ersetzen.
Normenkette
BetrVG § 18 Abs. 1 S. 2
Verfahrensgang
ArbG Berlin (Entscheidung vom 22.09.2016; Aktenzeichen 1 BV 5932/16) |
Tenor
I. Die Beschwerde des Wahlvorstandes gegen den Beschluss des Arbeitsgerichts Berlin vom 22.09.2016 - 1 BV 5932/16 - wird zurückgewiesen.
II. Die Rechtsbeschwerde wird nicht zugelassen.
Gründe
I.
Die Beteiligten streiten über die Ersetzung eines Wahlvorstandes.
Antragsteller und Beteiligte zu 1) bis 9) sind neun Arbeitnehmer (im Folgenden: Antragsteller zu 1) bis 9)) der Standorte in Berlin Am St. 16 bzw. S. 50, für die ein einheitlicher Betriebsrat gewählt wurde. Beteiligte zu 11) ist die Arbeitgeberin, die u. a. an diesen Standorten Servicedienstleistungen in Form von Callcentern erbringt. Beteiligter zu 10) ist der zwecks Vorbereitung einer Betriebsratswahl an diesen Standorten gebildete Wahlvorstand (im Folgenden: Wahlvorstand).
Seit der in diesen Standorten durchgeführten letzten Betriebsratswahl, bei der 11 Mitglieder zu wählen waren, ist die Anzahl der verfügbaren Betriebsratsmitglieder auch nach Ausschöpfen sämtlicher Ersatzmitglieder auf weniger als 11 abgesunken. Wegen der sich erforderlich machenden außerplanmäßigen Betriebsratswahl wurde vom Betriebsrat im Januar 2016 der Wahlvorstand bestellt. Dieser besteht aus den Herren G. als Vorsitzendem und St. als stellvertretendem Vorsitzenden sowie aus Frau K.; Ersatzmitglieder sind die Herren W. und B. sowie Frau Kr.. Mit Ausnahme des Vorsitzenden des Wahlvorstands, der stellvertretender Schwerbehindertenvertreter ist, sind sämtliche Mitglieder und Ersatzmitglieder zugleich Betriebsratsmitglieder.
Ab 1. März 2013 stellte die Arbeitgeberin dem Wahlvorstand sächliche Mittel zur Verfügung, ab 14. März 2016 einen Raum. Nachdem der Wahlvorstand verschiedene Angebote für die Durchführung einer Schulung eingeholt hatte (Bl. 319ff d. A.), beantragte er am 24. März 2016 für seine Mitglieder und Ersatzmitglieder die Genehmigung für eine zweitägige Schulung, die am selben Tag von der Arbeitgeberin bewilligt (Bl. 80f d. A.) und am 7. und 8. April 2016 durchgeführt wurde. Mit Mail vom 20. Mai 2016 (316ff d. A.) wollte der Wahlvortand u.a. wissen, welche ausländischen Arbeitnehmer im Betrieb beschäftigt werden und ob diese eine konkrete Tätigkeit ausüben. Mit Schriftsatz vom 21. September 20016 zum Verfahren 9 Ta 1286/16 erklärte der Wahlvorstand, dass der Arbeitgeber in einer Liste vom 16. August 2016 die Nationalität der dort aufgelisteten Beschäftigten angegeben habe (Bl. 156 d. A.).
Anfang Juni 2016 leitete der Wahlvorstand beim Arbeitsgericht Berlin zwei Eilverfahren gegen die Arbeitgeberin, gerichtet auf die Zurverfügungstellung weiterer Sachmittel einerseits (63 BVGa 7261/16) sowie auf Auskunftserteilung zwecks Erstellung der Wählerlisten andererseits (1 BVGa 7392/16), ein. Das Eilverfahren bezüglich der Zurverfügungstellung weiterer sächlicher Mittel ist zweitinstanzlich gegen den Wahlvorstand entschieden worden (2.9.2016 - 9 TaBVGa 1306/16; Kopie Bl. 216ff d. A.). Nach rechtskräftig gewordenem Beschluss im Verfahren 1 BVGa 7392/16 ist ein weiteres eingeleitetes Eilverfahren bezüglich Auskunftsansprüchen ebenfalls zweitinstanzlich (20.10.2016 - 9 Ta 1286/16; Kopie Bl. 211ff d. A.) gegen den Wahlvorstand entschieden worden.
Ein Wahlausschreiben existiert bislang nicht.
Die Antragsteller zu 1), 2) und 5) haben behauptet, sie seien keine leitenden Angestellten im Sinne des Betriebsverfassungsgesetzes und daher antrags- und beteiligtenbefugt.
Die Antragsteller haben die Ansicht vertreten, der Wahlvorstand sei seiner Verpflichtung zur unverzüglichen Einleitung der Wahl nicht nachgekommen. Was die von ihm monierten fehlenden Informationen zur Einordnung von Mitarbeitern als leitende Angestellte angehe, so sei es Aufgabe des Wahlvorstands selbst, die entsprechende Bewertung vorzunehmen. Auch beschränke die Pflicht der Arbeitgeberin sich auf die Lieferung der Informationen, die für die Erstellung der Wählerlisten erforderlich seien, etwa zur Frage des Geschlechts der Wahlberechtigten, nicht jedoch umfasse diese Pflicht die Erstellung einer diesbezüglichen Liste durch die Arbeitgeberin selbst.
Die Antragsteller haben behauptet, sie seien sämtlichst zur Übernahme des Amtes als neuer Wahlvorstand bereit. Hierzu reichten sie das Anlagenkonvolut A 2 ein, auf das Bezug genommen wird (Bl. 100 - 106 d. A.). Soweit sie als einzusetzende Wahlvorstandsmitglieder in den Anträgen vorgeschlagen seien, hätten sie sich die erforderlichen Kenntnisse auch ohne diesbezügliche Schulu...