Entscheidungsstichwort (Thema)
Überleitungsregime des § 29a TVÜ-VKA. Besondere Überleitung für die Beschäftigten der bisherigen Entgeltgruppe 9 TVöD-VKA. Eingruppierungssystematik im TVöD-VKA. Bestimmung des Arbeitsvorgangs als Bezugspunkt der tariflichen Eingruppierung. "Gründliche Fachkenntnisse" i.S.d. Entgeltgruppen des TVöD bzw. der Vergütungsgruppen des BAT. "Selbstständige Leistungen" als Tarifmerkmal
Leitsatz (redaktionell)
1. Mit dem Überleitungsregime des § 29a TVÜ-VKA sollte eine "Eingruppierungswelle" vermieden und die öffentlichen Arbeitgeber entlastet werden. Die Korrektur einer schon nach der bisherigen Vergütungsordnung erfolgten fehlerhaften Eingruppierung war dagegen nicht Ziel dieser Regelungen.
2. Für die Beschäftigten der bisherigen Entgeltgruppe 9 TVöD haben die Tarifvertragsparteien mit § 29c Abs. 2 und Abs. 3 TVÜ-VKA eine besondere Überleitungsregel geschaffen. Diese war erforderlich, weil aufgrund der im Interesse einer größeren Differenzierung erfolgten Aufspaltung in dieser Entgeltgruppe in drei neue Entgeltgruppen eine Besitzstandswahrung durch die Beibehaltung der bisherigen Eingruppierung und Entgeltstufe nicht möglich war.
3. Der Beschäftigte ist in der Entgeltgruppe eingruppiert, deren Tätigkeitsmerkmalen die gesamte von ihm nicht nur vorübergehend auszuübende Tätigkeit entspricht. Dies ist der Fall, wenn zeitlich mindestens zur Hälfte Arbeitsvorgänge anfallen, die für sich genommen die Anforderungen des Tätigkeitsmerkmals oder mehrerer Tätigkeitsmerkmale dieser Entgeltgruppe erfüllen. Jeder Arbeitsvorgang ist als solcher zu bewerten und darf hinsichtlich der Anforderungen nicht aufgespalten werden.
4. Maßgebend für die Bestimmung des Arbeitsvorgangs ist das Arbeitsergebnis. Für die Beurteilung, ob eine oder mehrere Einzeltätigkeiten zu einem Arbeitsergebnis führen, sind eine natürliche Betrachtungsweise und die durch den Arbeitgeber vorgenommene Arbeitsorganisation ausschlaggebend. Dabei kann die gesamte vertraglich geschuldete Tätigkeit einen einzigen Arbeitsvorgang ausmachen. Bei der Zuordnung zu einem Arbeitsvorgang können wiederkehrende und gleichartige Tätigkeiten zusammengefasst werden.
5. Gründliche Fachkenntnisse sind nähere, nicht lediglich oberflächliche oder unerhebliche Kenntnisse von Gesetzen, Verwaltungsvorschriften oder Tarifbestimmungen, die sich auf einen bestimmten, deren Anwendung erfordernden Tätigkeitsbereich des Beschäftigten erstrecken.
6. Selbständige Leistungen erfordern ein den vorausgesetzten Fachkenntnissen entsprechendes selbständiges Erarbeiten eines Ergebnisses unter Entwicklung einer eigenen geistigen Initiative. Sie sind im Tarifsinn dann anzunehmen, wenn eine Gedankenarbeit erbracht wird, die im Rahmen der für die Vergütungsgruppe vorausgesetzten Fachkenntnisse hinsichtlich des einzuschlagenden Weges, insbesondere hinsichtlich des zu findenden Ergebnisses, eine eigene Beurteilung und eine eigene Entschließung erfordert.
Normenkette
TVÜ-VKA §§ 4, 17; TVÜ-VKA Anl. 1; TVÜ-VKA §§ 29a, 29b Abs. 1 S. 2, § 29c Abs. 2-3; BAT §§ 22, 23 Anl. 1
Verfahrensgang
ArbG Neuruppin (Entscheidung vom 12.04.2022; Aktenzeichen 2 Ca 874/21) |
Tenor
I. Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil des Arbeitsgerichts Neuruppin vom 12. April 2022 - 2 Ca 874/21 - abgeändert und festgestellt, dass der Beklagte verpflichtet ist, den Kläger seit dem 1. März 2021 nach Entgeltgruppe 9a der Anlage 1 zum TVöD für den Bereich Verwaltung im Bereich der V. ... (TVöD-VKA) zu vergüten und die Bruttonachzahlungsbeträge ab dem auf den jeweiligen Fälligkeitszeitpunkt folgenden Tag mit fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz zu verzinsen.
II. Die Kosten des Rechtsstreits trägt der Beklagte.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Die Parteien streiten über die zutreffende Eingruppierung des Klägers.
Der Kläger, der eine Ausbildung als Verwaltungsfachangestellter absolviert hat, ist seit dem 8. Juli 1998 beim beklagten Landkreis beschäftigt. 2002 schloss er erfolgreich ein Studium an der V.- und W. ab und erhielt den Abschluss eines Verwaltungs-Betriebswirts (VWA).
Nach dem ursprünglich geschlossenen Arbeitsvertrag vom 1. Juli 1998 gelten für das Arbeitsverhältnis der Bundes-Angestelltentarifvertrages Ost (BAT-O) und die diesen Tarifvertrag ergänzenden, ändernden oder ersetzenden Tarifverträge sowie die für den Arbeitgeber jeweils geltenden Tarifverträge.
Mit Änderungsvertrag vom 29. Mai 2007 vereinbarten die Parteien die Anwendbarkeit des T\/ÖD für den Dienstleistungsbereich Verwaltung (TVöD-V) und den ergänzenden, ändernden oder ersetzenden Tarifverträgen, einschließlich des Tarifvertrages zur Überleitung der Beschäftigten der kommunalen Arbeitgeber in den TVöD, in der für den Bereich der VKA - Tarifgebiet Ost jeweils geltenden Fassung.
Der Kläger wurde eingesetzt in der K. des Beklagten zur Vollstreckung der Forderungen des beklagten Landkreises. Dazu existierte eine Stellenbeschreibung vom 27. Juni 2005 (Anlage B 1, BI. 121 - 125 d. A.), die von fünf Arbeitsvorgängen ausging und di...