Entscheidungsstichwort (Thema)

Anspruch eines Arbeitnehmers auf Urlaubsabgeltung bei Ausscheiden aus dem Arbeitsverhältnis wegen Inanspruchnahme einer vorgezogenen Altersrente

 

Leitsatz (redaktionell)

Nr. 3.4 des Urlaubstarifvertrages für die Berliner Metall- und Elektroindustrie, wonach ein Beschäftigter, wenn er innerhalb des Urlaubsjahres wegen Erreichen der Altersgrenze ausscheidet, den vollen Jahresurlaub erhält, ist nicht dahin auszulegen, dass dies nur für die Regelaltersgrenze, nicht jedoch für den Fall der Inanspruchnahme einer vorzeitigen Altersrente gilt.

 

Normenkette

VTV Metallindustrie; BGB § 611

 

Verfahrensgang

ArbG Berlin (Entscheidung vom 04.11.2016; Aktenzeichen 6 Ca 2860/16)

 

Tenor

I. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Berlin vom 04.11.2016 - 6 Ca 2860/16 - wird auf seine Kosten zurückgewiesen.

II. Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Tatbestand

Die tarifgebundenen Parteien streiten über einen tariflichen Anspruch auf Abgeltung des Jahresurlaubs, nachdem der am ....1952 geborene und seit 1974 bei der Beklagten beschäftigte Kläger sein Arbeitsverhältnis zum 31.01.2016 wegen des Bezuges von Altersrente nach Vollendung des 63. Lebensjahres als langjährig Versicherter in Anspruch nahm.

Mit seiner am 01.03.2016 beim Arbeitsgericht Berlin eingegangenen Klage hat der Kläger unter Bezugnahme auf Nr. 3.4 des Urlaubstarifvertrages für die Berliner Metall- und Elektroindustrie (UTV) die Abgeltung von 28 Urlaubstagen nebst Urlaubsgeld geltend gemacht, nachdem die Beklagte für Januar 2016 vier Urlaubstage vergütet hatte.

Das Arbeitsgericht hat die Klage mit dem am 04.11.2016 verkündeten Urteil, auf dessen Tatbestand zur weiteren Darstellung des erstinstanzlichen Sach- und Streitstandes Bezug genommen wird (Bl. 75 bis 76 d. A.), abgewiesen und zur Begründung im Wesentlichen ausgeführt: Die tarifliche Regelung, wonach Beschäftigte, wenn sie innerhalb des Urlaubs wegen Erreichen der Altersgrenze ausscheiden, den vollen Jahresurlaub erhalten, sei dahingehend auszulegen, dass sie nur den Fall des Ausscheidens mit Erreichung der Regelaltersgrenze erfasse. Dies ergebe sich bereits daraus, dass von "der" Altersgrenze die Rede ist und nicht "eine" Altersgrenze oder der Plural verwendet worden ist. Die Privilegierung sei im Hinblick darauf gerechtfertigt, dass das Ausscheiden mit Erreichen der Regelaltersgrenze nicht freiwillig geschehe, während die Beendigung des Arbeitsverhältnisses wegen Inanspruchnahme der gesetzlich vorgesehenen anderen, vorgezogenen Renten auf dem freien Willen des Arbeitnehmers beruhe.

Gegen dieses ihm am 09.12.2016 zugestellte Urteil hat der Kläger mit dem am 03.01.2017 beim Landesarbeitsgericht eingegangenen Schriftsatz Berufung eingelegt und diese - nach Verlängerung der Frist bis zum 09.03.2017 - am 08.03.2017 begründet.

Er vertritt weiterhin die Auffassung, dass die tarifliche Regelung dahingehend auszulegen sei, dass sie auch die sonstigen gesetzlichen Altersgrenzen, einschließlich derjenigen für (besonders) langjährig Versicherte erfasse, und trägt hierzu weiter vor: Es fehle ein Hinweis, dass mit "der" Altersgrenze eine bestimmte, nämlich die Regelaltersgrenze gemeint sein solle. Dass dem Fehlen des Präfixes "Regel" Bedeutung zukomme, ergebe sich daraus, dass die Tarifvertragsparteien im Manteltarifvertrag (MTV) vom 22.11.2006, also vom gleichen Tag wie der UTV, den Begriff Regelaltersgrenze verwendet haben. Anders als in dem vom Bundesarbeitsgericht entschiedenen Fall sei die Altersgrenze nicht ausdrücklich im Tarifvertrag definiert, der auch keine automatische Beendigung des Arbeitsverhältnisses vorsehe. Etymologisch sei der Begriff der Altersgrenze als Gattungs- oder Oberbegriff anzusehen gegenüber dem Art- oder Unterbegriff der Regelaltersgrenze. Im Übrigen sei die abschlagsfreie Rente für besonders langjährige Versicherte mit der Rente wegen Erreichen der Regelaltersgrenze nach dem Willen des Gesetzgebers gleichgestellt, so dass es an einem rechtfertigenden Grund für eine unterschiedliche Behandlung bei der Urlaubsabgeltung fehle.

Der Kläger beantragt,

das Urteil des Arbeitsgerichts Berlin vom 04.11.2016 - 6 Ca 2860/16 - abzuändern und die Beklagte zu verurteilen, an ihn 10.104,16 Euro brutto nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 01.02.2016 zu zahlen.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen,

und verteidigt die angefochtene Entscheidung mit Rechtsausführungen. Weiter trägt sie vor: Aus der Verwendung des Begriffs "Regelaltersgrenze" im MTV könnten keine weiteren Schlussfolgerungen gezogen werden, weil die dortigen Regelungen beim Tarifabschluss im einzelnen überarbeitet wurden, während der gleichzeitig abgeschlossene UTV mit Ausnahme deklaratorischer Wortlautanpassungen wie "Entgelt" statt "Lohn" und "Betriebs-" statt "Werksurlaub", die bei der "Altersgrenze" schlicht übersehen worden sei. Die wortgleiche Vorgängerfassung sei, ebenso wie Nr. 11.1.2 MTV a. F. immer im Sinne eines Rentenbezuges mit 65 Jahren ver...

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