Entscheidungsstichwort (Thema)
Internationale Zuständigkeit. Abbruch einer Betriebsratswahl
Leitsatz (amtlich)
§ 117 BetrVG unterliegt keiner richtlinienkonformen Auslegung dahin, dass für die im Flugbetrieb beschäftigten Arbeitnehmer eines Luftfahrtunternehmens die Wahl eines Betriebsrates auch ohne Abschluss eines entsprechenden Tarifvertrages betrieben werden kann.
Normenkette
ArbGG § 82; BetrVG § 117; RL 2002/14/EG
Verfahrensgang
ArbG Cottbus (Beschluss vom 24.09.2009; Aktenzeichen 1 BVGa 7/09) |
Tenor
1. Auf die sofortige Beschwerde der Arbeitgeberin wird der Beschluss des Arbeitsgerichts Cottbus vom 24.09.2009 – 1 BVGa 7/09 – geändert.
2. Dem Wahlvorstand wird untersagt, das laufende Verfahren zur Wahl eines Betriebsrats an der Base Berlin-Schönefeld der Arbeitgeberin fortzusetzen.
3. Für jeden Fall der Zuwiderhandlung wird dem Wahlvorstand ein Ordnungsgeld in Höhe von 5.000,– EUR angedroht.
Gründe
1. Die Arbeitgeberin ist ein Luftfahrtunternehmen mit Sitz in England. Sie unterhält am Flughafen Berlin-Schönefeld eine Betriebsstätte mit acht Mitarbeitern Bodenpersonal und 299 Mitarbeitern fliegendem Personal. Dort wurde nach Ablehnung eines von der Vereinten Dienstleistungsgewerkschaft (Ver.di) angebotenen Tarifvertrags über eine uneingeschränkte Anwendung des Betriebsverfassungsgesetzes (Ablichtung Bl. 49 und 50 d.A.) auf Initiative von Ver.di am 30. Juni 2009 in einer Betriebsversammlung ein aus fünf Mitgliedern bestehender Wahlvorstand zur Wahl eines gemeinsamen Betriebsrates aller Mitarbeiter bestellt.
Gegen die Durchführung dieser Wahl wendet sich die Arbeitgeberin mit ihrem Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung. Sie hält die Wahl eines Betriebsrates für das fliegende Personal für nichtig, weil es an einem dafür erforderlichen Tarifvertrag fehle und ihre Betriebsstätte am Flughafen Berlin-Schönefeld nicht einmal einen betriebsratsfähigen Betriebsteil darstelle.
Das Arbeitsgericht Cottbus hat das Begehren zurückgewiesen. Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt, die einschränkende Regelung über die Geltung des Betriebsverfassungsgesetzes für die Luftfahrt sei richtlinienkonform dahin auszulegen, dass die Wahl eines Betriebsrates auch für das Flugpersonal zulässig sei, solange eine tarifvertragliche Regelung hierüber nicht bestehe. Hinsichtlich der Existenz eines betriebsratsfähigen Betriebsteils könne mit Rücksicht auf die wechselseitig glaubhaft gemachten Tatsachen ein zur Nichtigkeit der Wahl führender Mangel nicht mit Sicherheit festgestellt werden.
Gegen diesen ihr am 30. September 2009 zugestellten Beschluss richtet sich die am 14. Oktober 2009 beim Landesarbeitsgericht eingelegte und zugleich begründete sofortige Beschwerde der Arbeitgeberin. Sie vertieft ihren Vortrag zu Fragen der Anwendbarkeit des Betriebsverfassungsgesetzes und des Vorliegens eines betriebsratsfähigen Betriebsteils, stellt einen Teil der erstinstanzlichen Darstellung des Wahlvorstandes zur Durchführung von Disziplinarverfahren gegen Mitarbeiter am Standort Berlin-Schönefeld unstreitig und verweist auf ein im Anhörungstermin überreichtes „Information and Consultation Agreement” (Ablichtung 489-493 d.A.).
Die Arbeitgeberin beantragt,
dem Antragsgegner unter Aufhebung des angefochtenen Beschlusses zu untersagen, das laufende Wahlverfahren zur Wahl eines Betriebsrates an ihrer Base Berlin-Schönefeld fortzusetzen,
hilfsweise,
dem Antragsgegner zu untersagen, das laufende Wahlverfahren zur Wahl eines ihr fliegendes Personal (Flugbegleiter und Piloten) einschließenden Betriebsrates an der Base Berlin-Schönefeld fortzusetzen,
- dem Wahlvorstand für jeden Fall der Zuwiderhandlung, bezogen auf jeden Tag der Fortsetzung des Wahlverfahrens, ein Ordnungsgeld i.H.v. 5.000,– EUR anzudrohen.
Der Wahlvorstand beantragt,
die Beschwerde zurückzuweisen.
Er tritt den Angriffen der Beschwerde mit Tatsachenvortrag und rechtlichen Ausführungen entgegen.
Wegen der Einzelheiten des Vorbringens der Beteiligten wird auf die tatbestandliche Darstellung im angefochtenen Beschluss und die in der Beschwerdeinstanz gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.
2. Auf die sofortige Beschwerde der Arbeitgeberin war die begehrte Unterlassungsverfügung zu erlassen.
2.1 Die sofortige Beschwerde ist gemäß §§ 78 Satz 1, 83 Abs. 5 ArbGG i.V.m. § 567 Abs. 1 Nr. 2 ZPO statthaft, weil das Arbeitsgericht ohne mündliche Verhandlung entschieden hat. Sie ist fristgemäß und formgerecht gemäß § 569 Abs. 1 und 2 ZPO beim Landesarbeitsgericht als Beschwerdegericht eingelegt worden. Mit Rücksicht auf das auch für den Wahlvorstand bei der beabsichtigten Terminierung zum Ausdruck gebrachte Beschleunigungsinteresse erschien es vertretbar, davon abzusehen, die sofortige Beschwerde zunächst dem Arbeitsgericht gemäß § 572 Abs. 1 Satz 1 ZPO zur Entscheidung über eine Abhilfe vorzulegen (vgl. LAG Köln, Beschluss vom 30.03.2006 – 2 Ta 145/06 – zu I 2 d.Gr.).
2.2. Dass die Entscheidung in erster Instanz ohne mündliche Anhörung erlassen worden ist, stand einer Überleitung ins V...