Entscheidungsstichwort (Thema)

Anwendbarkeit einer Betriebsvereinbarung zur gleitenden Arbeitszeit auf Leiharbeitnehmer. Unterlassungsantrag des Betriebsrats gegen Herausnahme von Leiharbeitnehmern aus Arbeitszeitregelung

 

Leitsatz (redaktionell)

1. Betriebsvereinbarungen hat die Arbeitgeberin nach § 77 Abs. 1 Satz 1 BetrVG durchzuführen; dementsprechend hat der Betriebsrat einen Durchführungsanspruch, der auch in Form eines Anspruches auf Unterlassung von Verstößen gegen die Betriebsvereinbarung bestehen kann.

2. Da es sich bei dem Anspruch des Betriebsrats auf Unterlassung von Verstößen gegen die Betriebsvereinbarung nicht um die Unterlassung mitbestimmungswidrigen Verhaltens handelt, bedarf es keiner Prüfung, ob ein grober Verstoß im Sinne von § 23 Abs. 3 BetrVG vorliegt.

3. Soweit Mitbestimmungsrechte des Entleiherbetriebsrates auch für Leiharbeitnehmerinnen und Leiharbeitnehmer zur Anwendung kommen, gelten darauf beruhende Betriebsvereinbarungen auch für diesen Personenkreis nach § 77 Abs. 4 BetrVG unmittelbar und zwingend; anderes gilt nur, soweit in Leiharbeit Beschäftigte nach dem festgelegten persönlichen Geltungsbereich der Betriebsvereinbarung ausdrücklich ausgenommen werden oder die Auslegung eine Herausnahme dieser Personengruppe aus dem persönlichen Geltungsbereich ergibt.

4. Da dem Betriebsrat des Entleiherbetriebes das Mitbestimmungsrecht des § 87 Abs. 1 Nr. 2 BetrVG auch für die in Leiharbeit Beschäftigten zusteht, ist grundsätzlich davon auszugehen, dass eine auf der Grundlage des § 87 Abs. 1 Nr. 2 abgeschlossene Betriebsvereinbarung auch die im Betrieb beschäftigten Leiharbeitnehmerinnen und Leiharbeitnehmer erfasst.

 

Normenkette

BetrVG § 77 Abs. 1 S. 1, § 23 Abs. 3, § 77 Abs. 4, § 87 Abs. 1 Nr. 2

 

Verfahrensgang

ArbG Neuruppin (Entscheidung vom 07.03.2012; Aktenzeichen 5 BV 92/11)

 

Nachgehend

BAG (Beschluss vom 11.02.2014; Aktenzeichen 1 ABR 76/12)

 

Tenor

I. Auf die Beschwerde des Beteiligten zu 1. wird der Beschluss des Arbeitsgerichts Neuruppin vom 07.03.2012 - 5 BV 92/11 - abgeändert.

1. Der Beteiligten zu 2. wird unter Androhung eines Ordnungsgeldes in Höhe von bis zu 10.000,00 € für jeden Fall der Zuwiderhandlung untersagt, während der Geltung der Betriebsvereinbarung Nr. 53 "Gleitende Arbeitszeit" vom 01.09.2011 in ihrem Betrieb eingesetzte Leiharbeitnehmer in der Weise zu beschäftigten, dass sie ihre Arbeitszeit nicht innerhalb der in der Anlage zur Betriebsvereinbarung Nr. 53 "Gleitende Arbeitszeit" vom 01.09.2011 festgelegten Rahmenarbeitszeit und des in § 6 dieser Betriebsvereinbarung geregelten Gleitzeitrahmens selbst bestimmen können und dass diese Leiharbeitnehmer keinen Zeitausgleich gemäß § 7 der Betriebsvereinbarung Nr. 53 "Gleitende Arbeitszeit" vom 01.09.2011 nehmen können, indem sie im Rahmen ihrer Gleitzeitsalden tages- oder stundenweise Freizeitausgleich nehmen.

2. Der Beteiligten zu 2. wird unter Androhung eines Ordnungsgeldes in Höhe von bis zu 10.000,00 € für jeden Fall der Zuwiderhandlung untersagt, während der Geltung der Betriebsvereinbarung Nr. 53 "Gleitende Arbeitszeit" vom 01.09.2011 bei denjenigen Leiharbeitnehmern, die sie in ihrem Betrieb einsetzt und die im Drei-Schicht-System, wie es in der Anlage zu dieser Betriebsvereinbarung unter "Mehrschichtarbeit" "GLAZ-C-3-Schicht" festgelegt ist, arbeiten, sofern sie in der dort geregelten Frühschicht arbeiten, eine tägliche Pausenzeit von 45 Minuten zu erfassen und in dieser Form an den vertraglichen Arbeitgeber des jeweiligen Leiharbeitnehmers weiterzureichen, obwohl der jeweilige Leiharbeitnehmer eine tägliche Pausenzeit von nicht mehr als 35 Minuten in Anspruch genommen hat.

3. Der Beteiligten zu 2. wird unter Androhung eines Ordnungsgeldes in Höhe von bis zu 10.000,00 € für jeden Fall der Zuwiderhandlung untersagt, während der Geltung der Betriebsvereinbarung Nr. 53 "Gleitende Arbeitszeit" vom 01.09.2011 bei denjenigen Leiharbeitnehmern, die sie in ihrem Betrieb einsetzt und die im Drei-Schicht-System, wie es in der Anlage zu dieser Betriebsvereinbarung unter "Mehrschichtarbeit" "GLAZ-C-3-Schicht" festgelegt ist, arbeiten, sofern sie in der dort geregelten Frühschicht arbeiten, eine tägliche Pausenzeit von 45 Minuten zu erfassen und in den monatlichen Zeitnachweisen zu dokumentieren, wenn tatsächlich eine Pausenzeit von 35 Minuten bei der Abrechnung der geleisteten Arbeitszeit berücksichtigt wurde.

II. Die Rechtsbeschwerde wird zugelassen.

 

Gründe

I. Die Arbeitgeberin stellt in ihrem Betrieb in Hennigsdorf mit derzeit ca. 2000 Stammarbeitnehmern und ca. 450 Leiharbeitnehmern Schienenfahrzeuge her.

Bei ihr gilt seit 01.01.2011 ein Firmentarifvertrag vom 28.01.2011 (Bl. 46 bis 51 d. A.).

Die Verleihunternehmen, mit denen die bei der Arbeitgeberin eingesetzten Leiharbeitnehmer einen Arbeitsvertrag abgeschlossen haben, wenden auf ihre Arbeitnehmer entweder den MTV Zeitarbeit BZA vom Mai 2010 (Auszug Bl. 18 bis 23) oder den MTV Zeitarbeit iGZ vom 30.04.2010 (Bl. 28 bis 38 d. A.) an.

In § 4.1 des MTV Zeitarbeit BZA heißt es:

"Die t...

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