Entscheidungsstichwort (Thema)

Wirksamkeit des SokaSiG

 

Leitsatz (redaktionell)

Das SokaSiG verstößt nicht gegen das im Rechtsstaatsprinzip gem. § 20 Abs. 3 GG verankerte Verbot rückwirkend belastender Gesetze, da die das Rückwirkungsverbot begründende Vermutung, die rückwirkende Regelung widerspreche dem Grundsatz des Vertrauensschutzes, nicht greift.

 

Normenkette

BGB § 812 Abs. 1 S. 1, § 398; SoKaSiG § 7; GG Art. 20 Abs. 3, Art. 9 Abs. 3, Art. 19

 

Verfahrensgang

ArbG Berlin (Entscheidung vom 30.11.2017; Aktenzeichen 62 Ca 80312/17)

 

Tenor

I. Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Berlin vom 30. November 2017 - 62 Ca 80312/17 - wird auf ihre Kosten zurückgewiesen.

II. Die Revision wird zugelassen.

 

Tatbestand

Die Parteien streiten über die Rückzahlung von 2013 und 2014 gezahlten Sozialkassenbeiträgen.

Die Beklagte zu 2) war, die Beklagte zu 1) ist die Einzugsstelle der Sozialkassen des Baugewerbes. Die Firma Trocken- und Akustikbau S. zahlte 2013 und 2014 Sozialkassenbeiträge und trat nach ihrer Ansicht bestehende Rückzahlungsansprüche in Höhe des Differenzbetrages zwischen den gezahlten und den erstatteten Beiträgen an die Klägerin ab (Abtretungserklärung vom 16. November 2016, s. Bl. 19 d.A.).

Mit ihrer am 21. Dezember 2016 beim Arbeitsgericht Wiesbaden eingegangen, den Beklagten am 3. Januar 2017 zugestellten, anschließend an das Arbeitsgericht Berlin verwiesenen Klage hat die Klägerin eine Rückzahlung dieser Beträge geltend gemacht. Zur Begründung hat die Klägerin ausgeführt, für die erfolgte Zahlung gebe es keinen Rechtsgrund. Die Firma Trocken- und Akustikbau S. als Zedentin sei kein Mitglied in den die Tarifverträge über das Sozialkassenverfahren abschließenden Verbänden gewesen. Die Allgemeinverbindlicherklärung dieser Tarifverträge sei nach den zwischenzeitlich vorliegenden Entscheidungen des Bundesarbeitsgerichts unwirksam. Aus dem Sozialkassenverfahrenssicherungsgesetz (SokaSiG) ergebe sich keine Rechtsgrundlage für die Forderung, weil dieses Gesetz als rückwirkendes Gesetz unter Verstoß gegen das Verbot eines Einzelfallgesetzes und unter Missachtung der negativen Koalitionsfreiheit sowie des Grundsatzes der Gewaltenteilung verfassungswidrig sei. Auf die Ausführungen der Klägerin zur Höhe der Forderung wird Bezug genommen (s. Bl. 99 - 100 d.A.).

Die Klägerin hat beantragt,

die Beklagten als Gesamtschuldner zu verurteilen, an die Klägerin 11.583,70 Euro nebst Zinsen in Höhe von 9 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz hieraus seit dem 4. Januar 2017 zu zahlen.

Die Beklagten haben beantragt,

die Klage abzuweisen.

Zur Begründung haben die Beklagten geltend gemacht, seit 2010 sei nicht mehr die Beklagte zu 2), sondern die Beklagte zu 1) Einzugsstelle für Beiträge aus dem Sozialkassenverfahren. Rechtsgrundlage für die von der Zedentin an die Beklagte zu 1) gezahlten Beiträge sei das SokaSiG. Dieses sei nicht verfassungswidrig, auf die zwischenzeitlich hierzu vorliegenden Entscheidungen der Landesarbeitsgerichte Hessen und Berlin-Brandenburg werde Bezug genommen.

Das Arbeitsgericht Berlin hat der Klage durch Urteil vom 30. November 2017 stattgegeben und zur Begründung ausgeführt, Rückforderungsansprüche der Klägerin gem. § 398 BGB i.V.m. § 812 Abs. 1 BGB bestünden nicht. Es liege unabhängig von der fehlenden Passivlegitimation der Beklagten zu 2) keine Zahlung ohne Rechtsgrund vor. Zwar ergebe sich ein Rechtsgrund für die Zahlungen nicht aus den Allgemeinverbindlicherklärungen des VTV, dieser gelte aber gem. § 7 SokaSiG für die streitgegenständlichen Zeiträume kraft Gesetzes. Das SokaSiG sei, wie näher ausgeführt wird, mit der Verfassung vereinbar. Auf die Entscheidungsgründe wird Bezug genommen (s. Bl. 115-128 d.A.).

Gegen dieses ihr am 11. Dezember 2017 zugestellte Urteil hat die Klägerin am 11. Januar 2018 Berufung eingelegt und diese am Montag, den 12. Januar 2018 begründet und hierzu unter näherer Begründung im Einzelnen ausgeführt, das SokaSiG sei verfassungswidrig. Dieses verstoße gegen das Rückwirkungsverbot und Grundsätze des Vertrauensschutzes. Eine Gesetzgebungskompetenz erscheine angesichts der gegebenen Möglichkeit der Allgemeinverbindlicherklärung fraglich. Zudem werde die negative Koalitionsfreiheit nicht hinreichend beachtet und der Gleichbehandlungsgrundsatz verletzt, zumal es sich um ein Einzelfallgesetz handle. Mit dem gesetzgeberischen Eingriff werde letztlich die Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts aufgehoben und so gegen das Gewaltenteilungsprinzip verstoßen. Zumindest bestünden Ansprüche betreffend den auf Urlaubsansprüche entfallenden Anteil, der von sonstigen Beträgen getrennt werden könne. Insoweit sei eine Leistung auch ohne Existenzgefährdung oder Rückgriff auf Rücklagen möglich.

Die Klägerin hat beantragt,

das Urteil des Arbeitsgerichts Berlin vom 30. November 2017, Aktenzeichen 62 Ca 80312/17 abzuändern und die Beklagten zu verurteilen, an die Klägerin 11.583,70 Euro nebst Zinsen in Höhe von 9 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 4. Januar 2017 ...

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