Entscheidungsstichwort (Thema)
Einbeziehung einer tariflichen Besitzstandszulage bei der Berechnung der Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall. Feststellungsklage einer Check-In-Agentin auf einem Berliner Flughafen
Leitsatz (redaktionell)
1. Mit § 22 Abs. 8 des Manteltarifvertrages für Bodenverkehrsdienstleistungen an Flughäfen in Berlin und Brandenburg vom 25.02.2013 (MTV-BVD) in Verbindung mit der Sonderregelung zu § 22 Abs. 8 MTV in der Anlage zum MTV für Berlin-Brandenburg ist nicht wirksam eine von den Bestimmungen der § 3 Abs. 1 Satz 1 und § 4 Abs. 1 EFZG abweichende Regelung zur Höhe der Entgeltfortzahlung getroffen worden, wonach die Besitzstandszulage nach Abschnitt B Teil 2 I des Überleitungstarifvertrages vom 25.02.2013 (ÜTV-VTV) bei der Entgeltfortzahlung nicht zu berücksichtigen ist.
2. Durch tarifliche Regelungen kann nicht in Abweichung zu § 3 Abs. 1 und § 4 Abs. 1 EFZG wirksam bestimmt werden, dass Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer ausschließlich als Entgeltfortzahlung das Monatsgrundentgelt nach dem jeweils gültigen VTV-BVD erhalten, ihnen aber die Besitzstandszulage, die sie im Falle der Erbringung der Arbeitsleistung hätten beanspruchen können, im Fall der krankheitsbedingten Arbeitsunfähigkeit nicht zu zahlen ist.
Normenkette
EFZG §§ 3-4; MTV-BVD; VTV-BVD; ÜTV VTV-BVD; EFZG § 3 Abs. 1, § 4 Abs. 1; MTV-BVD § 22 Abs. 8; ÜTV-VTV Abschn. B Teil 2 I; ZPO § 256 Abs. 1
Verfahrensgang
ArbG Berlin (Entscheidung vom 05.08.2014; Aktenzeichen 34 Ca 6666/14) |
Nachgehend
Tenor
I. Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Berlin vom 5. August 2014 - 34 Ca 6666/14 - wird auf ihre Kosten zurückgewiesen.
II. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Die Parteien streiten über die Höhe des bei der Entgeltfortzahlung im Krankheitsfalle zu berücksichtigenden Entgelts.
Die Beklagte ist ein Dienstleistungsunternehmen im Bereich der Bodenverkehrsdienste an den Flughäfen Sch. (SXF) und Berlin-T. (TXL). Sie erbringt für zahlreiche Fluggesellschaften Dienstleistungen im Zusammenhang mit der Passagierabfertigung.
Die am ..... 1954 geborene Klägerin ist aufgrund eines Arbeitsvertrages seit dem 13. April 1981 bei der Beklagten bzw. ihren Rechtsvorgängerinnen als Check-In-Agentin zu einem monatlichen durchschnittlichen Bruttoentgelt in Höhe von ca. 2.860,00 Euro beschäftigt. Die Klägerin ist Vorsitzende des bei der Beklagten gewählten Betriebsrats.
Auf das Arbeitsverhältnis der Klägerin und der Rechtsvorgängerin der Beklagten fand ein zwischen der damaligen Arbeitgeberin und der Gewerkschaft ver.di abgeschlossener Vergütungstarifvertrag Nr. 10 vom 27. Januar 2004 jedenfalls kraft einzelvertraglicher in Bezugnahme Anwendung.
Unter dem 25. Februar 2013 schlossen der Allgemeine Verband der Wirtschaft für Berlin und Brandenburg e. V. (AWB) und die Vereinte Dienstleistungsgewerkschaft ver.di den Manteltarifvertrag für Bodenverkehrsdienstleistungen an Flughäfen in Berlin und Brandenburg (im Folgenden: MTV BVD) und den Vergütungstarifvertrag für Bodenverkehrsdienstleistungen an Flughäfen in Berlin und Brandenburg (im Folgenden: VTV BVD), welche mit Wirkung vom 1. September 2013 für allgemeinverbindlich erklärt worden sind. Das Inkrafttreten der Tarifverträge ist an die Allgemeinverbindlicherklärung gekoppelt (§ 35 MTV BVD und § 7 VTV BVD).
Der MTV BVD enthält, soweit hier von Relevanz, folgende Bestimmungen:
"§ 13
Allgemeines
Der Beschäftigte hat für die von ihm geleistete Arbeit Anspruch auf Vergütung.
(1) Die Vergütung besteht aus
(a) dem Monatsgrundentgelt gemäß § 14,
(b) etwaigen Überstundenzuschlägen gemäß § 15 Abs. 3,
(c) etwaigen Zuschlägen gemäß § 16,
(d) etwaigen weiteren in einem VTV geregelten Entgeltbestandteilen
(e) etwaigen Zulagen.
§ 14
Monatsgrundentgelt (Tabellenentgelt)
(1) Die Höhe des Monatsgrundentgelts bemisst sich nach dem jeweils gültigen Vergütungstarifvertrag.
...
§ 16
Zuschläge für Feiertags-, Sonntags- sowie Nachtarbeit
.....
§ 17
Zahlung der Vergütung
(1) Das Monatsgrundentgelt und die Zulagen werden monatlich bargeldlos für den laufenden Monat bis zum 27. des Monats gezahlt; fällt der 27. auf einen Tag, der nicht Bankarbeitstag ist, hat er zum letzten vorherigen Bankarbeitstag zu erfolgen.
(2) Überstunden und Zuschläge werden im folgenden Monat gezahlt...
...
§ 22
Arbeitsunfähigkeit
...
(6) Wird ein Beschäftigter durch Arbeitsunfähigkeit infolge Krankheit an seiner Arbeitsleistung verhindert, ohne dass ihn ein Verschulden trifft, so hat er Anspruch auf Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall durch den Arbeitgeber für die Zeit der Arbeitsunfähigkeit bis zur Dauer von sechs Wochen. ...
...
(8) Soweit nicht in der Anlage für Berlin-Brandenburg etwas anderes vereinbart wird, ist als Grundvergütung während der Zeit der Entgeltfortzahlung das anteilige Monatsgrundentgelt nach § 14 zuzüglich etwaiger gemittelter zu versteuernder Zuschläge nach § 16 zu zahlen. Bemessungszeitraum für die Durchschnittsberechnung sind die jeweils letzten 3 vollen Kalendermonate vor ...