Entscheidungsstichwort (Thema)
Kein Ausschluss eines Rechtsanwalts. widerstreitende Interessen. Verschwiegenheitspflicht
Leitsatz (redaktionell)
1. Das Verbot widerstreitender Interessen in § 43a IV BRAO und § 3 BORA setzt mindestens voraus, dass die widerstreitenden Interessen aus demselben Sachverhalt als gegenläufig abzuleiten sind.
2. Selbst wenn man Interessen annimmt, kann dem Anwalt das Auftreten in mündlichen Verhandlungen nicht untersagt werden. Es fehlt an einer entsprechenden gesetzlichen Anspruchgrundlage. Die nach außen wirkende Prozessvollmacht wird allein durch die ZPO geregelt. Diese sieht ein Auftrittsverbot nicht vor.
Normenkette
BRAO § 43a Abs. 4; BORA § 3
Verfahrensgang
ArbG Berlin (Beschluss vom 02.11.2011; Aktenzeichen 53 Ca 18624/10) |
Tenor
Die sofortige Beschwerde des Beklagten gegen den Beschluss des Arbeitsgerichts Berlin vom 02.11.2011 – 53 Ca 18624/10 – wird auf dessen Kosten zurückgewiesen.
Gründe
Die zulässige sofortige Beschwerde des Beklagten hat in der Sache keinen Erfolg. Zu Recht hat das Arbeitsgericht den Antrag des Beklagten, den Klägervertreter von der mündlichen Verhandlung auszuschließen, zurückgewiesen.
Der Beklagte beruft sich u. a. darauf, der jetzige Klägervertreter hätte ihn früher in einer Strafsache vertreten. In diesem Zusammenhang habe dieser umfangreiche Kenntnisse über seine wirtschaftliche und persönliche Situation erlangt. In der mündlichen Verhandlung vom 02.11.2011 habe der Klägervertreter seine Schweigepflicht verletzt indem er darauf hingewiesen habe, dass der Beklagte die seinerzeitige Kostenrechnung für die erteilte Beratung nicht bezahlt habe.
All dies recht nicht aus, um den Klägervertreter von der mündlichen Verhandlung auszuschließen. Es fehlt eine entsprechende Anspruchsgrundlage.
Das Verbot widerstreitender Interessen in § 43a IV BRAO und § 3 BORA setzt mindestens voraus, dass die widerstreitenden Interessen aus demselben Sachverhalt als gegenläufig abzuleiten sind (Feurich/Weyland § 43a BRAO Rn 199; Henssler/Prütting § 3 BORA Rn 2). Vorliegend fehlt es an einem identischen Sachverhalt. Der jetzige Klägervertreter hatte den Beklagten ursprünglich in einem strafrechtlichen Ermittlungsverfahren beraten. An diesem war der hiesige Kläger nicht beteiligt. Im hiesigen Klageverfahren geht es jedoch um Entgeltansprüche aus einem behaupteten Arbeitsverhältnis mit dem Beklagten. Das sind völlig unterschiedliche Sachverhalte.
Eine Wahrnehmung widerstreitender Interessen ergibt sich auch nicht dadurch, dass der hiesige Klägervertreter bei der Beratung im Ermittlungsverfahren möglicherweise Kenntnisse erhalten hat, die sich im hiesigen Klageverfahren jedenfalls bei einer Zwangsvollstreckung als nützlich erweisen könnten. Der Schutz des früheren Mandanten (hier des Beklagten) erfolgt in solchen Fällen über die Verschwiegenheitspflicht (Feurich/Weyland § 43a BRAO Rn 199). Anschaulich und zutreffend wird in der Kommentarliteratur als Beispiel aufgeführt, dass ein Anwalt zuerst den Vermieter gegen den Mieter A, später aber den Mieter B gegen den Hausbesitzer vertreten darf. Dies wird als zulässig angesehen (Feurich/Weyland § 43a BRAO Rn 201).
Der BGH (08.11.2007 – IX ZR 5/06 – juris Rn 9) legt § 43a BRAO enger aus und verlangt, dass die widerstreitenden Interessen in derselben Rechtssache auftreten müssten. Hiergegen hat der Klägervertreter auf keinen Fall verstoßen.
Selbst wenn man der hier vertretenen Rechtsansicht nicht folgen will und von einem Verstoß gegen § 43a BRAO ausgeht, dann kann dem Klägervertreter das Auftreten in mündlichen Verhandlungen nicht untersagt werden. Es fehlt an einer entsprechenden gesetzlichen Anspruchgrundlage. Die nach außen wirkende Prozessvollmacht wird allein durch die ZPO geregelt (BGH 19.03.1993 – V ZR 36/92). Diese sieht ein Auftrittsverbot nicht vor. Das BVerfG fordert für die Untersagung des Auftretens eines Rechtsanwalts als Zeugenbeistand ebenfalls eine gesetzliche Grundlage (BVerfG 17.04.2000 – 1 BvR 1331/99 – juris Rn 17). Andernfalls werde unzulässig in die Berufsfreiheitsregelung des Art. 12 GG eingegriffen. Gleiches muss aber auch für die angegriffene Rechtsvertretung vor Gericht gelten. Gleiches gilt, wenn davon auszugehen wäre, dass der Klägervertreter gegen die ihm obliegende Verschwiegenheitspflicht verstoßen hätte.
Der Antrag kann auch nicht mit § 156 II BRAO begründet werden, denn gegen den Kläger liegt kein Berufs- oder Vertretungsverbot vor.
Hiergegen ist ein Rechtsmittel nicht gegeben.
Fundstellen