Entscheidungsstichwort (Thema)

Zulässigkeit der Anschlussbeschwerde im einstweiligen Rechtsschutz in Beschlussverfahren. Einsichtsrecht des Arbeitgebers in die Wahlakten zur Betriebsratswahl. Einschränkung des Einsichtsrechts zum Schutz des Wahlgeheimnisses. Unbegründeter Globalantrag auf Einsicht in die Wahlakten. Kein Vollzug einer einstweiligen Verfügung nach einem Monat

 

Leitsatz (redaktionell)

1. Eine Anschlussbeschwerde ist im einstweiligen Rechtsschutz in Beschlussverfahren zulässig. Sie muss fristgemäß erklärt werden, d.h. sie ist nur bis zum Ablauf der einem Beteiligten gesetzten Frist zur Beschwerdeerwiderung zulässig.

2. Aus der in § 19 WO normierten Pflicht des Betriebsrats, die Wahlakten mindestens bis zur Beendigung seiner Amtszeit aufzubewahren, ergibt sich grundsätzlich ein Anspruch des Arbeitgebers auf Einsichtnahme in die Wahlakten. Die Aufbewahrungspflicht soll es ermöglichen, auch nach Abschluss der Betriebsratswahl vom Inhalt der Wahlakten Kenntnis zu nehmen, um die Ordnungsmäßigkeit der Betriebsratswahl überprüfen zu können.

3. Die Einsichtnahme in solche Bestandteile der Wahlakten, die Rückschlüsse auf das Wählerverhalten zulassen und damit das Wahlgeheimnis berühren, ist nur zulässig, wenn die Einsichtnahme gerade in diese Schriftstücke zur Überprüfung der Ordnungsmäßigkeit der Wahl notwendig ist. Dies muss der Antragsteller mit sachlicher Begründung darlegen.

4. Ein als Globalantrag verfolgter Hauptantrag auf Einsichtnahme in die Wahlakten muss ohne Erfolg bleiben, wenn es dem Antragsteller nicht gelungen ist, darzulegen, aus welchen Gründen eine uneingeschränkte Einsichtnahme erforderlich ist.

5. Nach § 85 Abs. 2 ArbGG i.V.m. §§ 935, 936, 929 Abs. 2 ZPO ist die Vollziehung einer einstweiligen Verfügung unstatthaft, wenn seit dem Tage, an dem sie verkündet oder der Partei, auf deren Gesuch sie erging, zugestellt wurde, ein Monat verstrichen ist. Unter "Vollziehung" im Sinne dieser Norm ist die Einleitung der Zwangsvollstreckung aus dem Arrest oder aus der einstweiligen Verfügung zu verstehen.

 

Normenkette

ArbGG § 85 Abs. 2; BetrVG § 14 Abs. 1; WO § 19; ZPO § 929 Abs. 2, §§ 935-936, 524 Abs. 2 S. 2; DSGVO Art. 9

 

Verfahrensgang

ArbG Trier (Entscheidung vom 01.09.2022; Aktenzeichen 1 BVGa 4/22)

 

Tenor

Auf die Beschwerde des Beteiligten zu 4) wird der Beschluss des Arbeitsgerichts Trier - vom 01. September 2022 - Az.: 1 BVGa 4/22 - unter Zurückweisung der Anschlussbeschwerde der Beteiligten zu 1) bis 3) abgeändert und insgesamt wie folgt neu gefasst:

Die Anträge werden zurückgewiesen.

 

Gründe

A

Die Beteiligten streiten darüber, ob der zu 4) beteiligte Betriebsrat verpflichtet ist, den antragstellenden, zu 1) bis 3) beteiligten Arbeitnehmern Einsicht in die Wahlakten einer Betriebsratswahl zu gewähren.

Die Beteiligte zu 5) (im Folgenden: Arbeitgeberin) ist ein Stoßdämpfer und Federungssysteme produzierendes Unternehmen, welches ua. ein Werk in Z.-Stadt unterhält. Die Antragsteller zu 1) bis 3) sind Arbeitnehmer der Arbeitgeberin, die zum Zeitpunkt der vorliegend streitgegenständlichen Betriebsratswahl sowohl zum Betriebsrat im Werk Z.-Stadt wahlberechtigt als auch wählbar waren.

Anlässlich der für den 15. März 2022 im Betrieb Z.-Stadt der Arbeitgeberin angesetzten Betriebsratswahl teilte die Wahlvorstandvorsitzende Y. dem Beteiligten zu 3) als Listenvertreter per E-Mail vom 27. Januar 2022 (Bl. 29 d. A.) mit, seine Wahlvorschlagsliste, auf der auch die Beteiligten zu 1) und 2) kandidierten, werde aufgrund eines Kandidaten auf Richtigkeit überprüft. Eine vom Wahlvorstand eingeschaltete externe Juristin erstellte in der Folge ein Sachverständigengutachten, welches zu dem Ergebnis kam, dass die Vorschlagsliste unheilbar ungültig iSd. § 8 Abs. 1 WO sei, da sie den nicht wählbaren Kandidaten X. W. enthalte, der dem Standort V.-Stadt zuzuordnen sei. Mit Schreiben vom 04. Februar 2022 teilte die Wahlvorstandsvorsitzende dem Beteiligten zu 3) das Ergebnis der juristischen Prüfung mit und erklärte, die Vorschlagsliste könne nicht bei der Betriebsratswahl berücksichtigt werden und es sei aufgrund Ablaufs der Einreichungsfrist auch nicht möglich, eine neue Liste einzureichen.

Am 15. März 2022 wurde sodann - ohne Beteiligung der Wahlvorschlagsliste der Antragsteller - der zu 4) beteiligte Betriebsrat (im Folgenden: Betriebsrat) mit dreizehn Betriebsratsmitgliedern gewählt. Das Ergebnis der Betriebsratswahl wurde mit Aushang am 21. März 2022 bekanntgegeben. Die Wahlunterlagen zur Betriebsratswahl wurden dem Betriebsrat zur Aufbewahrung übergeben.

Die Antragsteller haben die Betriebsratswahl beim Arbeitsgericht Trier mit Schriftsatz vom 01. April 2022 angefochten.

Mit Schreiben vom 18. Juli 2022 (Bl. 30 f. d. A.) beantragte die Verfahrensbevollmächtigte der Beteiligten zu 1) bis 3) bei der den Betriebsrat im Wahlanfechtungsverfahren vertretenden nunmehrig auch vorliegend Verfahrensbevollmächtigten des Betriebsrats vollständige Einsichtnahme in die Wahlunterlagen der Betriebsratswahl unter Angabe mehrerer möglicher Term...

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