Entscheidungsstichwort (Thema)
Außerordentliche Kündigung. Ausbildungsverhältnis. außerbetriebliche Straftat
Leitsatz (amtlich)
Die außerordentliche Kündigung eines Ausbildungsverhältnisses wegen einer außerbetrieblichen Straftat kann im Einzelfall unwirksam sein.
Normenkette
BBiG § 22 Abs. 2; BGB § 626 Abs. 1
Verfahrensgang
ArbG Berlin (Urteil vom 10.07.2009; Aktenzeichen 5 Ca 7044/09) |
Tenor
I. Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Berlin vom 10.07.2009 – 5 Ca 7044/09 – wird auf ihre Kosten zurückgewiesen.
II. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Die Parteien streiten um eine außerordentliche Kündigung eines Berufsausbildungsverhältnisses wegen einer außerhalb des Betriebes begangenen Straftat des Auszubildenden.
Der am … 1988 geborene Kläger ist seit dem 01. September 2007 bei der Beklagten als Auszubildender zur Fachkraft für Lagerlogistik gegen ein Bruttomonatsgehalt in Höhe von 696,– EUR tätig. Abgeschlossen ist das Ausbildungsverhältnis für die Zeit bis zum 31. August 2010. Die Beklagte ist ein Großhandelsunternehmen und bedient über 66.000 Belieferungspunkte innerhalb Deutschlands. Diese beliefert sie mit Getränken, Nahrungsmitteln, Telefonkarten und anderen Produkten. Im Rahmen des Ausbildungsverhältnisses als Lagerlogistiker hat der Kläger Materialien zu bestellen, Lieferungen zu übernehmen, für die fachgerechte Lagerung zu sorgen und die Qualität zu kontrollieren. Überwiegend ist der Kläger an einem EDV-Arbeitsplatz tätig. Daneben gehören auch die Konfektionierung der Waren und Inventurarbeiten zu seinen Tätigkeiten, bei denen er unmittelbaren Zugang zu den Waren der Beklagten hat.
Anfang des Jahres 2009 hatte der Kläger verschiedene Schulden. Vom 19. bis zum 29. Januar 2009 befand er sich im Urlaub. Nachdem er am 20. Januar 2009 das Kindergeld, das regelmäßig von seiner Mutter an ihn weitergeleitet wird, nicht erhalten hatte, überfiel er in der Nacht vom 20. Januar auf den 21. Januar 2009 zusammen mit einem Freund, beide maskiert, eine Passantin und forderten diese zur Herausgabe von Geld und Handy auf. Als diese der Aufforderung nicht nachkam, brachen der Kläger und der Mittäter das Vorhaben ab und ergriffen die Flucht. Der Kläger wurde unmittelbar danach inhaftiert und befand sich bis zum 09. Februar 2009 in Untersuchungshaft. Am 23. Februar 2009 wurde der Kläger wegen des Vorwurfs des gemeinschaftlichen schweren Raubes zu einer Freiheitsstrafe verurteilt, die zur Bewährung ausgesetzt worden ist. Dieses Urteil ist wegen der Revision des Klägers nicht rechtskräftig. Zuvor war der Kläger strafrechtlich nicht in Erscheinung getreten.
Am 05. Februar 2009 informierte die damalige Freundin des Klägers, die er nunmehr geheiratet hat, die Beklagte über die U-Haft des Klägers. Am 11. Februar 2009 erschien der Kläger an seinem Arbeitsplatz und informierte seinen Ausbilder über die am 20. Januar 2009 begangene Straftat und die Untersuchungshaft. Am 19. Februar 2009 wurde der Kläger von der Beklagten zu der Straftat angehört.
Mit Schreiben vom 20. Februar 2009 hörte die Beklagte den Betriebsrat zu der beabsichtigten fristlosen Kündigung des Ausbildungsverhältnisses des Klägers an. Dieser teilte der Beklagten noch am gleichen Tag mit, keine Stellungnahme abgeben zu wollen.
Die Beklagte hat das Ausbildungsverhältnis fristlos mit Schreiben vom 23. Februar 2009, dem Kläger am 24. Februar 2009 zugegangen, gekündigt.
Das vom Kläger eingeleitete Schlichtungsverfahren endete am 25. März 2009 ohne Ergebnis.
Mit der am 08. April 2009 beim Arbeitsgericht Berlin eingegangenen und der Beklagten am 21. April 2009 zugestellten Klage hat der Kläger die Unwirksamkeit der Kündigung geltend gemacht.
Der Kläger, der die Tat selbst nicht bestreitet, aber meint, von ihr strafbefreiend zurückgetreten zu sein, ist der Ansicht gewesen, dass die Tat die Kündigung des Ausbildungsverhältnisses nicht rechtfertige, da es sich um außerdienstliches Verhalten handele und eine zukünftige Störung des Ausbildungsverhältnisses nicht zu prognostizieren, zumal dieses in der Vergangenheit unbeanstandet gewesen sei.
Der Kläger hat beantragt,
festzustellen, dass das Ausbildungsverhältnis der Parteien durch die Kündigung der Beklagten vom 23. Februar 2009 nicht aufgelöst worden ist
sowie
- die Beklagte zu verurteilen, ihn bis zum rechtskräftigen Abschluss des Kündigungsrechtsstreits zu den bisherigen Bedingungen weiter zu beschäftigen.
Die Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Die Beklagte hat das Vertrauensverhältnis zwischen ihr und dem Kläger als unwiderruflich zerstört angesehen. Der Kläger habe aufgrund seiner Ausbildung zur Fachkraft für Lagerlogistik ständig Kontakt mit erheblichen Vermögenswerten, so dass es einer besonderen Zuverlässigkeit des Klägers bedürfe. Im Übrigen wäre die Weiterbeschäftigung des Klägers geeignet, das ihr von der Öffentlichkeit entgegen gebrachte Vertrauen und Ansehen nachhaltig zu beschädigen.
Das Arbeitsgericht Berlin hat mit Urteil vom 10. Juli 2009 der Klage stattgegeben und zur Begründung...