Entscheidungsstichwort (Thema)
Weite Regelungsmacht der Tarifvertragsparteien zur Vereinheitlichung der tariflichen Arbeitsbedingungen im Berliner Nahverkehr. Tariflicher Besitzstand für "Altbeschäftigte" im Rahmen der Regelungsmacht der Tarifvertragsparteien. Kein arbeitsrechtlicher Gleichbehandlungsgrundsatz bei Ausführung rechtlich verbindlicher Vorgaben
Leitsatz (amtlich)
Die Entgeltsicherung nach § 9 Anlage 6 TV-N Berlin gilt nur für Arbeitnehmer die bereits am 31.08.2005 in einem Arbeitsverhältnis zu den Berliner Verkehrsbetrieben (BVG) gestanden haben.
Normenkette
TV-N Berlin § 4; TV-N Berlin § 5 Abs. 2 S. 2; TV-N Berlin § 9 Abs. 1 Anl. 6; TV-N Berlin § 17 Abs. 1; BGB § 611 Abs. 1; GG Art. 9 Abs. 3, Art. 20 Abs. 3
Verfahrensgang
ArbG Berlin (Entscheidung vom 13.06.2018; Aktenzeichen 56 Ca 100/18) |
Tenor
I. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Berlin vom 13. Juni 2018 - 56 Ca 100/18 - wird auf seine Kosten zurückgewiesen.
II. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Die Parteien streiten über die Verpflichtung der Beklagten zur Zahlung eines tariflichen Entgeltausgleichs.
Der Kläger, der mit einem Grad der Behinderung von 50 schwerbehindert ist, war seit dem 31.07.2000 bis zum 14.12.2014 bei der Berlin T. GmbH (BT), einer Tochtergesellschaft der Beklagten, als Bus- und Zugfahrer tätig. Die Beklagte stellte den Kläger durch Vertrag vom 09.12.2014 (Bl. 46 ff.) mit Wirkung zum 15.12.2014 als Zugfahrer ein. In einer am gleichen Tag abgeschlossenen Nebenabrede zu diesem Arbeitsvertrag (Bl. 51 f.) heißt es u.a.:
"Die ununterbrochen in einem Arbeitsverhältnis bei der Berlin T. GmbH (BT) zurückgelegten Beschäftigungszeiten des Arbeitnehmers werden auf die Betriebszugehörigkeit gemäß § 4 TV-N Berlin angerechnet und somit für die Festsetzung der Entgeltstufe gemäß § 5 Abs. 2 Satz 2 TV-N Berlin, des Urlaubsanspruchs und im Zusammenhang mit der Zahlung der Weihnachtszuwendung gemäß § 17 Abs. 1 TV-N Berlin berücksichtigt.
Dem Arbeitnehmer wird zur Sicherung des bei der BT erworbenen Besitzstandes eine Zulage gezahlt. ..."
Auf das Arbeitsverhältnis findet kraft beiderseitiger Tarifbindung der Tarifvertrag zur Regelung der Arbeitsbedingungen bei den Nahverkehrsbetrieben im Land Berlin (TV-N) Anwendung. In § 9 Abs. 1 der Anlage 6 zum TV-N heißt es:
"Entgeltsicherung bei Untauglichkeit für die bisherige Tätigkeit
Ein Arbeitnehmer, welcher am 31.08.2005 bei der BVG - AöR - beschäftigt war, von § 11 Zusatztarifvertrag BVG Nr. 1 erfasst wurde und ohne sein Verschulden untauglich für seine bisherige Tätigkeit wird, erhält, wenn er länger als 10 Jahre im Sinne des § 11 Zusatztarifvertrag BVG Nr. 1 beschäftigt war, einen Entgeltausgleich. Wenn ihm aus diesem Grunde eine Tätigkeit zugewiesen wird, die einer niedrigeren Entgeltgruppe entspricht, erhält er als Entgeltausgleich die Differenz zwischen dem für die zugewiesene Tätigkeit jeweils zustehenden monatlichen Entgelt ... und dem jeweiligen monatlichen Entgelt aus seiner Tätigkeit bei Eintritt der Untauglichkeit. ..."
Der Kläger war als Zugfahrer zuletzt in die Entgeltgruppe 5 der Anlage 2 TV-N eingruppiert. Er wurde infolge eines Augeninfarkts fahrdienstuntauglich und erklärte sich mit Schreiben vom 19.02.2016 (Bl. 12) bereit, als Bahnhofsbetreuer tätig zu werden. Die Beklagte vergütete den Kläger für diese Tätigkeit nach der Entgeltgruppe 2 der Anlage 2 TV-N.
Mit seiner Klage hat der Kläger die Feststellung begehrt, dass die Beklagte ihm eine Entgeltsicherung nach § 9 Abs. 1 der Anlage 6 zum TV-N gewähren müsse; er hat ferner die Verurteilung der Beklagten zur Zahlung von sich daraus ergebenden Differenzbeträgen für die Zeit von Mai 2017 bis April 2018 gefordert. Die Beklagte ist der Klage entgegen getreten. Von der weiteren Darstellung des erstinstanzlichen Sachverhalts wird gemäß § 69 Abs. 2 ArbGG abgesehen.
Das Arbeitsgericht hat die Klage durch ein am 13.06.2018 verkündetes Urteil abgewiesen. Der Kläger erfülle nicht die tariflichen Voraussetzungen des geforderten Entgeltausgleichs, weil er nicht länger als 10 Jahre ununterbrochen bei der Beklagten beschäftigt sei. Die Anrechnung der bei der BT zurückgelegten Beschäftigungszeit sei für den Entgeltausgleich ohne Bedeutung, was eine Auslegung der Nebenabrede zum Arbeitsvertrag ergebe. Der Kläger könne sich auch nicht auf den arbeitsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatz stützen. Es sei von der Beklagten nicht zu fordern, die von der BT übernommenen Arbeitnehmer mit ihren "Stammarbeitnehmern" gleichzustellen. Eine Zusage der Beklagten, dem Kläger einen Entgeltausgleich zu gewähren, könne nicht festgestellt werden. Wegen der Einzelheiten der Begründung wird auf die Entscheidungsgründe des angefochtenen Urteils verwiesen.
Gegen dieses ihm am 20.06.2018 zugestellte Urteil richtet sich die am 10.07.2018 eingelegte Berufung des Klägers, die er innerhalb der verlängerten Berufungsbegründungsfrist begründet hat.
Der Kläger hält seine Klage unter Wiederholung und Vertiefung seines erstinstanzlichen Vorbringens we...