Entscheidungsstichwort (Thema)

Höhe der Vergütung im Rahmen einer Ausbildung zum Rettungsassistenten

 

Leitsatz (redaktionell)

1. Sollen nach dem übereinstimmenden Willen der Vertragsparteien neben der praktischen Tätigkeit zur Erlangung der Voraussetzungen des Berufs des Rettungsassistenten keine weiteren Tätigkeiten sondern eine Vergütungsvereinbarung für die Tätigkeit im Sinne des § 7 RettAssG vereinbart werden, kann allein aus der Begriffswahl der Vertragsparteien nicht maßgebend auf die Rechtsnatur des Vertrages geschlossen werden; genauso wenig, wie die Bezeichnungen "Ausbildungsvertrag" oder "Praktikumsvertrag" den Vertragscharakter prägen, kann nicht umgekehrt allein aus dem Umstand, dass die die Parteien die Bezeichnung "Arbeitsvertrag für geringfügig Beschäftigte" wählen, geschlossen werden, dass der Zweck der Tätigkeit in einer Berufsausübung besteht.

2. § 26 BBiG gilt nur für solche Personen, die erstmals Kenntnisse, Fertigkeiten oder Erfahrungen in einer der Berufsausbildung angenäherten Form erwerben wollen (wie etwa Anlernlinge, Volontäre und Praktikanten) und nicht für Personen, die fortgebildet oder umgeschult werden; ebenso findet § 26 BBiG keine Anwendung auf Arbeitsverhältnisse, die neben der Arbeitsleistung auch eine berufliche Fortbildung des Arbeitnehmers zum Gegenstand haben.

3. Ist im Arbeitsvertrag die Vergütung von Überstunden weder positiv noch negativ geregelt, kommt als Anspruchsgrundlage § 612 Abs. 1 BGB und für eine Ausbildungsverhältnis im Sinne des § 26 BBiG die Regelung des § 17 Abs. 3 BBiG in Betracht; danach gilt eine Vergütung als stillschweigend vereinbart oder ist eine über die vereinbarte Ausbildungszeit hinausgehende Tätigkeit besonders zu vergüten, wenn die Dienstleistung den Umständen nach nur gegen eine Vergütung zu erwarten ist.

 

Normenkette

BGB §§ 612, 138; BBiG §§ 26, 17; BGB § 611 Abs. 1, § 612 Abs. 1; BBiG § 17 Abs. 1; RettAssG § 2; RettassG § 7 Abs. 1

 

Verfahrensgang

ArbG Brandenburg (Entscheidung vom 08.02.2012; Aktenzeichen 4 Ca 593/11)

 

Nachgehend

BAG (Urteil vom 18.03.2014; Aktenzeichen 9 AZR 740/13)

 

Tenor

I. Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil des Arbeitsgerichts Brandenburg an der Havel vom 08.02.2012 - 4 Ca 593/11 - abgeändert:

Die Beklagte zu 1.) und die Beklagte zu 2.) werden verurteilt, an den Kläger 2.140,40 EUR brutto nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz aus 328,69 EUR seit dem 01.02.2011, aus 337,91 EUR seit dem 01.03.2011, aus 333,30 EUR seit dem 01.04.2012, aus 386,31 EUR seit dem 01.05.2012, aus 287,20 EUR seit dem 01.06.2011, aus 466,99 EUR seit dem 01.07.2011 als Gesamtschuldner zu zahlen.

Die Beklagte zu 2) wird verurteilt, an den Kläger weitere 1.239,62 EUR brutto nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz aus 490,04 EUR seit dem 01.08.2011, aus 430,11 EUR seit dem 01.09.2011 und aus 319,47 EUR seit dem 01.10.2011 zu zahlen.

II. Die weitergehende Berufung des Klägers wird zurückgewiesen.

III. Von den Kosten des Rechtsstreits I. Instanz haben bei einem Kostenstreitwert von 18.365,51 EUR der Kläger 81,6 % und die Beklagten zu 1.) und 2.) als Gesamtschuldner 11,7 % und der Beklagte zu 2.) 6,7 % zu tragen.

Von den Gerichtskosten des Berufungsverfahrens haben der Kläger 59 % und die Beklagten zu 1.) und 2.) als Gesamtschuldner 26 % und der Beklagte zu 2.) 15 % zu tragen.

Von den außergerichtlichen Kosten der Beklagten zu 1.) hat der Kläger 57 % und die Beklagte zu 1.) selbst 43 % zu tragen.

Von den außergerichtlichen Kosten der Beklagten zu 2.) hat der Kläger 59 % und die Beklagte zu 2.) selbst 41 % zu tragen.

Von den außergerichtlichen Kosten des Klägers tragen die Beklagten zu 1.) und 2.) als Gesamtschuldner 25,6 % und die Beklagte zu 2.) 15,4 %. Der Kläger hat 59 % seiner außergerichtlichen Kosten selbst zu tragen.

IV. Die Revision wird für die Parteien zugelassen.

 

Tatbestand

Die Parteien streiten über die Höhe einer Vergütung im Rahmen einer Ausbildung zum Rettungsassistenten.

Der am ....1986 geborene Kläger war in der Zeit vom 01.01.2011 bis zum 30.06.2011 bei der nicht tarifgebundenen Beklagten zu 1) und nach einem am 01.07.2011 erfolgten Betriebsübergang auf die Beklagte zu 2) bei der Beklagten zu 2), die ebenfalls keinem tarifschließenden Arbeitgeberverband angehört, tätig. Ziel dieser Tätigkeit war nach übereinstimmender Ansicht aller Parteien die notwendige praktische Tätigkeit für eine staatliche Anerkennung als Rettungsassistent im Rahmen der Ausbildung zum Rettungsassistenten abzuleisten. Über die Art des zwischen den Parteien begründeten Rechtsverhältnisses und die Höhe der geschuldeten Vergütung besteht zwischen den Parteien Streit. Ein sog. Lehrwachen-Praktikum ist gemäß § 7 Abs. 1 Rettungsassistentengesetz (RettAssG) für die Erlangung der vom Kläger angestrebten Berufsbezeichnung "Rettungsassistent" erforderlich und nach einer - auch vom Kläger absolvierten - schulischen Ausbildung und deren Abschluss mit staatlicher Prüfung zu leisten. Der Kläger, der 2003 seine Schulausbildung abschloss...

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