Entscheidungsstichwort (Thema)
Rückzahlung zuviel gezahlter Vergütung durch Korrekturabrechnung. Crewportal keine zulässige Empfangseinrichtung
Leitsatz (amtlich)
1) Enthält eine Korrekturabrechnung den konkreten Überzahlungsbetrag und den Überzahlungsmonat sowie den Hinweis, dass die Überzahlung im nächsten Monat abgezogen werde, handelt es sich um eine ausreichende Geltendmachung.
2) Befindet sich ein Arbeitnehmer ohne Arbeitsleistung in Elternzeit, geht ihm ein Schreiben des Arbeitgebers in einem vom Arbeitgeber betriebenen und während des aktiven Arbeitsverhältnisses genutzten Mitarbeiterportal nicht zu.
Normenkette
BGB §§ 242, 130 Abs. 1 S. 1
Verfahrensgang
ArbG Berlin (Entscheidung vom 17.10.2019; Aktenzeichen 41 Ca 17044/18) |
Tenor
I. Auf die Berufung der Klägerin und Widerbeklagten wird das Urteil des Arbeitsgerichts Berlin vom 17. Oktober 2019 - 41 Ca 17044/18 abgeändert, soweit das Arbeitsgericht die Klägerin und Widerbeklagte zur Zahlung von mehr als 1.007,55 EUR zuzüglich Zinsen verurteilt hat.
Im Übrigen wird die Berufung der Klägerin zurückgewiesen.
II. Die Kosten der Berufung trägt die Klägerin zu 88,5% und der Beklagte zu 11,5%.
III. Der Gebührenwert für das Berufungsverfahren wird auf 11.034,17 EUR festgesetzt.
IV. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Die Parteien streiten über die Rückzahlung einer überzahlten Vergütung.
Der Beklagte ist 45 Jahre alt (geb. .... 1975) und seit dem 4. Dezember 2006 bei der Klägerin als Pilot beschäftigt. Auf das Arbeitsverhältnis findet der Vergütungstarifvertrag Cockpit Nr. 3 (VTV 3) Anwendung. Seit dem 14. Mai 2018 befand sich der Beklagte in Elternzeit, so dass das Arbeitsverhältnis hinsichtlich der Hauptleistungspflichten ruhte. Dennoch zahlte die Klägerin dem Beklagten über den 14. Mai 2018 hinaus bis zum 30. Juni 2018 Vergütung, so dass es zu einer Überzahlung gekommen ist.
Der Zahlbetrag für Mai 2018 betrug 7.581,12 EUR brutto entsprechend 5.279,30 EUR netto und 323,03 EUR Zuschuss zur privaten Kranken- und Pflegeversicherung (KV-Zuschuss), also insgesamt 5.602,33 EUR netto. Nach Ansicht der Klägerin hatte der Kläger Anspruch auf 3.279,76 EUR brutto (entsprechend 2.455,26 EUR netto) oder 3.368,80 EUR brutto und 139,98 EUR KV-Zuschuss, also insgesamt 2.595,24 EUR netto, nach Ansicht des Beklagten statt 3.279,76 EUR brutto tatsächlich 3.364,59 EUR brutto, also brutto 84,83 EUR mehr. Im Juni 2018 zahlte die Klägerin 7.407,87 EUR brutto (= 5.754,08 EUR netto) sowie 323,03 EUR Zuschuss zur privaten KV und 13,87 EUR Zuschuss zur privaten PV. Die Klägerin meint, dass sie die überzahlten Beträge zurückverlangen könne.
Der Beklagte hatte widerklagend eine Bonuszahlung für 2018 in Höhe von 2.286,37 EUR netto begehrt. Darauf hatte der Beklagte unstreitig 1.278,82 EUR netto von der Klägerin erhalten.
In einer Korrekturabrechnung hat die Klägerin eine Rückforderung von 3.007,09 EUR für Mai 2018 (Auszahlungskorrektur aus: [May 2018] und in Höhe von 5.740,71 EUR für Juni 2018 (Auszahlungskorrektur aus: [June 2018] aufgeführt. Weiter ist dort ein Gesamtbetrag von 9.465,85 EUR mit dem Zusatz versehen: "Überzahlung, wird im nächsten Monat abgezogen". Diese Abrechnung wurde nach dem Vorbringen der Klägerin am 27. Juli 2018 in das sogenannte Crew-Portal der Klägerin hochgeladen. Bei dem Crew-Portal handelt es sich um das sogenannte Payroll Portal im IT-System workday der Klägerin.
Auch in einem Schreiben vom 27. August 2018 hat die Klägerin eine Rückforderung geltend gemacht und zwar in Höhe von 9.798,61 EUR. Diese Schreiben war an eine Berliner Wohnanschrift des Klägers gesandt. Der Kläger wurde aufgefordert, den Erhalt des Schreibens bis zum 7. September 2018 zu bestätigen. Ob das Schreiben dem Kläger zugegangen ist, ist zwischen den Parteien streitig.
Mit einem weiteren Schreiben vom 7. November 2018 wandte sich die Klägerin erneut an den Beklagten, um die Überzahlung von 9.798,61 EUR zu erlangen. Hier wurde eine Bestätigung des Erhalts des Schreibens bis zum 14. November 2018 erbeten.
Bereits mit E-Mail vom 15. Dezember 2017 hatte sich der Beklagte an das HR Service Center der Klägerin gewandt und mitgeteilt:
Hi,
please be advised that I have updated my personal contact details as per 01/12/2017.
New adress is:
Markus L.
R. Strasse 38a
83395 F.
Germany
Many thanks
Kind regards
MArkus
Sinngemäß übersetzt bedeutete der Einleitungssatz: Hallo, bitte beachten Sie, dass ich meine persönlichen Kontaktdaten zum 01.12.2017 aktualisiert habe.
Die neue Adresse lautet
Markus L.
R. Strasse 38a
83395 F.
Germany
Vielen Dank.
Mit freundlichen Grüßen
MArkus
Am 18. Dezember 2017 teilte ein Mitarbeiter des HR ServiceCenter mit:
Hi Markus
Update complete.
Thanks
Sinngemäß übersetzt bedeutete der Satz: Hallo Markus, Aktualisierung abgeschlossen. Danke
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