Entscheidungsstichwort (Thema)
Auslegung einer tariflichen Regelung über Nachtzuschläge bei Wechselschicht. Auslegung und Wirksamkeit einer tariflichen Regelung zum Zuschlag für Nachtarbeit. Begriff der Schichtarbeit
Leitsatz (redaktionell)
1. Sieht der Tarifvertrag für Nachtarbeit einen Zuschlag von 50 % vor, jedoch nur einen Zuschlag von 20 %, wenn diese im Rahmen der Schichtarbeit geleistet wird, so steht einem Arbeitnehmer, der im Einzelhandel nach einem Schichtplan abwechselnd in Früh- und Spätschicht arbeitet, nur der niedrigere Zuschlagssatz zu.
2. Eine solche tarifliche Regelung verstößt auch nicht gegen Gleichbehandlungsgrundsatz des Art. 3 Abs. 1 GG.
Normenkette
BGB § 611 Abs. 1; GG Art. 3 Abs. 1
Verfahrensgang
ArbG Berlin (Entscheidung vom 12.01.2012; Aktenzeichen 38 Ca 4536/11) |
Nachgehend
Tenor
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Berlin vom 12.01.2012 - 38 Ca 4536/11 - wird auf seine Kosten zurückgewiesen.
Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
Die Parteien streiten über die Auslegung und Wirksamkeit einer tariflichen Regelung zum Zuschlag für Nachtarbeit.
Der Kläger war zunächst ab 1. September 2001 bei der T-LOG T. Logistik- und Dienstleistungsgesellschaft mbH beschäftigt. Das Arbeitsverhältnis ging mit Wirkung zum 1. Januar 2008 auf die Beklagte über. Wegen der Einzelheiten der Betriebsübergänge wird auf das Informationsschreiben an den Kläger, Bl. 38 ff. d. A., Bezug genommen.
In dem Arbeitsvertrag des Klägers mit der Rechtsvorgängerin der Beklagten wurde vereinbart, dass für das Arbeitsverhältnis, soweit im Rahmen des Arbeitsvertrages nichts anderes vereinbart wurde, die Bestimmungen des örtlich maßgeblichen Tarifvertrages für den Einzelhandel einschließlich der entsprechenden Zusatzabkommen gelten. Wegen der Einzelheiten wird Bezug genommen auf die Ablichtung des Vertrages (Bl. 23 f. d. A.).
Der Manteltarifvertrag für den Berliner Einzelhandel vom 6. Juli 1984 in der Fassung der 7. Änderungsvereinbarung vom 4. September 2008, gültig ab 1. Januar 2007 (im Folgenden: MTV Einzelhandel), enthält u. a. folgende Regelungen:
§ 8 Nacht-, Sonn-, Feiertags- und Spätöffnungsarbeit
1. Nachtarbeit ist die in der Nachtzeit zwischen 20.00 und 06.00 Uhr geleistete Arbeit. ...
2. ...
5. Für die Arbeit nach Ziff. 1. - 4. sind zum Entgelt folgende Zuschläge zu gewähren:
a) Nachtarbeit |
50 % |
jedoch im Rahmen von Schichtarbeit |
20 % |
b) Sonntagsarbeit |
120 % |
c) Feiertagsarbeit |
150 % |
d) Spätöffnung |
20 % |
Zeitgutschrift (Ziffer 6. ist zu beachten) |
|
6. ...
7. Für berufsübliche Nacht-, Sonn- und Feiertagsarbeit (z. b. Nachtwächter/innen, Pförtner/innen und Monteure/innen in Notdienstbetrieben) ist kein Zuschlag zu zahlen. ...
9. Beim Zusammentreffen mehrerer Zuschläge wird nur der jeweils höhere Zuschlag gewährt.
Die Tarifvertragsparteien haben am 20. Juli 2011 einen Ergänzungstarifvertrag zum Manteltarifvertrag vereinbart, § 8 blieb unverändert.
Bei der Beklagten besteht ein Wechselschichtsystem (Frühschicht 06:00 Uhr bis 14.45 Uhr, Spätschicht 14.45 Uhr - 23.30 Uhr), in dem auch der Kläger im wöchentlichen Wechsel arbeitet. Bisweilen gibt es von dem Schichtsystem partielle Abweichungen hinsichtlich des Beginns und des Endes der Arbeitszeit. Wegen der Einzelheiten wird auf die zur Akte gereichten Dienstpläne verwiesen (Bl. 93 - 134 d. A.).
Der Kläger hat mit gewerkschaftlichem Schreiben vom 15. Februar 2010 für den Zeitraum November 2009 bis Januar 2010 die Differenz in Höhe von 30 % zwischen dem gezahlten Zuschlag in Höhe von 20 % und dem von ihm begehrten Zuschlag von 50 % für 55,22 Stunden geltend gemacht. Mit Schreiben vom 19. April 2010 und 12. Januar 2011, gerichtet an die Firma N. M.-Discount AG und Co. KG, nachrichtlich an die Beklagte, hat der Kläger auch für weitere Monate die Differenzzahlung von Nachtarbeitszuschlägen begehrt. Wegen der Einzelheiten wird auf die Ablichtungen Bl. 66 ff. und 76 ff. d. A. verwiesen.
Mit seiner am 25. März 2011 beim Arbeitsgericht eingegangenen und mit Schriftsatz vom 1. Dezember 2011 erweiterten Klage hat der Kläger sein Begehren für die Monate November 2009 bis Februar 2010 und November 2010 bis Oktober 2011 weiterverfolgt.
Der Kläger hat die Auffassung vertreten, die tarifliche Regelung sei so zu verstehen, die Nachtarbeit sei immer mit einem Zuschlag von 50 %, die dazwischen liegenden Tagschichten mit einem Zuschlag von 20 % zu vergüten. Es stelle einen Verstoß gegen Art. 3 GG dar, Nachtarbeit in Schichtarbeit anders zu bewerten als außerhalb von Schichten.
Das Arbeitsgericht hat mit Versäumnisurteil vom 11. August 2011 die Klage abgewiesen. Der Kläger hat gegen das ihm am 24. August 2011 zugestellte Versäumnisurteil mit beim Arbeitsgericht am 25. August 2011 eingegangenem Schriftsatz Einspruch eingelegt.
Der Kläger hat zuletzt beantragt,
das Versäumnisurteil vom 18. August 2011 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, an ihn 319,89 € brutto nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz ...