Entscheidungsstichwort (Thema)

Einbeziehung einer tariflichen Besitzstandszulage bei der Berechnung der Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall. Feststellungsklage einer Ersten Fachkraft im Bereich Gepäckermittlung auf einem Berliner Flughafen

 

Leitsatz (redaktionell)

1. Mit § 22 Abs. 8 des Manteltarifvertrages für Bodenverkehrsdienstleistungen an Flughäfen in Berlin und Brandenburg vom 25.02.2013 (MTV-BVD) in Verbindung mit der Sonderregelung zu § 22 Abs. 8 MTV in der Anlage zum MTV für Berlin-Brandenburg ist nicht wirksam eine von den Bestimmungen der § 3 Abs. 1 Satz 1 und § 4 Abs. 1 EFZG abweichende Regelung zur Höhe der Entgeltfortzahlung getroffen worden, wonach die Besitzstandszulage nach Abschnitt B Teil 2 I des Überleitungstarifvertrages vom 25.02.2013 (ÜTV-VTV) bei der Entgeltfortzahlung nicht zu berücksichtigen ist.

2. Durch tarifliche Regelungen kann nicht in Abweichung zu § 3 Abs. 1 und § 4 Abs. 1 EFZG wirksam bestimmt werden, dass Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer ausschließlich als Entgeltfortzahlung das Monatsgrundentgelt nach dem jeweils gültigen VTV-BVD erhalten, ihnen aber die Besitzstandszulage, die sie im Falle der Erbringung der Arbeitsleistung hätten beanspruchen können, im Fall der krankheitsbedingten Arbeitsunfähigkeit nicht zu zahlen ist.

 

Normenkette

EFZG §§ 3-4, 12, 3 Abs. 1, § 4 Abs. 1; MTV-BVD § 22 Abs. 8; ÜTV-VTV Abschn. B Teil 2 I; ZPO § 256 Abs. 1

 

Verfahrensgang

ArbG Berlin (Entscheidung vom 27.05.2014; Aktenzeichen 34 Ca 1993/14)

 

Nachgehend

BAG (Urteil vom 27.04.2016; Aktenzeichen 5 AZR 275/15)

 

Tenor

I. Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Berlin vom 27. Mai 2014 - 34 Ca 1993/14 - wird auf ihre Kosten zurückgewiesen.

II. Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Tatbestand

Die Parteien streiten über die Höhe der Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall.

Die Beklagte, die Mitglied im Allgemeinen Verband der Wirtschaft für Berlin und Brandenburg e.V. (AWB) ist, ist ein Dienstleistungsunternehmen im Bereich der Bodenverkehrsdienste an den Berliner Flughäfen Sch. und T.. Sie erbringt für zahlreiche Fluggesellschaften Dienstleistungen im Zusammenhang mit der Flugzeugabfertigung. Die bei der Beklagten am Flughafen T. beschäftigte Klägerin wurde von der Rechtsvorgängerin der Beklagten zum 17. Juni 1991 eingestellt. Seit etwa 1994 wird sie in der Position einer Ersten Fachkraft im Bereich Gepäckermittlung (Lost & Found) beschäftigt.

Unter dem 25. Februar 2013 schlossen der Allgemeine Verband der Wirtschaft für Berlin und Brandenburg e. V. (AWB) und die Vereinte Dienstleistungsgewerkschaft ver.di den Manteltarifvertrag für Bodenverkehrsdienstleistungen an Flughäfen in Berlin und Brandenburg (im Folgenden: MTV BVD) und den Vergütungstarifvertrag für Bodenverkehrsdienstleistungen an Flughäfen in Berlin und Brandenburg (im Folgenden: VTV BVD), welche mit Wirkung vom 1. September 2013 für allgemeinverbindlich erklärt worden sind. Das Inkrafttreten der Tarifverträge ist an die Allgemeinverbindlicherklärung gekoppelt (§ 35 MTV BVD und § 7 VTV BVD).

Der MTV BVD enthält, soweit hier von Relevanz, folgende Bestimmungen:

"§ 13

Allgemeines

Der Beschäftigte hat für die von ihm geleistete Arbeit Anspruch auf Vergütung.

(1) Die Vergütung besteht aus

(a) dem Monatsgrundentgelt gemäß § 14,

(b) etwaigen Überstundenzuschlägen gemäß § 15 Abs. 3,

(c) etwaigen Zuschlägen gemäß § 16,

(d) etwaigen weiteren in einem VTV geregelten Entgeltbestandteilen

(e) etwaigen Zulagen.

...

§ 14

Monatsgrundentgelt (Tabellenentgelt)

(1) Die Höhe des Monatsgrundentgelts bemisst sich nach dem jeweils gültigen Vergütungstarifvertrag.

...

§ 16

Zuschläge für Feiertags-, Sonntags- sowie Nachtarbeit

.....

§ 17

Zahlung der Vergütung

(1) Das Monatsgrundentgelt und die Zulagen werden monatlich bargeldlos für den laufenden Monat bis zum 27. des Monats gezahlt; fällt der 27. auf einen Tag, der nicht Bankarbeitstag ist, hat er zum letzten vorherigen Bankarbeitstag zu erfolgen.

(2) Überstunden und Zuschläge werden im folgenden Monat gezahlt...

...

§ 22

Arbeitsunfähigkeit

...

(6) Wird ein Beschäftigter durch Arbeitsunfähigkeit infolge Krankheit an seiner Arbeitsleistung verhindert, ohne dass ihn ein Verschulden trifft, so hat er Anspruch auf Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall durch den Arbeitgeber für die Zeit der Arbeitsunfähigkeit bis zur Dauer von sechs Wochen. ...

...

(8) Soweit nicht in der Anlage für Berlin-Brandenburg etwas anderes vereinbart wird, ist als Grundvergütung während der Zeit der Entgeltfortzahlung das anteilige Monatsgrundentgelt nach § 14 zuzüglich etwaiger gemittelter zu versteuernder Zuschläge nach § 16 zu zahlen. Bemessungszeitraum für die Durchschnittsberechnung sind die jeweils letzten 3 vollen Kalendermonate vor Beginn der Krankheit."

Die "Anlage zum MTV für Berlin-Brandenburg" enthält folgende Sonderregelung zu § 22 Abs. 8 MTV:

"Als Vergütung während der Zeit der Entgeltfortzahlung ist das anteilige Monatsgrundentgelt nach § 14 MTV zu zahlen."

Der VTV BVD enthält auszugsweise folgende Regelungen:

"§ 2

Monatsgrundentgelt

Die Beschäftig...

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