Entscheidungsstichwort (Thema)
außerordentliche Kündigung einer Auszubildenen in der Probezeit nach Zustimmungsverweigerung des Personalrates wegen fehlender Eignung
Leitsatz (redaktionell)
1. Die dreiwöchige Klagefrist des § 4 KSchG ist nicht maßgebend, wenn gem. § 111 Abs. 2 S. 5 ArbGG der Klageerhebung eine Verhandlung vor einem Schlichtungsausschuss vorausgegangen sein muss.
2. Nach § 22 Abs. 1 BBiG kann das Berufsausbildungsverhältnis während der Probezeit jederzeit ohne Einhaltung einer Kündigungsfrist gekündigt werden. Das bedeutet, dass insoweit eine ordentliche Kündigung ohne Einhaltung einer Kündigungsfrist möglich ist. Sie bedarf grundsätzlich keines besonderen Kündigungsgrunds.
3. Die Verweigerung der Zustimmung der Personalvertretung zu einer Kündigung ist unbeachtlich, wenn die von der Personalvertretung abgegebene Begründung außerhalb ihres Kompetenzbereichs liegt. Das gilt auch dann, wenn, wie bei dem PersVG Berlin, das Personalvertretungsrecht die Gründe für die Zustimmungsverweigerung nicht festlegt. Der Personalvertretung ist es nicht gestattet, von einer Mitbestimmung in der vorgeschriebenen Form, aber ohne inhaltlichen Bezug zu einem gesetzlichen Mitbestimmungstatbestand Gebrauch zu machen.
Normenkette
ArbGG § 111; BBiG § 22 Abs. 1; BGB §§ 138, 242, 612a; PersVG Berlin 78 Nr. 8; PersVG Berlin § 79; BPersVG § 108 II
Verfahrensgang
ArbG Berlin (Urteil vom 06.01.2010; Aktenzeichen 56 Ca 18669/09) |
Tenor
1. Auf die Berufung des beklagten Landes wird das Urteil des Arbeitsgerichts Berlin vom 06.01.2010 – 56 Ca 18669/09 – abgeändert.
2. Die Klage wird abgewiesen.
3. Die Kosten des Rechtsstreits hat die Klägerin zu tragen.
4. Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
Die Parteien streiten über die Wirksamkeit der Kündigung eines Ausbildungsverhältnisses während der Probezeit.
Die am …1988 geborene Klägerin wurde seit dem 1.9.2009 in dem Bezirksamt N. des beklagten Landes zur Verwaltungsfachangestellten ausgebildet. Die ersten drei Monate des Ausbildungsverhältnisses waren als Probezeit vereinbart. Am 8.9.2009 fehlte sie durch ärztliches Attest entschuldigt. Am 18.9.2009 nahm sie die Ausbildung statt um 7:15 Uhr erst um 7:55 Uhr mit der Begründung auf, verschlafen zu haben. Am Montag dem 21.9.2009 blieb sie der Ausbildung fern. Die Ausbildungsstelle wurde von der Auszubildenden I. davon unterrichtet, dass sie am 20.9.2008 in die Türkei geflogen sei. Ihr Vater sei verstorben und werde am 22. oder 23 September beerdigt. Am Nachmittag des 21.9.2009 rief die Klägerin aus der Türkei bei der Dienststelle an. Sie teilte mit, dass die Beerdigung am 22. oder 23. September stattfinden solle. Sie werde am 28.9.2009 zurückfliegen und am 29.9.2009 den Dienst aufnehmen.
Mit Schreiben vom 25.9.2009 informierte die Dienststelle den Personalrat von der Absicht, das Ausbildungsverhältnis zu kündigen. Vor dem Hintergrund des geschilderten Sachverhalts werde die Klägerin als nicht geeignet für den Ausbildungsberuf angesehen. Der Personalrat verweigerte mit Schreiben vom 1.10.2009 seine Zustimmung. Er könne der Kündigung als letzter Möglichkeit einer arbeitsrechtlichen Würdigung nicht folgen. Trotz der besonderen persönlichen Belastungen in Folge des plötzlichen Todes ihres Vaters habe die Klägerin dafür Sorge getragen, dass die Ausbildungsstelle sobald als möglich durch ihre Verwandte informiert wird. Sie selbst habe durch mehrfache Telefonate versucht, zu einer einvernehmlichen Klärung beizutragen. Hierbei seien die besonderen zeitlichen, die örtlichen und ethnischen Gegebenheiten zu berücksichtigen. Der Verlust des Arbeitsplatzes stelle für sie besonders in Verbindung mit der entstandenen, ohnehin schwierigen persönlichen Situation eine besondere Härte dar, die in deutlichem Missverhältnis zu dem zu würdigenden Verhalten stehe. Er könne nicht nachvollziehen, dass sie vor dem Hintergrund des in Rede stehenden Sachverhalts als in ihrem Verhalten unzuverlässig und für den Beruf der Verwaltungsangestellten nicht geeignet angesehen werde.
Das Schreiben ist der Dienststelle am 2.10.2009 zugegangen. Mit Schreiben vom 5.10.2009, das der Klägerin am 12.10.2009 ausgehändigt wurde, kündigte sie das Ausbildungsverhältnis ohne Fristeinhaltung. Hiergegen wehrt sich die Klägerin mit der am 16.10.2009 bei Geicht eingegangenen Klage.
Die Klägerin hat behauptet, am Sonntag dem 20.9.2009 durch einen Anruf aus der Türkei von dem Tod ihres Vaters erfahren zu haben. Seine Beerdigung habe am 22.9.2009 stattgefunden. Um an ihr teilzunehmen, habe sie am selben Abend abreisen müssen. Zuvor habe sie Frau I. gebeten, die Ausbildungsstelle zu informieren. Sie sei über Istanbul angereist und am Nachmittag des 21.9.2009 in Adena angekommen. Noch am Nachmittag habe sie sich bei der Dienststelle gemeldet, um ihr Fernbleiben zu erklären. In den Folgetagen habe sie immer wieder versucht, die Ausbildungsleiterin zu informieren. Sie habe aber nur eine ihrer Mitarbeiterinnen erreicht. Ihr habe sie mitgeteilt, dass sie aufgrund der Ferien in der Türkei erst für de...