Entscheidungsstichwort (Thema)
Betriebsratsfähigkeit. räumliche Entfernung. Betriebsteil. Betriebsratsfähigkeit eines Betriebshofs
Leitsatz (amtlich)
Nach § 4 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BetrVG ist die räumliche Entfernung des Betriebshofs vom Hauptbetrieb maßgeblich. Dabei kommt es auch auf die Erreichbarkeit mit öffentlichen Verkehrsmitteln an, wenn nicht gewährleistet ist, dass alle Mitarbeiter den Betriebsrat mit dem PKW aufsuchen können und umgekehrt.
Normenkette
BetrVG § 18 Abs. 2, § 1 Abs. 1, § 4 Abs. 1 S. 1 Nr. 1
Verfahrensgang
ArbG Elmshorn (Entscheidung vom 06.08.2009; Aktenzeichen 3 BV 13 b/09) |
Tenor
Die Beschwerde des Betriebsrats (Beteiligter zu 2) gegen den Beschluss des Arbeitsgerichts Elmshorn vom 06.08.2009 – 3 BV 13 b/09 – wird zurückgewiesen mit der Maßgabe, dass der Tenor wie folgt gefasst wird:
Es wird festgestellt, dass es sich bei dem Betriebshof in E., R.-Str. 6, um eine betriebsratsfähige Organisationseinheit handelt.
Der Widerantrag des Betriebsrats wird zurückgewiesen.
Die Rechtsbeschwerde wird nicht zugelassen.
Tatbestand
I.
Die Beteiligten streiten über die Betriebsratsfähigkeit einer Betriebsstätte.
Die Beteiligte zu 3) erhielt im Jahr 2005 die Konzession für den Stadtverkehr in E.. Im selben Jahr gründete sie die Beteiligte zu 1) als 100%-ige Tochtergesellschaft. Gesellschaftszweck ist die Personenbeförderung und die Vermittlung von Beförderungsangeboten. Geschäftsführer der Beteiligten zu 1) sind die Herren S. und F.. Herr F. ist hauptberuflich als Leiter des Finanz- und Rechnungswesens bei der V. AG, der Konzernmutter, beschäftigt. Herr S. ist gleichzeitig Leiter des Betriebshofs E., und zwar auch für die Beteiligten zu 3) und 4).
Die Beteiligte zu 3) hat ihren Sitz in Sch. und beschäftigt ca. 640 Arbeitnehmer. Die Beteiligte zu 4), eine weitere Tochtergesellschaft der Beteiligten zu 3) und das Zeitarbeitsunternehmen H. beschäftigten bis Juli 2009 etwa 270 Arbeitnehmer. Diese Arbeitnehmer haben in der Zwischenzeit Arbeitsverträge mit der Beteiligten zu 3) geschlossen. Bei der Beteiligten zu 1) sind 27 Arbeitnehmer, sämtlich Busfahrer, angestellt.
Der Beteiligte zu 2) ist der von allen wahlberechtigten Arbeitnehmern der Beteiligten zu 1), 3) und 4) im Jahr 2006 gewählte Betriebsrat (Betriebsrat).
Vom Betriebshof E. aus wird mit Fahrzeugen der Beteiligten zu 3) der Stadtverkehr in E. durchgeführt. Außerdem werden dort Reparaturen erledigt. Auf dem Betriebshof E., den es bereits seit 1985 gibt, arbeiten nicht nur die Mitarbeiter der Beteiligten zu 1), sondern auch solche der Beteiligten zu 3), insgesamt etwa 70. Bei den 44 dort tätigen Arbeitnehmern der Beteiligten zu 3) handelt es sich um 34 Busfahrer und 10 Werkstattmitarbeiter. Die Busfahrer der Beteiligten zu 1) fahren von E. aus gelegentlich Dienste der Beteiligten zu 3). Mitarbeiter der Beteiligten zu 3) mit Arbeitsort E. arbeiten bei Bedarf auch von Sch. aus und umgekehrt.
Die räumliche Entfernung zwischen den Betriebstätten in E. und in Sch. beträgt etwa 28 km. Die Fahrzeit mit dem PKW beläuft sich auf ca. 30 Minuten. Mit öffentlichen Verkehrsmitteln benötigt man für Hin- und Rückfahrt mindestens 143 Minuten.
Die Arbeitnehmer der Beteiligten zu 1) werden unter Beteiligung von Mitarbeitern der Beteiligten zu 3) in Sch. eingestellt. Die Dienstpläne werden ebenfalls durch diese Mitarbeiter erstellt. Sie legen Beginn und Ende der Dienste, die Lage der Pausen und Wendezeiten sowie Ankunft und Abfahrt von an/von den Haltestellen fest. Dagegen werden die konkrete Dienstplaneinteilung (Zuweisung der Dienste an die Fahrtdienstmitarbeiter) und die Urlaubsplanung von E. aus vorgenommen.
Die Beteiligten zu 1), 3) und 4) haben gemeint, bei der Beteiligten zu 1) handele es sich um eine betriebsratsfähige Organisationseinheit. Der Betriebsteil sei nach Aufgabengebiet und Organisation eigenständig. Zudem sei die Betriebsstätte in E. von der in Sch. räumlich weit entfernt. Für die einfache Fahrt benötige man mit öffentlichen Verkehrsmitteln 97 Minuten.
Die Beteiligten zu 1), 3) und 4) haben beantragt,
festzustellen, dass es sich bei der Beteiligten zu 1) um eine betriebsratsfähige Organisationseinheit im Sinne des § 18 Abs. 2 BetrVG handelt und folglich die Mitarbeiter der Beteiligen zu 1) berechtigt sind, bei den anstehenden Betriebsratswahlen im Jahre 2010 einen eigenen Betriebsrat zu wählen.
Der Beteiligte zu 2) hat beantragt,
den Antrag zurückzuweisen
und widerklagend
festzustellen, dass der Betriebshof in E., R.-Str. 6, keine betriebsratsfähige Organisationseinheit darstellt.
Die Beteiligten zu 1), 3) und 4) haben beantragt,
den Widerantrag als unzulässig zurückzuweisen.
Der Betriebsrat hat gemeint, der Betriebshof E. sei ein unselbständiger Teil des Betriebs Sch.. Die beiden Geschäftsführer der Beteiligten zu 1) übten keine Arbeitgeberfunktionen aus. Alle unternehmerischen Belange würden von Sch. aus wahrgenommen werden. Die Beteiligte zu 1) sei nur eine juristische Person und damit nicht betriebsratsfähig. Die räumliche Entfernung von gut 28 km hindere die ord...