Entscheidungsstichwort (Thema)
Zuordnung eines Kleinbetriebes zum Hauptbetrieb,. herausgehobene Bedeutung des Hauptbetriebes. räumliche Entfernung
Leitsatz (redaktionell)
1. Ein Betrieb ist die organisatorische Einheit, innerhalb derer der Unternehmer allein oder in Gemeinschaft mit seinen Mitarbeitern mit Hilfe von sächlichen und immateriellen Mitteln bestimmte arbeitstechnische Zwecke fortgesetzt verfolgt. So ist regelmäßig vom Vorliegen eines Betriebs im Sinn des Betriebsverfassungsgesetzes auszugehen, wenn die in einer Betriebsstätte vorhandenen materiellen und immateriellen Betriebsmittel für den oder die verfolgten arbeitstechnischen Zwecke zusammengefasst, geordnet und gezielt eingesetzt werden und der Einsatz der menschlichen Arbeitskraft von einem einheitlichen Leitungsapparat gesteuert wird. Ob Hauptverwaltung und einzelne Betriebsstätten eines Unternehmens einen einheitlichen Betrieb oder zwei selbständige Betriebe bilden, hängt von der Leitungsstruktur des Unternehmens ab.
2. Nach § 4 Abs. 2 BetrVG werden sog. Kleinstbetriebe, die die Voraussetzungen des § 1 Abs. 1 S. 1 BetrVG nicht erfüllen, dem Hauptbetrieb zugerechnet. Die Zuordnung zum „Hauptbetrieb” erfolgt kraft Gesetztes und sorgt dafür, dass die Belegschaft des Kleinstbetriebs nicht vertretungslos ist.
3. Für den Begriff des Hauptbetriebs ist seine gegenüber diesem und ggf. den anderen Betrieben des Arbeitgebers bestehende herausgehobene Bedeutung entscheidend, die sich aus einer besonderen Funktion des Hauptbetriebs für das Unternehmen des Arbeitgebers oder für den zugeordneten Betrieb ergibt. Maßgeblich dafür ist der im Betriebsverfassungsrecht geltende Grundsatz, dass betriebliche Mitbestimmung möglichst dort ausgeübt werden soll, wo die Entscheidungen des Arbeitgebers in mitbestimmungsrelevanten Angelegenheiten getroffen werden.
Normenkette
BetrVG § 1 Abs. 1 S. 1, § 4 Abs. 1-2
Verfahrensgang
ArbG Potsdam (Beschluss vom 06.10.2009; Aktenzeichen 7 BV 55/09) |
Tenor
Die Beschwerde des Beteiligten zu 1.) gegen den Beschluss des Arbeitsgerichts Potsdam vom 06. Oktober 2009 – 7 BV 55/09 – wird zurückgewiesen.
Die Rechtsbeschwerde wird nicht zugelassen.
Tatbestand
A.
Die Beteiligten streiten zuletzt noch um die betriebsverfassungsrechtliche Zuordnung einer Betriebsstätte, nämlich des Regionalbüros Nordrhein-Westfalen in Gummersbach.
Die im Beschwerdeverfahren als Arbeitgeberin Beteiligte zu 2.) ist eine Stiftung privaten Rechts mit Sitz in Potsdam-Babelsberg. Sie betätigt sich im Bereich der politischen Bildung und unterhält bundesweit mehrere Standorte, u. a. einen Betrieb in Potsdam mit 95 Arbeitnehmern und eine Tagungsstätte, die T.-H.-Akademie, in Gummersbach mit 57 Arbeitnehmern. Daneben bestehen noch Regionalbüros in Hannover mit 4 Arbeitnehmern, in Halle, Lübeck, Stuttgart, Wiesbaden und in Gummersbach mit je 3 Arbeitnehmern und in Potsdam und München sowie Büros in Hamburg mit 2 Arbeitnehmern und in Weimar mit 1 Arbeitnehmer.
Die Regionalbüros haben die Aufgabe, Veranstaltungen zur politischen Bildung zu organisieren und durchzuführen. In diesen Regionalbüros ist jeweils als Leiter des Regionalbüros eine Person mit Leitungsaufgaben betraut, die auch Weisungsrechte gegenüber den jeweiligen Mitarbeitern ausübt. Dem Leiter kommt Personalverantwortung in fachlicher als auch disziplinarischer Hinsicht gegenüber den Mitarbeitern zu, insbesondere hinsichtlich Urlaubsplanung, Anweisung von Überstunden, Führung von Disziplinar- und Führungsgesprächen, Zielvereinbarungsgesprächen und Leistungsfeststellung. Die Regionalbüros werden seit dem 01. Februar 2009 von Potsdam aus koordiniert und durch den dort ansässigen Bereichsleiter Dr. S. geleitet. Auch die Personalleitung ist in Potsdam angesiedelt. Die Entscheidungen über Einstellungen, Beförderungen, Abmahnungen und Entlassungen werden – abgestimmt zwischen dem Bereichsleiter und dem Personalleiter – in Potsdam getroffen.
Das Regionalbüro Nordrhein-Westfalen ist auf dem Gelände der F.-N.-Stiftung untergebracht. Dort befindet sich u. a. auch ein weiterer Betrieb der Arbeitgeberin. Dieser Betrieb besteht aus drei Abteilungen (Internationale Akademie für Führungskräfte, Archiv und T.-H.-Akademie) und ist in einem mehrstöckigen Gebäude mit Gästezimmern, einem Empfangsbereich, Tagungs- und Aufenthaltsräumen, Büroräumen, sanitären Einrichtungen und einer Kantine untergebracht. Davor stehen einige Bungalows. In einem dieser Bungalows befindet sich das Regionalbüro Nordrhein-Westfalen. Die Mitarbeiter des Regionalbüros nutzen die Kantine der Akademie. Daneben benutzen sie die dortige zentrale Zeiterfassung, sind an die zentrale Telefonanlage angeschlossen und nutzen auch die zentrale Poststelle in der Akademie. Auch Dienstwagen werden gemeinsam genutzt.
Der Leiter der T.-H.-Akademie hat keinerlei Weisungsrechte gegenüber den Mitarbeitern des Regionalbüros Nordrhein-Westfalen. Der Leiter des Regionalbüros Nordrhein-Westfallen ist gegenüber den Mitarbeitern der T.-H.-Akademie ebenfalls nicht weisungsbefugt.
Verhandlu...