Entscheidungsstichwort (Thema)
Rechtswirkungen der Eingruppierung des Arbeitnehmers in einem Arbeitsvertrag mit einem öffentlichen Arbeitgeber
Leitsatz (amtlich)
Der allgemeine Grundsatz, dass ein Arbeitnehmer im öffentlichen Dienst davon ausgehen müsse, dass sein öffentlicher Arbeitgeber nur die Leistungen gewähren wolle, zu denen er rechtlich verpflichtet sei, gilt nicht uneingeschränkt. Es kommt insoweit auf die konkreten Umstände des Einzelfalls an.
Normenkette
TV EntgO-L; LehrerRL
Verfahrensgang
ArbG Berlin (Entscheidung vom 22.06.2017; Aktenzeichen 58 Ca 7600/16) |
Tenor
I. Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil des Arbeitsgerichts Berlin vom 22. Juni 2017 - 58 Ca 7600/16 - abgeändert:
1. Es wird festgestellt, dass der Kläger von dem beklagten Land ab dem 22. September 2015 nach Entgeltgruppe 9 Stufe 4 des Tarifvertrages für den öffentlichen Dienst der Länder (TV-L) - abgeschlossen zwischen der Tarifgemeinschaft deutscher Länder (TdL) und der Vereinten Dienstleistungsgewerkschaft (ver.di) - in Verbindung mit dem Tarifvertrag zur Überleitung der Beschäftigten des Landes Berlin in das Tarifrecht der TdL (TV Wiederaufnahme Berlin) zu vergüten ist.
2. Das beklagte Land wird verurteilt, an den Kläger 4.175,62 EUR brutto nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz aus 378,12 EUR brutto seit dem 1. März 2016 sowie jeweils aus 379,75 EUR brutto seit dem 1. April 2016, 1. Mai 2016, 1. Juni 2016, 1. Juli 2016, 1. August 2016, 1. September 2016, 1. Oktober 2016, 1. November 2016, 1. Dezember 2016 und 1. Januar 2017 zu zahlen.
II. Die Kosten des Rechtsstreits trägt das beklagte Land.
III. Der Gebührenwert des Berufungsverfahrens wird auf 13.671,00 EUR festgesetzt.
IV. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Die Parteien streiten über die zutreffende Stufenzuordnung im Rahmen der tariflichen/vertraglichen Vergütung.
Der Kläger ist 56 Jahre alt und steht seit dem 22. September 2015 in einem Arbeitsverhältnis mit dem beklagten Land. Seit dem 1. Januar 2016 ist er Mitglied der Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW). Im Formular-Arbeitsvertrag vom 22. September 2015 haben die Parteien in § 2 allgemein u.a. die Geltung des Tarifvertrages für den öffentlichen Dienst der Länder (TV-L) sowie die diesen ergänzenden Tarifverträge vereinbart. In § 4 haben die Parteien unter der Überschrift "Eingruppierung, eingruppierungsmäßige Behandlung, Regelung zum Direktionsrecht" vereinbart:
"Für das Arbeitsverhältnis gelten neben dem in § 2 genannten Tarifrecht die Richtlinien des Landes Berlin über die eingruppierungsmäßige Behandlung der unter den TV-L fallenden Lehrkräfte, deren Eingruppierung nicht tarifvertraglich geregelt ist (LehrerRL) in der jeweiligen Fassung sowie die an die Stelle dieser Richtlinien tretenden Bestimmungen oder tarifvertragliche Vorschriften.
Die Lehrkraft erhält danach Entgelt der Entgeltgruppe E 9 TV-L. Sie wird auch im Übrigen so behandelt, als ob sie in dieser Entgeltgruppe eingruppiert wäre."
In einem Anschreiben der für den Kläger zuständigen Personalstelle des beklagten Landes vom 12. Oktober 2015 teilte diese dem Kläger verschiedene Hinweise zum Arbeitsverhältnis mit. U.a. ist dort ausgeführt:
Für Ihr Arbeitsverhältnis gelten die mit Ihnen im o.g. Arbeitsvertrag vereinbarten Bedingungen. Ferner gelten die Richtlinien des Landes Berlin über die Vergütung der unter den Tarifvertrag für den öffentlichen Dienst (TV-L) fallenden Lehrkräfte, deren Eingruppierung nicht tarifvertraglich geregelt ist (LehrerRL) in der jeweiligen Fassung sowie die an die Stelle dieser Richtlinien tretenden Bestimmungen oder tarifvertragliche Vorschriften.
Sie erhalten danach Entgelt der Entgeltgruppe E 9 TV-L. Sie werden auch im Übrigen so behandelt, als ob Sie in dieser Entgeltgruppe eingruppiert wären.
Gemäß § 16 Abs. 2 Satz 4 TV-L kann der Arbeitgeber bei Neueinstellungen zur Deckung des Personalbedarfs Zeiten einer vorherigen beruflichen Tätigkeit ganz oder teilweise für die Stufenzuordnung berücksichtigen, wenn diese Tätigkeit für die vorgesehene Tätigkeit förderlich ist.
...
Insgesamt werden 8 Jahre und 164 Tage angerechnet. Somit erfolgt mit Wirkung vom 22.09.2015 die Zuordnung zu Stufe 4 mit einer Restzeit von 2 Jahren und 164 Tagen. Die Stufe 5 wird am 11.04.2017 erreicht.
Der Mitteilung entsprechend zahlte das beklagte Land dem Kläger bis einschließlich Januar 2016 eine Vergütung nach Entgeltgruppe 9 Stufe 4.
Im Organisationsbereich der Lehrkräfte sind mehrere Gewerkschaften aktiv. So verhandelte eine Tarifgemeinschaft aus den Gewerkschaften GEW und ver.di einerseits und der dbb beamtenbund und tarifunion (dbb) andererseits mit der Tarifgemeinschaft der Länder (TdL) seit längerer Zeit eine Entgeltordnung für Lehrkräfte. Am 28. März 2015 einigten sich der dbb und die TdL auf eine Entgeltordnung für Lehrkräfte der Länder (TV EntgO-L). Diese trat zum 1. August 2015 in Kraft, erst am 15. September 2015 war der TV EntgO-L endgültig unterzeichnet. Mit der Tarifgemeinschaft GEW/ver.di erfolgte in dieser Ze...