Entscheidungsstichwort (Thema)
Allgemeinverbindlicherklärung von Tarifverträgen des Baugewerbes
Leitsatz (redaktionell)
§ 5 Abs. 1a TVG ist eine wirksame Rechtsgrundlage für eine Allgemeinverbindlicherklärung und verstößt weder gegen das Grundgesetz noch gegen die Charta der Grundrechte der Europäischen Union noch gegen sonstiges höherrangiges Recht.
Normenkette
ArbGG § 98; TVG § 5; GG Art. 2 Abs. 1, Art. 3 Abs. 1, Art. 9 Abs. 3, Art. 12 Abs. 1, Art. 14, 19 Abs. 1, 4, Art. 103 Abs. 1, Art. 20 Abs. 2-3; EMRK Art. 13; EU-Grundrechtecharta Art. 12, 16-17, 28, 47; TVG § 5 Abs. 1 Sätze 1, 2 Nr. 1, Abs. 1a, 4 S. 2
Tenor
I. Es wird festgestellt, dass die vom Beteiligten zu 13) bekannt gemachte Allgemeinverbindlicherklärung vom 06.07.2015 (Bundesanzeiger vom 14.07.2015) des Tarifvertrages über das Sozialkassenverfahren im Baugewerbe (VTV) vom 03.05.2013 in der Fassung der Änderungstarifverträge vom 03.12.2013 und vom 10.12.2014 wirksam ist.
II. Es wird festgestellt, dass die vom Beteiligten zu 13) bekannt gemachte Allgemeinverbindlicherklärung vom 06.07.2015 (Bundesanzeiger vom 14.07.2015) des Bundesrahmentarifvertrages für das Baugewerbe für Arbeiter einschließlich Anhang (Einstellungsbogen) vom 04.07.2002 in der Fassung der Änderungstarifverträge vom 17.12.2003, 14.12.2004, 29.07.2005, 19.05.2006, 20.08.2007, 31.05.2012, 17.12.2012, 05.06.2014 und 10.12.2014 wirksam ist.
III. Es wird festgestellt, dass die vom Beteiligten zu 13) bekannt gemachte Allgemeinverbindlicherklärung vom 06.07.2015 (Bundesanzeiger vom 14.07.2015) des Tarifvertrages über die Berufsausbildung im Baugewerbe (BBTV) vom 10.12.2014 wirksam ist.
IV. Es wird festgestellt, dass die vom Beteiligten zu 13) bekannt gemachte Allgemeinverbindlicherklärung vom 06.07.2015 (Bundesanzeiger vom 14.07.2015) des Tarifvertrages über eine zusätzliche Altersversorgung im Baugewerbe (TZA Bau) vom 05.06.2014 in der Fassung des Änderungstarifvertrages vom 10.12.2014 wirksam ist.
V. Die Anträge der Beteiligten zu 1) bis 12), 18) bis 29), 33) und 34), 36) bis 58) werden zurückgewiesen.
VI. Die Rechtsbeschwerde wird für die Beteiligten zu 1) bis 12), 18) bis 29), 33) und 34), 36) bis 58) zugelassen.
Gründe
I.
Die Beteiligten streiten darüber, ob die Allgemeinverbindlicherklärung (im Folgenden: AVE) des Tarifvertrages über das Sozialkassenverfahren im Baugewerbe (VTV), die AVE des Bundesrahmentarifvertrages für das Baugewerbe für Arbeiter einschließlich Anhang (Einstellungsbogen), die AVE des Tarifvertrages über die Berufsausbildung im Baugewerbe (BBTV) und AVE des Tarifvertrages über eine zusätzliche Altersversorgung im Baugewerbe (TZA Bau) gemäß den Bekanntmachungen vom 6. Juli 2015 (Bundesanzeiger vom 14.07.2015) wirksam sind.
Das Bundesministerium für Arbeit und Soziales, der Beteiligte zu 13) (im Folgenden: BMAS) hat die Bekanntmachung der Allgemeinverbindlicherklärungen der oben genannten Tarifverträge erklärt.
Die Beteiligten zu 15), 16) und 17) sind die Tarifvertragsparteien, die die Tarifverträge abgeschlossen und deren Allgemeinverbindlicherklärung beantragt haben. Der Beteiligte zu 15) ist der Zentralverband des Deutschen Baugewerbes e. V. (im Folgenden: ZDB), der Beteiligte zu 16) ist der Hauptverband der Deutschen Bauindustrie e.V. (im Folgenden: HDB) und die Beteiligte zu 17) ist die Industriegewerkschaft Bauen-Agrar-Umwelt (im Folgenden: IG Bau).
Bei dem Beteiligten zu 14) handelt es sich um den Urlaubs- und Lohnausgleichskasse der Bauwirtschaft, Verein mit eigener Rechtspersönlichkeit kraft staatlicher Verleihung (im Folgenden: ULAK). Bei der ULAK handelt es sich um eine gemeinsame Einzugsstelle der Tarifvertragsparteien der Bauwirtschaft. Die ULAK zieht ihre eigenen Beträge und diejenigen der Zusatzversorgungskasse des Baugewerbes (im Folgenden: ZVK), der gemeinsamen Urlaubskasse des Bayerischen Baugewerbes (im Folgenden UKB) und der Sozialkasse des Berliner Baugewerbes (im Folgenden: SOKA-Berlin) ein, mit Ausnahme der vor dem 1. Januar 2010 entstandenen und von der ZVK gerichtlich geltend gemachten Ansprüche.
Bei den Beteiligten zu 1) bis 12), 18) bis 26) und 39) bis 58) handelt es sich um Selbständige, die im Baubereich tätig sind und keine gewerblichen Arbeitnehmer beschäftigen (so genannte Solo-Selbständige). Diese Beteiligten wurden erstmals im Jahr 2015 von den Sozialkassen zur Zahlung eines jährlichen Mindestbeitrages in Höhe von 900,00 EUR für das Berufsbildungsverfahren im Baugewerbe aufgefordert; für 2015 wurden zunächst anteilig 450,00 EUR verlangt.
Der Beteiligte zu 36) unterhält in 49832 Messingen einen Fassadenbaubetrieb. Für den Beteiligten zu 36) besteht ein Beitragskonto der ULAK, er gab stets die erforderlichen Meldungen ab und zahlte die geforderten Beiträge. In den Jahren 2014 und 2015 war der Beteiligte zu 36) auch in der Schweiz tätig und entsandte dorthin gewerbliche Arbeitnehmer.
Die Beteiligten zu 27) bis 29), 34), 37) und 38) beschäftigen gewerbliche Arbeitnehmer und streiten mit der ULAK vor Gericht darüber, ob in ihren Betrieben überwiegend...