Entscheidungsstichwort (Thema)
Zulässigkeit einer Änderungskündigung zum Erreichen von Kurzarbeit. Darlegung wirtschaftlicher Gründe für zumindest vorübergehenden betrieblichen Arbeitsausfall. Pflicht zur Substantiierung der Voraussetzungen des § 96 SGB III
Leitsatz (amtlich)
Selbst wenn man annehmen sollte, dass eine außerordentliche Änderungskündigung zur Herbeiführung von Kurzarbeit zulässig ist, bedarf es einer konkreten Darlegung der Voraussetzungen des § 96 SGB III.
Normenkette
KSchG § 2; SGB III § 96; ArbGG § 64 Abs. 6; ZPO § 139
Verfahrensgang
ArbG Frankfurt (Oder) (Entscheidung vom 27.08.2020; Aktenzeichen 2 Ca 461/20) |
Tenor
I. Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Frankfurt (Oder) vom 27. August 2020 - 2 Ca 461/20 wird zurückgewiesen.
II. Die Kosten der Berufung trägt die Beklagte.
III. Der Gebührenwert für das Berufungsverfahren wird auf 36.999,96 EUR festgesetzt.
IV. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Die Parteien streiten über die Wirksamkeit von zwei außerordentlichen, hilfsweise ordentlichen Änderungskündigungen vom 17. April 2020 und 5. Juni 2020.
Der Kläger ist bei der Beklagten seit dem 1. Oktober 1994 als Projektleiter mit 6.166,66 EUR brutto/mtl. beschäftigt. Seit dem 1. Januar 2012 erfolgt die Beschäftigung in der Niederlassung Rüdersdorf.
Die Beklagte, auf deren Betrieb das Kündigungsschutzgesetz Anwendung findet, sprach gegenüber dem Kläger eine außerordentliche, hilfsweise ordentliche Änderungskündigung unter dem 17. April 2020 sowie nach der Güteverhandlung vor dem Arbeitsgericht eine weitere entsprechende Kündigung unter dem 5. Juni 2020 aus. Die Änderung der Arbeitsbedingungen nahm der Kläger jeweils unter dem Vorbehalt ihrer sozialen Rechtfertigung an und bot der Beklagten zugleich seine unveränderte volle Arbeitsleistung an. In dem Kündigungsschreiben vom 17. April 2020 ist ausgeführt:
Sehr geehrter Herr A,
hiermit kündigen wir das mit Ihnen bestehende Arbeitsverhältnis außerordentlich aus wichtigem Grund mit Wirkung zum 22.04.2020, hilfsweise ordentlich zum nächstmöglichen Zeitpunkt.
Gleichzeitig bieten wir Ihnen ab dem 22.04.2020 die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses zu folgenden geänderten Bedingungen an:
Der Mitarbeiter, Uwe A, erklärt sich mit der Einführung der Kurzarbeit bei der B Industrieanlagen GmbH & Co. KG, Betriebsabteilung Werk Rüdersdorf, ab dem 01.04.2020 einverstanden.
Mit Wirkung ab dem 01.04.2020 und bis mindestens zum 30.06.2020 (eine Verlängerung über diesen Zeitpunkt hinaus ist möglich), ist Herr A im Umfang seiner vollen arbeitsvertraglich geschuldeten Arbeitszeit im Rahmen von Kurzarbeit von seiner Diensterbringung befreit. Er erhält ein entsprechend reduziertes Arbeitsentgelt. Für Herrn A wird durch den Arbeitgeber Kurzarbeitergeld beantragt. Die Befreiung von der Diensterbringung kann durch den Arbeitgeber jederzeit widerrufen werden. Herr A hält sich dementsprechend jederzeit bereit, auf entsprechende Aufforderung die Diensterbringung wiederaufzunehmen.
Alle weiteren arbeitsvertraglichen Regelungen bleiben unberührt.
In dem Kündigungsschreiben vom 5. Juni 2020 ist ausgeführt:
Sehr geehrter Herr A,
hiermit kündigen wir das mit Ihnen bestehende Arbeitsverhältnis außerordentlich aus wichtigem Grund mit Wirkung zum 12.06.2020, hilfsweise ordentlich zum nächstmöglichen Zeitpunkt.
Gleichzeitig bieten wir Ihnen ab dem 12.06.2020 die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses zu folgenden geänderten Bedingungen an:
Der Mitarbeiter A erklärt sich mit der Einführung der Kurzarbeit bei der B Industrieanlagen GmbH & Co. KG, Betriebsabteilung Werk Rüdersdorf, ab dem 12.06.2020 einverstanden.
Mit Wirkung ab dem 12.06.2020 und bis mindestens zum 31.08.2020 (eine Verlängerung über diesen Zeitpunkt hinaus ist möglich), ist Herr A im Umfang seiner vollen arbeitsvertraglich geschuldeten Arbeitszeit im Rahmen von Kurzarbeit von seiner Diensterbringung befreit. Er erhält ein entsprechend reduziertes Arbeitsentgelt. Für Herrn A wird durch den Arbeitgeber Kurzarbeitergeld beantragt. Die Befreiung von der Diensterbringung kann durch den Arbeitgeber jederzeit widerrufen werden. Herr A hält sich dementsprechend jederzeit bereit, auf entsprechende Aufforderung die Diensterbringung wiederaufzunehmen.
Alle weiteren arbeitsvertraglichen Regelungen bleiben unberührt.
Mit Ablauf des 30. Juni 2020 beendete die Beklagte die Kurzarbeit im Betrieb.
Der Kläger hielt die Kündigungen nicht für gerechtfertigt.
Die Beklagte berief sich auf einen Rückgang der Angebotsnachfragen infolge der Covid-19-Pandemie.
Das Arbeitsgericht fand mit Urteil vom 27. August 2020 die Kündigung vom 17. April 2020 als rückwirkende nicht zulässig, nahm eine Umdeutung nicht vor und hielt sie im Übrigen für zu unbestimmt. Auch in der zweiten Änderungskündigung vom 5. Juni 2020 sei das Änderungsangebot nicht konkret genug gefasst.
Gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Frankfurt (Oder) hat die Beklagte rechtzeitig Berufung eingelegt und begründet. Soweit das Arbeitsgericht das Änderungsangebot für zu unbestimm...