Entscheidungsstichwort (Thema)
Urlaubsberechnung für Schichtmodelle nach § 26 TV-L. Keine Berücksichtigung unplanmäßiger Freischichten bei der Urlaubsberechnung nach § 26 TV-L
Leitsatz (redaktionell)
1. Für die Umrechnung der Urlaubstage bei abweichenden Arbeitszeitmodellen wie Wechselschichtarbeit ist nach Maßgabe von § 26 Abs. 1 Satz 4 TV-L die Anzahl der Arbeitstage mit dienstplanmäßiger Arbeitspflicht mit der Anzahl der Arbeitstage in der 5-Tage-Woche ins Verhältnis zu setzen. Diese Berechnungsmethode soll eine Gleichwertigkeit der Urlaubsdauer sicherstellen.
2. Bei der Urlaubsberechnung nach § 26 TV-L sind unplanmäßige Freischichten nicht zu berücksichtigen, weil weder dienstplanmäßig noch betriebsüblich zum Zeitpunkt der Fälligkeit des Jahresurlaubs am 1. Januar des Kalenderjahres feststeht, wann und in welchem Umfang diese tatsächlich anfallen und gewährt werden.
Normenkette
TV-L § 26 Abs. 1; TVG § 3 Abs. 1; BGB § 191; BUrlG § 11 Abs. 1 S. 1; TVöD § 26; TV-L § 37
Verfahrensgang
ArbG Berlin (Entscheidung vom 27.07.2021; Aktenzeichen 58 Ca 2300/21) |
Tenor
I. Auf die Berufung des beklagten Landes wird das Urteil des Arbeitsgerichts Berlin vom 27. Juli 2021 - 58 Ca 2300/21 - teilweise abgeändert und wie folgt gefasst:
1. Es wird festgestellt, dass das beklagte Land verpflichtet ist, der Klägerin für das Jahr 2019 weitere drei Arbeitstage und für das Jahr 2020 weitere vier Arbeitstage Erholungsurlaub zu gewähren.
2. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
II. Im Übrigen wird die Berufung des beklagten Landes zurückgewiesen.
III. Die Kosten des Rechtsstreits haben das beklagte Land zu 7/8 und die Klägerin zu 1/8 zu tragen.
IV. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Die Parteien streiten um die Anzahl der Arbeitstage Erholungsurlaub bei einer Wechselschichttätigkeit im Anwendungsbereich des Tarifvertrags für den öffentlichen Dienst der Länder (TV-L).
Die Klägerin ist seit dem Jahr 1992 bei dem beklagten Land im G. im Tarifgebiet West des TV-L vollzeitig beschäftigt.
In ihrem Arbeitsvertrag vom 14.01.1993 vereinbarten die Parteien, dass sich ihr Arbeitsverhältnis nach dem Ersten Tarifvertrag zur Anpassung des Tarifrechts - Manteltarifliche Vorschriften - (BAT-O) vom 10. Dezember 1990 und den diesen ergänzenden, ändernden oder ersetzenden Tarifverträgen in der für den Bereich der Tarifgemeinschaft deutscher Länder (TdL) bestimmt. Die Klägerin ist Mitglied der Gewerkschaft d. und t. und das beklagte Land ist seit dem Jahr 2013 wieder Mitglied der TdL. TdL und d. und t. haben als Tarifvertragsparteien den TV-L abgeschlossen.
Die Klägerin arbeitete seit dem Jahr 2019 in einem Schichtmodell mit einem 4-wöchigen Schichtplan-Turnus bei durchgängiger Schichtabfolge im gesamten Kalenderjahr. Bei einem beispielhaften Beginn mit einer Tagschicht an einem Montag verläuft der Schichtplan wie folgt:
• Tagschicht 5:45 Uhr bis 18:00 Uhr am Montag
• Nachtschicht beginnend um 17.45 Uhr am Dienstag bis 06:00 Uhr am Mittwoch
• Kein weiterer Schichtbeginn am Mittwoch
• Keine Arbeit und kein Schichtbeginn am Donnerstag
• Tagschicht 5:45 Uhr bis 18:00 Uhr am Freitag
• Nachtschicht beginnend um 17.45 Uhr am Samstag bis 06:00 Uhr am Sonntag
• Kein weiterer Schichtbeginn am Sonntag
• Keine Arbeit und kein Schichtbeginn am Montag
Es ergibt sich ein regelmäßiger Turnus von jeweils 4 Wochen mit jeweils 21 Arbeitstagen unter Ansatz von jeweils einem Arbeitstag für Tagschichten und zwei Arbeitstagen für Nachtschichten wie folgt:
Woche |
Mo. |
Di. |
Mi. |
Do. |
Fr. |
Sa. |
So. |
1 |
T |
N |
bis 6 |
frei |
T |
N |
bis 6 |
2 |
frei |
T |
N |
bis 6 |
frei |
T |
N |
3 |
bis 6 |
frei |
T |
N |
bis 6 |
frei |
T |
4 |
N |
bis 6 |
frei |
T |
N |
bis 6 |
frei |
5 |
T |
N |
bis 6 |
frei |
T |
N |
bis 6 |
6 |
frei |
T |
N |
bis 6 |
frei |
T |
N |
7 |
bis 6 |
frei |
T |
N |
bis 6 |
frei |
T |
8 |
N |
bis 6 |
frei |
T |
N |
bis 6 |
frei |
Das beklagte Land stellt die Dienstpläne für das jeweils folgende Kalenderjahr vor Beginn des Jahres auf und sieht bei der Dienstplanung einen durchgehenden Turnus im gesamten Kalenderjahr ohne Einplanung von Freischichten, Urlaubstagen und Zusatzurlaubstagen vor. Auf die von der Klägerin im Berufungsverfahren vorgelegten Schichtpläne für ihre Schicht B/4 in den Kalenderjahren 2019, 2020 und 2021 wird Bezug genommen (Anlagen K16 - K18, Bl. 139 ff. d.A.).
Gemäß § 6 Abs. 1 S. 1 Buchst. b) aa) TV-L beträgt die durchschnittliche regelmäßige wöchentliche Arbeitszeit ausschließlich der Pausen im Tarifgebiet West 38,5 Stunden für Beschäftigte, die ständig Wechselschicht- oder Schichtarbeit leisten. Gemäß § 6 Abs. 1 S. 2 TV-L werden bei Wechselschichtarbeit die gesetzlich vorgeschriebenen Pausen in die Arbeitszeit eingerechnet.
Im regelmäßigen Turnus von vier Wochen leistet die Klägerin in 14 Schichten zu jeweils 12,25 Stunden insgesamt 171,5 Stunden Arbeit nach dem Dienstplan. Zum Ausgleich der in diesem Wechselschichtmodell in vier Wochen über 154 Stunden (38,5 Stunden pro Woche x 4 Wochen) geleisteten Arbeitszeit von 17,5 Stunden (171,5 h - 154 h) ist vom beklagten Land die Gewährung von insgesamt 18 Freischichten (nachfolgend: F-Schichten) vorgesehen, und zwar anstelle von neun Tags...