Entscheidungsstichwort (Thema)
Feststellung einer Benachteiligung bei der Ausschreibung einer Stelle
Leitsatz (amtlich)
1. Schreibt der Arbeitgeber eine Stelle entgegen § 11 AGG unter Verstoß gegen § 7 Abs. 1 AGG aus, kann dies die Vermutung iSv. § 22 AGG begründen, dass der/die erfolglose Bewerber/in im Auswahl-/Stellenbesetzungsverfahren wegen eines Grundes iSv. § 1 AGG benachteiligt wurde.
2. Es sprach viel dafür, dass die Beklagte die Stelle angesichts des vorgetragenen Inhalts unter Verstoß gegen § 11 AGG ausgeschrieben hat, da die Beklagte in der Stellenausschreibung dem interessierten Personenkreis ua ein "lockeres und junges 14-köpfiges Team" angeboten hat. Die Ansprache erfolgte mit "Du" und "Dich".
3. Die Vermutung, dass eine Stelle unter Verstoß gegen § 11 AGG ausgeschrieben worden ist, kann durch den Vortrag von Tatsachen, die im Bestreitensfall bewiesen werden müssen, widerlegt werden, aus denen sich ergibt, dass ausschließlich andere als die in § 1 AGG genannten Gründe zu einer ungünstigeren Behandlung geführt haben.
a. Das kann der Fall sein, wenn der Arbeitgeber substantiiert vorträgt und ggf. beweist, dass das Auswahlverfahren bereits abgeschlossen war, bevor die Bewerbung der klagenden Partei bei ihm eingegangen ist, was hier der Fall war.
b. Allerdings schließt der Umstand, dass eine ausgeschriebene Stelle bereits vor Eingang der Bewerbung der klagenden Partei besetzt wurde, nicht generell deren Benachteiligung iSv. § 3 Abs. 1 AGG aus (vgl. BAG 17. August 2010 - 9 AZR 839/08, Rn. 42).
c. Es kommt vielmehr auf die Umstände des Einzelfalls an, beispielsweise darauf, ob ggf. eine vom Arbeitgeber gesetzte Bewerbungsfrist unterlaufen wird und/oder ob Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass eine bereits vor Eingang einer Bewerbung erfolgte Stellenbesetzung gleichwohl zu einer Benachteiligung des nicht berücksichtigten Bewerbers führt (vgl. dazu BAG 19. August 2010 - 8 AZR 370/09, Rn. 30; 17. August 2010 - 9 AZR 839/08, aaO; 11. August 2016 - 8 AZR 406/14, Rn. 22).
Normenkette
AGG §§ 11, 22
Verfahrensgang
ArbG Berlin (Entscheidung vom 08.03.2018; Aktenzeichen 63 Ca 16596/16) |
Tenor
1. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Berlin vom 8. März 2018 - 63 Ca 16596/16 - wird auf seine Kosten zurückgewiesen.
2. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Die Parteien streiten über die Verpflichtung der Beklagten zur Zahlung einer Entschädigung angesichts einer Stellenausschreibung, in der die Beklagte dem interessierten Personenkreis ua ein "lockeres und junges 14-köpfiges Team" anbot. Die Ansprache erfolgte mit "Du" und "Dich". Zudem wurde in der Stellenausschreibung darauf hingewiesen, dass es sich bei dem Unternehmen der Beklagten um ein junges Unternehmen handele, das Anfang 2015 "gelauncht" worden ist.
Der Kläger bewarb sich am 16. November 2016 auf die Stelle. Bereits am 8. November 2016 hatte ein anderer Bewerber einen Arbeitsvertrag in Bezug auf eine Stelle mit dem Stellenprofil unterschrieben. Mit Schreiben vom 12. Dezember 2016 teilte die Beklagte dem Kläger mit, dass die Stelle bereits anderweitig vergeben sei.
Der Kläger hat die Ansicht vertreten, ihm stehe eine Entschädigung nach § 15 Abs. 2 AGG zu. Er sei im Stellenbesetzungsverfahren diskriminiert worden. Indiz sei die Formulierung der Stellenausschreibung.
Der Kläger hat beantragt,
die Beklagte zu verurteilen, an ihn eine in das Ermessen des Gerichts gestellte Entschädigung zu zahlen und diese mit fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz hieraus seit dem 16. Dezember 2016 zu verzinsen.
Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen. Sie hat im Wesentlichen vertreten, der Text in der Stellenausschreibung indiziere eine Diskriminierung nicht, zumal sich die Formulierung "junges Team" darauf beziehe, dass das Unternehmen erst im Jahr 2015 gegründet worden sei.
Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen und das damit begründet, dass der Kläger keine Indizien vorgetragen habe, die mit überwiegender Wahrscheinlichkeit darauf schließen ließen, dass zwischen der benachteiligenden Behandlung und seinem Alter der erforderliche Kausalzusammenhang bestanden habe. Die Beklagte habe mit der Stellenausschreibung nicht Personen eines bestimmten Lebensalters ansprechen und andere ausschließen wollen. Die Beklagte habe lediglich die Ist-Situation beschrieben. Die Beschreibung des Teams korrespondiere mit der dargestellten jungen Unternehmenssituation. Die Anrede dürfte eher branchenspezifisch sein.
Der Kläger hat gegen das ihm am 17. Mai 2018 zugestellte Urteil am 22. Mai 2018 Berufung eingelegt und diese mit einem bei dem Arbeitsgericht am 16. Juli 2018 eingegangenen Schriftsatz begründet.
Der Kläger wiederholt unter Auseinandersetzung mit der angefochtenen Entscheidung unter Hinweis auf die aktuelle Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts zum Themenkreis im Wesentlichen seinen erstinstanzlichen Vortrag. Soweit sich die Beklagte darauf berufe, die Stelle sei zum Zeitpunkt seiner Bewerbung schon besetzt gewesen, stehe dem entgegen, dass der Ar...