Entscheidungsstichwort (Thema)
Willenserklärung für Abschluss eines Arbeitsvertrages. Unbeachtlichkeit der Ordnungsgemäßheit des Widerspruches des Betriebsrates gegen Kündigung bei Weiterbeschäftigung
Leitsatz (amtlich)
Beschäftigt die Arbeitgeberin die Arbeitnehmerin während des Kündigungsschutzprozesses aufgrund eines auf § 102 Absatz 5 BetrVG gestützten Verlangens der Arbeitnehmerin nach Ablauf der Kündigungsfrist weiter, geben beide Seiten keine auf den Abschluss eines bis zur rechtskräftigen Beendigung des Kündigungsschutzverfahrens befristeten Arbeitsverhältnisses gerichtete Willenserklärungen ab, selbst wenn der Widerspruch des Betriebsrats gegen die Kündigung nicht einem der in § 102 Absatz 3 BetrVG genannten Widerspruchsgründe zugeordnet werden kann. Obwohl die Weiterbeschäftigung nicht auf der Grundlage einer der Schriftform des § 14 Absatz 4 TzBfG genügenden Abrede erfolgt kommt deshalb kein nach § 16 TzBfG auf unbestimmte Zeit geschlossenes Arbeitsverhältnis zustande.
Normenkette
BGB §§ 133, 157; BetrVG § 102 Abs. 5; TzBfG § 14 Abs. 4; BGB § 145
Verfahrensgang
ArbG Berlin (Entscheidung vom 25.09.2019; Aktenzeichen 29 Ca 13018/18) |
Tenor
I. Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Arbeitsgerichts Berlin vom 25. September 2019 - 29 Ca 13018/18 - abgeändert und die Klage insgesamt abgewiesen.
II. Die Klägerin hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Die Parteien streiten zuletzt noch über die Fortdauer des Arbeitsverhältnisses wegen Prozessbeschäftigung.
Die Beklagte gehört zu der S.-Gruppe, die in Deutschland unterschiedliche Sicherheitsdienstleistungen erbringt. Von der Beklagten selbst werden Dienstleistungen der Luftsicherheit an unterschiedlichen Flughäfen in Deutschland erbracht. Für die entsprechenden Aviation Services hat die Beklagte von den für die Luftsicherheit zuständigen Behörden den Auftrag erhalten, als Dienstleister unter anderem die Fluggastkontrollen sowie Reise- und Handgepäckkontrollen am Flughafen Schönefeld und am Flughafen Tegel zu erbringen. Sie beschäftigt in diesem Bereich etwa 1.200 Mitarbeiter auf dem Flughafen Tegel und etwa 650 Mitarbeiter auf dem Flughafen Schönefeld.
Die Klägerin ist seit dem 16. März 2005 bei der Beklagten beschäftigt, ihr obliegt die Kontrolle von Reise- und Handgepäck sowie von Personen unter Verwendung technischer Hilfsmittel. Ihre monatliche Bruttovergütung betrug zuletzt 2.054,00 Euro.
Mit Schreiben vom 03. September 2018 (Blatt 52 ff. der Akten) hörte die Beklagte den für die Klägerin zuständigen Spartenbetriebsrat zu einer beabsichtigten ordentlichen Beendigungskündigung an und verwies dabei auf seit 2009 angefallene krankheitsbedingte Fehlzeiten, Lohnfortzahlungskosten und in den Jahren 2014 und 2018 durchgeführte Verfahren des betrieblichen Eingliederungsmanagements (BEM). Der Betriebsrat widersprach am 10. September 2018 der Kündigung und erhob Bedenken hinsichtlich der fehlenden Einleitung von BEM-Verfahren für die Fehlzeiten in den Jahren 2015 bis 2018 (Blatt 58 der Akten).
Die Beklagte kündigte sodann das Arbeitsverhältnis mit der Klägerin am 18. September 2019 zugegangenem Schreiben vom 17. September 2018 (Blatt 6 der Akten) zum 28. Februar 2019.
Nachdem die Klägerin mit Schriftsatz vom 4. Oktober 2018, bei Gericht am selben Tage eingegangen, Kündigungsschutzklage erhoben hatte, wandte sich im Laufe des Kündigungsschutzprozesses der Prozessbevollmächtigte der Klägerin an die Beklagte mit Schreiben vom 25. Februar 2019 (Ablichtung Blatt 163 f. der Akten). Darin führte er u. a. aus:
"Mit Mitteilung vom 10. September 2018 hat der Spartenbetriebsrat der Kündigung des Arbeitsverhältnisses form- und fristgerecht, sowie mit hinreichender inhaltlicher Begründung gemäß § 102 BetrVG widersprochen. Vor dem Hintergrund des ordnungsgemäßen Widerspruchs des Betriebsrats gegen die Kündigung fordern wir Sie hiermit auf, unsere Mandantin gemäß § 102 Abs. 5 BetrVG auch nach Ablauf der Kündigungsfrist zu unveränderten Arbeitsbedingungen bis zum rechtskräftigen Abschluss des Kündigungsschutzverfahrens weiter zu beschäftigen."
Mit E-Mail vom 26. Februar 2019 (Blatt 165 der Akten) teilte eine Personalreferentin der Beklagten dem Prozessbevollmächtigten der Klägerin folgendes mit:
"Unter Bezugnahme auf Ihre Mail vom gestrigen Tag, bestätige ich Ihnen die Prozessbeschäftigung für Frau Alexandra A. bis zum Abschluss des Kündigungsschutzverfahrens. Vorab ist Frau A. bis zum Kammertermin am 06.03.2019 zum Dienst geplant."
Die Klägerin wurde daraufhin von der Beklagten bis zum Tag der Verkündung des arbeitsgerichtlichen Urteils weiterbeschäftigt. Mit Schreiben vom 30.09.2019 erklärte die Beklagte gegenüber der Klägerin die "Anfechtung Ihrer Weiterbeschäftigung wegen Täuschung, § 123 Abs. 1 BGB" (Blatt 255 der Akten).
Mit der Kündigungsschutzklage hat die Klägerin die Sozialwidrigkeit und fehlende Schriftform der Kündigung sowie mangelhafte Betriebsratsanhörung geltend gemacht und mit einer Klageerweiterung hilfswe...