Entscheidungsstichwort (Thema)
Grundsätze der Mitbestimmung in einer Aktiengesellschaft europäischen Rechts
Leitsatz (redaktionell)
Mit dem Zustandekommen einer Mitbestimmungsvereinbarung gem. § 21 SEBG endet das Besondere Verhandlungsgremium bei einer Aktiengesellschaft europäischen Rechts.
Normenkette
ArbGG § 2a Abs. 1 Nr. 3e; ZPO § 256 Abs. 1; SEBG §§ 1, 4 Abs. 4 S. 2, § 6 Abs. 2-3; SEBK § 8 Abs. 1 S. 2; SEBG § 11 Abs. 1
Verfahrensgang
ArbG Berlin (Entscheidung vom 30.06.2016; Aktenzeichen 4 BV 12102/15) |
Tenor
I. Die Beschwerde der Beteiligten zu 1) gegen den Beschluss des Arbeitsgerichts Berlin vom 30.06.2016 - 4 BV 12102/15 - wird zurückgewiesen.
II. Die Rechtsbeschwerde wird nicht zugelassen.
Gründe
I.
Die antragstellende Vereinte Dienstleistungsgewerkschaft (ver.di), die Beteiligte zu 1), wendet sich in diesem Beschlussverfahren gegen eine ohne ihre Mitwirkung nach dem SE-Beteiligungsgesetz zustande gekommene Mitbestimmungsvereinbarung.
Bei der in Berlin ansässigen Beteiligten zu 2) handelt es sich um eine durch Verschmelzung der Z. AG mit Sitz in Berlin und der Z. plc mit Sitz in London, deren einzige Aktionärin die Z. AG gewesen ist, entstandene Aktiengesellschaft europäischen Rechts (Societas Europaea, SE). Der Verschmelzung vorausgehend wurden ohne gewerkschaftliche Mitwirkung die inländischen Vertreter des besonderen Verhandlungsgremiums (BVG) für die Arbeitnehmerseite zur Herbeiführung einer Mitbestimmungsvereinbarung nach § 21 SEBG bestimmt. Das Gremium konstituierte sich am 10.03.2014 und schloss am 17.03.2014 mit der Arbeitgeberseite, noch bestehend aus der Z. AG und der Z. plc, die Mitbestimmungsvereinbarung. Diese Vorgänge sind festgehalten in einem notariell beurkundeten Vertrag über die Verschmelzung vom 24.03.2014 (Verschmelzungsplan), der auszugsweise lautet:
"§ 8
Folgen der Verschmelzung für die Arbeitnehmer und ihre Vertretungen
1.
Die Verschmelzung erfüllt die Voraussetzungen eines Betriebsübergangs im Sinne der Richtlinie 2001/23/EG sowie des Gesetzes betreffend den Übergang von Unternehmen (Kündigungsschutz) von 2006... Infolgedessen gehen zum Wirksamkeitszeitpunkt sämtliche mit der Z. plc bestehenden Arbeitsverhältnisse mit allen Rechten und Pflichten von der Z. plc auf die Z. AG über, die zum Wirksamkeitszeitpunkt die Rechtsform einer SE annimmt. Die Z. SE wird damit Gläubigerin und Schuldnerin sämtlicher Ansprüche aus den übergehenden Arbeitsverhältnissen. Die bei der Z. plc erbrachten oder anerkannten Dienstzeiten gelten in vollem Umfang als bei der Z. SE erbrachte oder anerkannte Dienstzeiten.
2.
Weder die Z. plc noch die Z. AG verfügen über einen Betriebsrat. Die Verschmelzung hat daher insoweit keine Auswirkungen.
3.
Weder die Z. plc noch die Z. AG sind im Übrigen an Tarifverträge gebunden. Auch insoweit hat die Verschmelzung daher keine Auswirkungen.
4.
...
§ 9
Angaben zum Verfahren über die Vereinbarung zur Arbeitnehmerbeteiligung
1. Grundlagen
Gemäß Art. 12 Abs. 2 SE-VO setzt die Eintragung der Z. SE in das Handelsregister und damit das Wirksamwerden der Verschmelzung den Abschluss eines Arbeitnehmerbeteiligungsverfahrens nach näherer Maßgabe der nationalen Umsetzungsvorschriften zu den Art. 4, 3 Abs. 6 oder 5 der Richtlinie 2001/86/EG des Rates vom 8. Oktober 2001 zur Ergänzung des Status der europäischen Gesellschaft hinsichtlich der Beteiligung der Arbeitnehmer (SE-Richtlinie) voraus. Ein solches Arbeitnehmerbeteiligungsverfahren wurde vorliegend durchgeführt. Das Verfahren endete am 17.03.2014 mit dem Abschluss einer Vereinbarung über die Beteiligung der Arbeitnehmer in der künftigen Z. SE (Mitbestimmungsvereinbarung, MBV) zwischen dem besonderen Verhandlungsgremium der Arbeitnehmer (besonderes Verhandlungsgremium, BVG) und den beteiligten Gesellschaften, diese vertreten durch den Vorstand der Z. AG bzw. die Direktoren der Z. plc.
2. Einleitung des Verfahrens
Das Verfahren wurde gemäß § 4 des Gesetzes über die Beteiligung der Arbeitnehmer in einer Europäischen Gesellschaft (SE Beteiligungsgesetz, SEBG) am 23. Dezember 2013 dadurch eingeleitet, dass die Leitungen der beteiligten Gesellschaften, d.h. der Vorstand der Z. AG und die Direktoren der Z. plc, die zuständigen Arbeitnehmervertretungen in den Mitgliedstaaten der Europäischen Union und den anderen Vertragsstaaten des Abkommens über den europäischen Wirtschaftsraum (Mitgliedstaaten), in denen die Z. AG oder ihrer Tochtergesellschaften Arbeitnehmer beschäftigen, schriftlich zur Bildung des BVG aufforderten und sie über das Verschmelzungsvorhaben informierten. Soweit keine Arbeitnehmervertretung in den Mitgliedstaaten bestand, erfolgten die Aufforderung und die Information unmittelbar gegenüber den Arbeitnehmern. Die Information der Arbeitnehmervertretungen bzw. Arbeitnehmer erstreckte sich gemäß den Vorgaben des § 4 Abs. 2,3 SEBG insbesondere auf (i) die Identität und Struktur der Z. AG und der Z. plc, deren betroffenen Tochtergesellschaften und betroffenen Betriebe sowie ihre Verteilung auf die Mitgliedstaaten; (ii) die in diesen Gesell...