Entscheidungsstichwort (Thema)
Einstweilige Verfügung auf Einsichtnahme in Wahlunterlagen für den Betriebsrat. Anspruch auf Einsicht in Wahlunterlagen zur Betriebsratswahl. Auswirkungen des Wahlgeheimnisses auf Einsicht in Wahlunterlagen
Leitsatz (redaktionell)
1. Im Wege des einstweiligen Verfügungsverfahrens steht der Arbeitgeberin ein Anspruch auf Einsicht in die Wahlunterlagen zur Betriebsratswahl zu. Dieser ergibt sich aus § 19 WahlO, der eine Pflicht zur Aufbewahrung bis zum Ende der Amtszeit normiert.
2. Die Einsicht in die Wahlunterlagen findet ihre Grenze im Wahlgeheimnis nach § 14 Abs. 1 BetrVG, wonach keine Rückschlüsse auf einzelne Arbeitnehmer möglich sein dürfen. Die Einsicht ist vollständig zu gewähren, wenn dies erforderlich ist.
Normenkette
WO § 19; BetrVG § 14 Abs. 2, § 19 Abs. 1; ArbGG § 87 Abs. 1
Verfahrensgang
ArbG Berlin (Entscheidung vom 05.08.2021; Aktenzeichen 6 BVGa 7163/21) |
Tenor
Auf die Beschwerde der Arbeitgeberin wird der Beschluss des Arbeitsgerichts Berlin vom 05. August 2021 - 6 BVGa 7163/21 - abgeändert und dem Beteiligten zu 2) im Wege der einstweiligen Verfügung aufgegeben, der Arbeitgeberin vollständige Einsicht in den Wahlakten zur Betriebsratswahl vom 17.06.2021, die der Beteiligte zu 2) aufbewahrt, zu gewähren.
Gründe
1. Die Arbeitgeberin (Beteiligte zu 1) begehrt im Rahmen eines einstweiligen Verfügungsverfahrens von dem Betriebsrat (Beteiligter zu 2) Einsicht in die Wahlakten zur Betriebsratswahl vom 17. Juni 2021, die von der Arbeitgeberin angefochten wurde.
Das Arbeitsgericht hat mit Beschluss vom 5. August 2021, auf dessen Sachverhalt wegen der weiteren Einzelheiten des erstinstanzlichen Vorbringens der Beteiligten Bezug genommen wird, die Anträge der Arbeitgeberin auf vollständige Einsicht in die Wahlakten hilfsweise auf vollständige Einsicht in die Briefwahlunterlagen zurückgewiesen. Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt, der Anspruch der Arbeitgeberin sei durch die Einsichtnahme am 28. Juni 2021 erfüllt. Anspruch auf Einsicht in die Briefwahlunterlagen habe die Arbeitgeberin nicht, weil sie ein berechtigtes Interesse auf Einsichtnahme in die Bestandteile der Wahlakten, aus denen Rückschlüsse gezogen werden könnten, wer sich nicht an der Wahl beteiligt habe, nicht dargetan habe.
Gegen diesen der Arbeitgeberin am 13. August 2021 zugestellten Beschluss richtet sich ihre sofortige Beschwerde, die sie mit einem beim Landesarbeitsgericht am 27. August 2021 eingegangenen Schriftsatz eingelegt und zugleich begründet hat.
Die Arbeitgeberin macht auch im Beschwerdeverfahren geltend, sie benötige vollständige Einsicht in die Unterlagen, um die Ordnungsgemäßheit der Wahl prüfen und entsprechend im Wahlanfechtungsverfahren vortragen zu können. Die von ihr bereits vorgetragenen Verstöße implizierten durchaus weiteren Verstöße, die insgesamt aufzuklären seien. Auf den Erlass einer einstweiligen Verfügung sei sie angewiesen, um den Anhörungstermin im Wahlanfechtungsverfahren noch entsprechend vorbereiten und ihrer dortigen Darlegungslast nachkommen zu können. Interessen des Betriebsrates würden demgegenüber zurücktreten. Da dieser lediglich die Akten verwahre, würden seine Rechte durch eine Erfüllung des Anspruchs nicht beeinträchtigt und es entstünde diesem auch kein Schaden.
Die Arbeitgeberin beantragt,
1. den Beschluss des Arbeitsgerichts Berlin vom 5. August 2021 - Aktenzeichen 6 BVGa 7163/21 - abzuändern und den Beteiligten zu 2. im Wege der einstweiligen Verfügung aufzugeben, der Beteiligten zu 1. vollständige Einsicht in die Wahlakten zur Betriebsratswahl vom 17. Juni 2021, die der Antragsgegner gemäß § 19 Wahlordnung aufbewahrt, zu gewähren.
Hilfsweise für den Fall des Unterliegens mit dem Antrag zu Ziffer 1,
2. den Beschluss des Arbeitsgerichts Berlin vom 5. August 2021 - Aktenzeichen 6 BVGa 7163/21 - abzuändern und dem Beteiligten zu 2. im Wege einstweiliger Verfügung aufzugeben, der Beteiligten zu 1.
a. vollständige Einsicht in die Briefwahlunterlagen, insbesondere die von den wahlberechtigten Arbeitnehmer/innen an den Wahlvorstand zurückgesandten Briefwahlunterlagen,
b. in die Wählerliste mit Stimmabgabevermerken sowie
c. die eingereichten Vorschlagslisten mit Stützunterschriften,
jeweils bezogen auf die Betriebsratswahl vom 17. Juni 2021, die der Beteiligte zu
2. gemäß § 19 Wahlordnung aufbewahrt, zu gewähren.
Der Beteiligte zu 2. beantragt,
die Beschwerde zurückzuweisen.
Der Beteiligte zu 2. verteidigt den arbeitsgerichtlichen Beschluss im Wesentlichen mit Rechtsausführungen zum Verfügungsanspruch, der aus seiner Sicht mangels Darlegung eines berechtigten Interesses fehle, und zum Verfügungsgrund, der im Hinblick auf das Wahlanfechtungsverfahren, in dem die Akten gegebenenfalls beigezogen und eingesehen würden, zu verneinen sei.
Wegen der weiteren Einzelheiten des zweitinstanzlichen Vorbringens der Beteiligten wird auf die zwischen ihnen gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen sowie auf das Vorbringen in dem mündlichen Anhörungstermin Bezug genommen.
2. Die Beschwerde der...