Entscheidungsstichwort (Thema)
Bewertung eines Hilfsantrags
Leitsatz (amtlich)
Ein Hilfsantrag ist zur Berechnung der anwaltlichen Vergütung nur zu bewerten, wenn über ihn entschieden oder eine vergleichsweise Regelung getroffen wird.
Normenkette
RVG § 23; GKG § 45
Verfahrensgang
ArbG Berlin (Beschluss vom 21.02.2011; Aktenzeichen 63 Ca 579/11) |
Tenor
Die Beschwerde des Prozessbevollmächtigten der Klägerin gegen den Beschluss des Arbeitsgerichts Berlin vom 21. Februar 2011 – 63 Ca 579/11 – wird auf seine Kosten zurückgewiesen.
Gründe
Die Beschwerde ist unbegründet.
Das Arbeitsgericht hat bei der Wertfestsetzung den Hilfsantrag zu 3) aus der Klageschrift zu Recht nicht berücksichtigt.
1. Wird der Rechtsanwalt in einem gerichtlichen Verfahren tätig, in dem sich die Gerichtsgebühren nach dem Wert der Angelegenheit richten, bestimmt sich der Gegenstandswert zum Zwecke der anwaltlichen Gebührenberechnung nach den für die Gerichtsgebühren geltenden Wertvorschriften (§ 23 Abs. 1 RVG). Für Verfahren vor den Gerichten für Arbeitssachen gelten die Bestimmungen des Gerichtskostengesetzes (§ 1 Nr. 5 GKG). Ein hilfsweise geltend gemachter Anspruch, der nicht den gleichen Gegenstand wie der Hauptantrag betrifft, wird daher bei der Wertberechnung mit dem Hauptantrag zusammengerechnet, wenn über ihn eine gerichtliche Entscheidung ergeht oder die Parteien ihn in einem gerichtlichen Vergleich erledigen (§ 45 Abs. 1 Satz 2, Abs. 4 GKG). Fehlt eine derartige Entscheidung bzw. vergleichsweise Regelung, bleibt der Hilfsantrag für die Berechnung der Gerichtsgebühren außer Betracht.
2. Es ist in der Rechtsprechung allerdings umstritten, ob ein Hilfsantrag gleichwohl zur Berechnung der anwaltlichen Vergütung berücksichtigt werden kann, wenn über ihn – z.B. infolge einer Klagerücknahme – keine gerichtliche Entscheidung ergangen ist bzw. er keine vergleichsweise Regelung erfahren hat. Nach einer Auffassung stimmen in einem derartigen Fall gerichtliche und anwaltliche Tätigkeit nicht überein; die Wertfestsetzung für die Gerichtsgebühren sei daher insoweit ohne Belang (LAG Nürnberg, MDR 2005, 120; LAG Köln, NZA-RR 2002, 437 f., GK-Wenzel, § 12, Rn. 88 m.w.N.). Die gegenteilige Auffassung lehnt demgegenüber eine Bewertung des Hilfsantrages nach §§ 23 Abs. 1 RVG, 45 Abs. 1, 4 GKG ab (OLG Karlsruhe, AGS 2007, 470 m.w.N.; LAG Berlin, NZA-RR 2004, 374; LAG Bremen, LAGE Nr. 18 zu § 19 GKG; Hessisches LAG, NZA 1999, 434 f.).
3. Die Beschwerdekammer folgt weiterhin der zuletzt genannten Auffassung. Die Verweisung des § 23 Abs. 1 RVG auf die Vorschriften des Gerichtskostengesetzes führt dazu, dass Hilfsanträge für die Vergütung des Anwalts erst dann von Bedeutung sind, wenn über sie entschieden worden ist oder sie durch Vergleich erledigt wurden. Dem kann nicht mit Erfolg entgegengehalten werden, die Tätigkeit des Anwalts und des Gerichts bezögen sich nicht auf den gleichen Gegenstand. Vielmehr bestand die Tätigkeit des Prozessbevollmächtigten der Klägerin gerade darin, den Sozialplananspruch lediglich hilfsweise gerichtlich zu verfolgen. Der Hilfsantrag wurde als solcher Teil des gerichtlichen Verfahrens, für das der Rechtsanwalt entsprechend den für das gerichtliche Verfahren geltenden Wertvorschriften zu vergüten ist. Die gegenteilige Auffassung berücksichtigt nicht hinreichend, dass nicht jeder anwaltliche Arbeitsaufwand ohne weiteres vergütet werden muss. Es trifft auch nicht zu, dass – was die Behandlung von Hilfsanträgen angeht – gerichtliche und anwaltliche Tätigkeit von vornherein nicht übereinstimmten. Dass eine Entscheidung über den Hilfsantrag letztlich nicht ergeht, bedeutet keinesfalls, dass sich das Gericht nicht mit ihm zuvor auseinandersetzen musste. Bei dieser Sachlage ist es nicht gerechtfertigt, entgegen dem klaren Wortlaut der §§ 23 RVG, 45 GKG eine Bewertung des Hilfsantrags auch ohne gerichtliche Entscheidung bzw. vergleichsweise Erledigung vorzunehmen.
4. Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.
5. Die Entscheidung ist unanfechtbar.
Fundstellen
Haufe-Index 2659846 |
RVGreport 2011, 393 |