Entscheidungsstichwort (Thema)
Außerordentliche Kündigung eines Pharmareferenten bei Falschdokumentation der Arbeitszeiten und Abgabe von Medikamentenmustern. Verwertung der durch einen Privatdetektiv erhobenen Daten bei begründeten Zweifeln an der Arbeitszeit- und Medikamentenmusterabgabendokumentation
Leitsatz (amtlich)
Durch einen Privatdetektiv erhobene Daten sind dann nicht rechtswidrig erlangt, wenn begründete Zweifel an der bis dato erfolgten Arbeitszeit- und Medikamentenmusterabgabendokumentation bestehen.
Normenkette
BGB § 626 Abs. 1-2; BetrVG § 102 Abs. 1
Verfahrensgang
ArbG Berlin (Entscheidung vom 13.01.2016; Aktenzeichen 14 Ca 6324/15) |
Tenor
I. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Berlin vom 13.01.2016 - 14 Ca 6324/15 - wird auf seine Kosten bei einem Streitwert von 17.370 Euro in der zweiten Instanz zurückgewiesen.
II. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Die Parteien streiten in der II. Instanz um die Beendigung ihres Arbeitsverhältnisses durch eine außerordentliche Kündigung der Beklagten vom 17.04.2015 sowie eine hilfsweise ordentliche hilfsweise erklärte ordentliche Kündigung vom 27.04.2016 wegen einer behaupteten Falschdokumentation von Arbeitszeiten an den Tagen 05. und 06. Februar 2015. Am 05.02.2015 habe der als Pharmareferent tätige Kläger eine Abwesenheitszeit für die Besuchstätigkeit bei Ärzten von 10 Stunden und 5 Minuten dokumentiert, während seine tatsächliche Abwesenheitszeit lediglich 6 Stunden und 45 Minuten betragen habe. Die unrichtige Dokumentation bewirke eine Erhöhung des Spesensatzes für diesen Tag von 4 Euro auf 12,50 Euro. Am 06.02.2015 habe der Kläger unstreitig keine Arztpraxis aufgesucht, dennoch unter Angabe bestimmter Ärzte und Medikamentenmusterabgaben eine Abwesenheitszeit von 5 Stunden und 55 Minuten mit Spesenrelevanz angegeben. Der Kläger hat zu seiner Rechtfertigung im Rahmen der vor dem Kündigungsausspruch erfolgten Verdachtsanhörung gegenüber der Beklagten nach vorheriger anwaltlicher Beratung Folgendes angegeben:
"...
5. Was den 06.02.2015 anbelangt, kann er derzeit keine Angaben machen.
6. Der Verdacht, Herr W. hätte seine arbeitsvertraglichen Pflichten schwerwiegend vorsätzlich verletzt, ist aus unserer Sicht so nicht begründet. Der Firma K. ist auch kein Schaden entstanden.
Mein Mandant hat für den 06.02.2015 sieben Arztbesuche eingetragen.
Das sind Praxen, die er in der Tat besucht hat, allerdings kann es sein, dass es nicht am 06.02.2015 war. Im Außendienst ist es seit Jahren gängige Praxis, dass man sich sozusagen ein Polster zugelegt hat von Musteranforderungen, die man einsetzen kann für Tage, an denen nicht die erwartete Besuchsanzahl erreicht wird.
Herr W. gibt ein Beispiel:
An einem beliebigen Tag besucht er in Bamberg 6, 7 oder 8 Arztpraxen.
Er stellt fest, dass sich in der Nähe der letzten Praxis ein weiterer Arzt befindet, den er aufsucht. Da er sein Soll an diesem Tag aber bereits erfüllt hat, nimmt er diesen Arztbesuch nicht mit in die Dokumentation auf, lässt sich aber gleichwohl die Musteranforderung unterschreiben und hebt sich diese für einen anderen Tag auf, an dem er - aus welchen Gründen auch immer - die erwartete Besuchszahl nicht erreicht. Damit steht aber fest, dass der Arzt besucht wurde.
Eine weitere Überlegung hat meinen Mandanten dazu veranlasst, die zusätzlichen Besuche nicht an den realen Tagen zu dokumentieren, und zwar folgende:
Hätte man im Unternehmen festgestellt, dass er 10, 12 oder mehr Besuche täglich absolviert, hätte sich nach aller Erfahrung das Soll für ihn und seine Kollegen mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit erhöht - jedenfalls ist diese Befürchtung nach der Lebenserfahrung durchaus berechtigt. Die jetzt schon bestehende enorme Belastung, unter der viele Außendienstler leiden, wäre weiter gestiegen. Herrn W. ist bewusst, dass diese Erklärung seiner Motivation Ihnen möglicherweise seltsam vorkommt, jedoch ist sie nun mal Fakt...."
(vergl. dazu das Schreiben der Prozessbevollmächtigten des Klägers an die Beklagte vom 10.04.2015, Anlage B 19, Seite 4 f., Bl. 202 d. A.).
Das Arbeitsgericht Berlin hat mit Urteil vom 13.01.2016 der Klage nur hinsichtlich der Erteilung eines Zeugnisses stattgegeben, im Übrigen die Klage abgewiesen und dies im Wesentlichen damit begründet, dass bereits die außerordentliche Kündigung vom 17.04.2015 das Arbeitsverhältnis beendet habe. Denn der Kläger habe unstreitig an den beiden Tagen 05. und 06.02.2015 seine Besuchstätigkeiten unrichtig dokumentiert, woraus sich höhere Spesen für ihn ergeben hätten. Soweit diese Erkenntnis aus Beobachtungsberichten einer Detektei (vergl. dazu den Bericht der Detektei Anlage 6, Bl. 144 ff. d. A.) stammten und der Kläger diese deshalb für nicht verwertbar hielte, könne die Kammer sich dem nicht anschließen. Die Frage der Verwertbarkeit stelle sich nur im Rahmen einer Beweiserhebung. Die von der Beklagten ermittelten und in den Rechtsstreit eingeführten Tatsachen seien jedoch nicht beweisbedürftig. Soweit der Kläger ins Fe...