Entscheidungsstichwort (Thema)
Tatbestandsberichtigungsantrag. Rechtsschutzinteresse
Leitsatz (amtlich)
Findet gegen ein Urteil ein Rechtsmittel nicht mehr statt und kommt auch keine Urteilsergänzung nach § 321 ZPO in Betracht, so fehlt für einen Tatbestandsberichtigungsantrag in aller Regel das Rechtsschutzinteresse (im Anschluss an BFH 8. Mai 2003 – IV R 63/99 – NJW 2003, 3340 m.w.N; LG München 8. Januar 2008 – 1 HK O 4936/07 und 1 HKO 4936/07 – FamRZ 2008, 1200; LAG Berlin 19. Januar 1981 – 9 Sa 79/80 – AP Nr. 3 zu § 320 ZPO; LAG Köln 12. April 1984 – 10 Sa 991/83 – MDR 1985, 171)
Normenkette
ZPO § 320
Verfahrensgang
LAG Berlin-Brandenburg (Urteil vom 27.04.2011) |
ArbG Berlin (Urteil vom 25.08.2010; Aktenzeichen 55 Ca 4421/09) |
Tenor
Der Antrag der Beklagten auf Berichtigung des Tatbestands des Urteils des Landesarbeitsgerichts Berlin-Brandenburg vom 27. April 2011 wird als un zulässig verworfen.
Die Rechtsbeschwerde wird zugelassen.
Tatbestand
I.
Die Beklagte betreibt Seniorenheime. Gegen sie wurden allein vor dem Arbeitsgericht Berlin seit dem Jahr 2000 über 1.500 Verfahren angestrengt. Die Beklagte stellt nach verlorenen Verfahren in einer nicht unerheblichen Zahl von Fällen sowohl erst- als auch zweitinstanzlich Tatbestandsberichtigungsanträge.
Vorliegend hat die Beklagte mit bei Gericht am 1. Juni 2011 eingegangenem Schriftsatz einen Tatbestandsberichtigungsantrag hinsichtlich des Urteils vom 27. April 2011 gestellt, dass der Beklagten am 18. Mai 2011 zugestellt worden ist. Das Urteil vom 27. April 2011 ist rechtskräftig.
Mit Schreiben vom 13. Juli 2011 hat die Kammer darauf hingewiesen, dass Bedenken an der Zulässigkeit des Tatbestandsberichtigungsantrags bestehen und der Beklagten Gelegenheit zur Stellungnahme gegeben. Hinsichtlich der Stellungnahme der Beklagten wird auf den Schriftsatz vom 25. Juli 2011 (Bl. 253 – 256 d. A. verwiesen).
Entscheidungsgründe
II.
Der an sich statthafte sowie form- und fristgerecht gestellte Tatbestandsberichtigungsantrag ist in Ermangelung eines von Amts wegen zu beachtenden Rechtsschutzinteresses unzulässig. Auch für einen Antrag auf Tatbestandsberichtigung bedarf es eines Rechtsschutzinteresses (BFH 8. Mai 2003 – IV R 63/99 – NJW 2003, 3340 für § 108 Abs. 1 FGO).
A. Findet gegen eine Urteil ein Rechtsmittel nicht mehr statt und kommt auch keine Urteilsergänzung nach § 321 ZPO in Betracht, so fehlt für einen Tatbestandsberichtigungsantrag in aller Regel das Rechtsschutzinteresse (BFH 8. Mai 2003 – IV R 63/99 – NJW 2003, 3340 mwN; LG München 8. Januar 2008 – 1 HK O 4936/07 und 1 HKO 4936/07 – FamRZ 2008, 1200; LAG Berlin 19. Januar 1981 – 9 Sa 79/80 – AP Nr. 3 zu § 320 ZPO; LAG Köln 12. April 1984 – 10 Sa 991/83 – MDR 1985, 171, wonach ggf. das Verfahren über den Tatbestandsberichtigungsantrag nach § 148 ZPO auszusetzen ist, bis feststeht, ob eine Nichtzulassungsbeschwerde eingelegt ist und Erfolgt hat).
I. Die Tatbestandsberichtigung dient ausschließlich dem Zweck zu verhüten, dass ein unrichtig beurkundeter Parteivortrag infolge der Beweiskraft des §°314 ZPO fehlerhafte Grundlage für die Entscheidung des Rechtsmittelgerichts wird (st. Rechtsprechung vgl. bereits BGH 27. Juni 1956 – IV ZR 317/55 – NJW 1956, 1480; OLG Karlsruhe 20. November 2008 – 17 U 364/08 – zitiert nach juris;LAG Berlin 19. Januar 1981 – 9 Sa 79/80 – AP Nr. 3 zu § 320 ZPO) oder dass infolge der unrichtigen Beurkundung eine an sich gerechtfertige Urteilsergänzung nach § 321 ZPO versagt bleiben müsste (BGH 27. Juni 1956 – IV ZR 317/55 – NJW 1956, 1480; LAG Berlin 19. Januar 1981 – 9 Sa 79/80 – AP Nr. 3 zu § 320 ZPO). Ist die Entscheidung aber unanfechtbar und auch sonst nicht mehr abänderbar, so entfällt auch der Zweck der Tatbestandsberichtigung (BFH 8. Mai 2003 – IV R 63/99 – NJW 2003, 3340).
1. Vorliegend ist ein Rechtmittel gegen das Urteil nicht mehr gegeben. Die Beklagte hat eine an sich statthafte Nichtzulassungsbeschwerde gegen das Urteil nicht eingelegt.
2. Für ein Ergänzungsurteil nach § 321 ZPO gab es keinerlei Veranlassung. Die Beklagte hat innerhalb der Frist des § 321 Abs. 2 ZPO auch keinen entsprechenden Antrag gestellt.
II. Soweit die Beklagte zur Begründung ihrer Auffassung, ein Rechtsschutzbedürfnis auf Berichtigung des Tatbestands bestehe auch, wenn ein Urteil zweiter Instanz der Gerichte für Arbeitssachen rechtkräftig geworden sei, „statt vieler” auf eine nicht veröffentlichte und auch beklagtenseits nicht eingereichte Entscheidung des LAG München (Beschluss vom 27. Juli 2007 – 11 Sa 599/06 –) verweist, so ist zu bemerken, dass sich die entsprechende Entscheidung des LAG München, die der erkennenden Kammer nach Übersendung durch das LAG München vorliegt, zu der Problematik nicht ansatzweise verhält.
III. Allerdings wird durchaus vertreten, dass ein Tatbestandsberichtigungsantrag auch bei rechtskräftig gewordenen Urteilen deswegen stets zulässig sei, weil eine Verfassungsbeschwerde in Betracht komme (OLG Oldenburg 14. Oktober 2002 – 11 UF 208/01 NJW 2003, 149; Zöller/Vollkommer ZPO 28. Aufl. § 32...