Entscheidungsstichwort (Thema)

Umfang des Urlaubsanspruchs bei unterjährigem Ausscheiden aus dem Beschäftigungsverhältnis aufgrund Inanspruchnahme der Rente für besonders langjährig Versicherte

 

Leitsatz (redaktionell)

Eine tarifvertragliche Regelung, wonach Arbeitnehmer einen Anspruch auf vollen Jahresurlaub haben, wenn sie innerhalb des Urlaubsjahres wegen Erreichens der Altersgrenze aus dem Beschäftigungsverhältnis ausscheiden, erfasst lediglich das Ausscheiden wegen Erreichung der Regelaltersgrenze, nicht jedoch wegen Inanspruchnahme der Rente für besonders langjährig Versicherte.

 

Normenkette

UTV Metall- und Elektroindustrie Berlin-Brandenburg Nr. 3.4; TVG § 1

 

Verfahrensgang

ArbG Berlin (Entscheidung vom 04.01.2017; Aktenzeichen 54 Ca 8593/16)

 

Nachgehend

BAG (Urteil vom 19.06.2018; Aktenzeichen 9 AZR 564/17)

 

Tenor

I. Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Arbeitsgerichts Berlin vom 4. Januar 2017 - 54 Ca 8593/16 - abgeändert:

1) Die Klage wird abgewiesen.

2) Der Kläger hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.

II. Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Tatbestand

Die Parteien streiten darüber, ob der Kläger im Jahre seines Ausscheidens bei der Beklagten aufgrund Inanspruchnahme der Rente für besonders langjährige Versicherte gemäß Nr. 3.4 Satz 3 des Urlaubstarifvertrages für die Beschäftigten der Metall- und Elektroindustrie in Berlin und Brandenburg (UTV) Anspruch auf den vollen Jahresurlaub und mithin Anspruch auf Abgeltung von 22 Urlaubstagen in unstreitiger Höhe von 7.108,42 EUR brutto hat.

Wegen des diesem Streit zugrunde liegenden unstreitigen Sachverhaltes und des streitigen Vorbringens der Parteien in der ersten Instanz wird auf den Tatbestand des erstinstanzlichen Urteils (Bl. 44 - 46 d. A.) sowie auf die zwischen den Parteien in der Eingangsinstanz gewechselten Schriftsätze Bezug genommen.

Durch Urteil vom 04. Januar 2017 hat das Arbeitsgericht Berlin der Klage in vollem Umfang stattgegeben und zur Begründung im Wesentlichen ausgeführt, der Urlaubsanspruch des Klägers sei im Jahre seines Ausscheidens nicht zu kürzen gewesen, da mit Ausscheiden "wegen Erreichung der Altersgrenze" in Nr. 3.4 UTV nicht die "Regelaltersgrenze" i.S.d. § 235 SGB VI gemeint sei.

Vielmehr sei der verwendete Begriff "Altersgrenze" der Oberbegriff mit größerem Begriffsumfang, so dass auch andere Altersgrenzen umfasst seien. Wegen der weiteren Einzelheiten der Begründung der Entscheidung wird auf die dortigen Gründe (Bl. 46 - 48 d. A.) verwiesen.

Gegen dieses ihr am 18. Januar 2017 zugestellte Urteil hat die Beklagte mit am 19. Januar 2017 bei dem Landesarbeitsgericht eingegangenem Schriftsatz Berufung eingelegt und diese mit am 16. März 2017 eingegangenem Schriftsatz begründet.

Sie vertritt unter Wiederholung und Vertiefung ihres erstinstanzlichen Vorbringens weiter die Meinung, ein Anspruch des Klägers sei nicht gegeben und verweist auf eine Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts, in der bei Auslegung einer ähnlichen Formulierung insbesondere auf die verwendete Einzahl ("der" Altersgrenze) abgestellt worden sei, so dass nur eine für alle Arbeitnehmer gleich geltenden Altersgrenze, nämlich die Regelaltersgrenze gemeint sein könne.

Ferner verweist sie darauf, dass die Ziele der Bundesregierung bei Einführung der Rente für besonders langjährig Beschäftigte im Jahre 2014 für die Auslegung der aus dem Jahre 2006 stammenden Tarifnorm irrelevant seien.

Auch sei die Abschlagsfreiheit der Rente kein geeignetes Auslegungskriterium, da der Tarifvertrag an den Rentenbezug anknüpfe. Schließlich seien Versicherte, die bereits mit 63 Rente beziehen, auch in der Sozialversicherung nicht den Versicherten gleichgestellt, die erst mit Erreichen der Regelaltersgrenze Rente beziehen.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Vorbringens der Beklagten in der Berufungsinstanz wird auf den Berufungsbegründungsschriftsatz vom 13. März 2017 und den Schriftsatz vom 30. Mai 2017 verwiesen.

Die Beklagte und Berufungsklägerin beantragt,

unter Abänderung des Urteils der ersten Instanz die Klage abzuweisen.

Der Kläger und Berufungsbeklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Er verteidigt die angefochtene Entscheidung und tritt den Ausführungen der Beklagten in der Berufungsinstanz entgegen.

Er verweist darauf, dass der MTV keine Regelung enthalte, wonach das Arbeitsverhältnis bei Bezug einer Altersrente automatisch ende, was ein entscheidendes Auslegungskriterium des Bundesarbeitsgerichts gewesen sei.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Vorbringens des Klägers in der Berufungsinstanz wird auf den Berufungsbeantwortungsschriftsatz vom 27. März 2017 verwiesen.

 

Entscheidungsgründe

I.

Die Berufung ist zulässig.

Sie ist gemäß den §§ 8 Abs. 2, 64 Abs. 1 und 2 b ArbGG statthaft und frist- und formgerecht i. S. d. §§ 66 Abs. 1, 64 Abs. 6 ArbGG, 519, 520 ZPO eingelegt und begründet worden.

II.

Die Berufung der Beklagten hat in der Sache auch Erfolg.

Der Kläger hat gegen die Beklagte keinen Anspruch auf Zahlung von 7.108,42 EUR brutto nebst Zinsen gemäß § 7 Abs. 4 BUrlG i.V.m. ...

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