Entscheidungsstichwort (Thema)
Rechtsstellung des Arbeitnehmers bei Inanspruchnahme von Elternzeit. Zulässigkeit der Ausschließung oder Beschränkung des Anspruchs auf Elternzeit durch Vertrag
Leitsatz (amtlich)
1. Die Inanspruchnahme der Elternzeit nach § 15 Abs. 1, § 16 BEEG ist von keiner Zustimmung des Arbeitgebers abhängig. Für die Inanspruchnahme bedarf es weder einer gesonderten "Freistellung" durch den Arbeitgeber noch einer sonstigen Willenserklärung des Arbeitgebers; der Arbeitgeber soll die Elternzeit lediglich "bescheinigen".
2. Der Anspruch auf Elternzeit kann gemäß § 15 Abs. 2 Satz 6 BEEG auch nicht durch Vertrag ausgeschlossen oder beschränkt werden. Die Vorschriften über die Elternzeit sind zwingendes Gesetzesrecht, von dem weder durch Einzelverträge noch durch Betriebsvereinbarung oder Tarifverträge abgewichen werden kann.
Die Vorschrift verbietet nicht nur Vereinbarungen, die den Anspruch auf Elternzeit unmittelbar betreffen, sondern auch solche, die sich auf die arbeitsrechtliche Stellung des Arbeitnehmers vor oder nach der Elternzeit nachteilig auswirken.
3. §§ 15, 16 BEEG sehen keinerlei Beschränkungen dahingehend vor, dass bestimmte Zeiträume bei der Feststellung der Elternzeit nicht ausgespart werden dürfen.
4. Die bloße Hintereinanderschaltung von Schulferien und Elternzeit reicht für die Annahme einer rechtsmissbräuchlichen Gestaltung der Lage der Elternzeit durch eine Lehrkraft nicht aus.
Normenkette
BEEG § 15; BGB § 242
Verfahrensgang
ArbG Berlin (Entscheidung vom 19.04.2018; Aktenzeichen 58 Ca 10403/17) |
Tenor
I. Die Berufung des beklagten Landes gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Berlin vom 19. April 2018 - 58 Ca 10403/17 - wird auf seine Kosten zurückgewiesen.
II. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Die Parteien streiten über die Lage der Elternzeit der Klägerin.
Die am ... 1982 geborene Klägerin ist aufgrund eines Arbeitsvertrages vom 7. Juli 2016 beim beklagten Land als vollzeitbeschäftigte Lehrkraft mit einer Vergütung gemäß Entgeltgruppe E13 TV-L in Höhe von zuletzt 5.100,08 Euro brutto beschäftigt. Hinsichtlich des Inhalts des Arbeitsvertrages einschließlich der Nebenabrede wird auf die Ablichtung auf Bl. 15 - 18 d.A. Bezug genommen (Anlage K1).
Am 21. Mai 2017 gebar die Klägerin als zweites Kind eine Tochter, als deren Geburtstermin zuvor der 8. Juni 2017 errechnet worden war. Das beklagte Land ermittelte den 3. August 2017 als das Ende der nachgeburtlichen Mutterschutzfrist.
Mit Schreiben vom 12. Juni 2017 beantragte die Klägerin beim beklagten Land für die Zeit vom 21. August 2017 bis zum 8. Juni 2019 Elternzeit mit gleichzeitiger Teilzeit in der Zeit vom 9. Juni 2018 bis zum 8. Juni 2019 im Umfang von 13/26 Stunden. Ferner beantragte die Klägerin die Übertragung eines 14-monatigen Anteils auf die Zeit vom 21. Mai 2020 bis zum 20. Mai 2025. Hinsichtlich des vollständigen Inhalts des Schreibens wird auf die Ablichtung auf Bl. 14a d.A. Bezug genommen (Anlage K2).
Mit Schreiben vom 29. Juni 2017 lehnte das beklagte Land die Bewilligung der beantragten Elternzeit unter Hinweis darauf ab, Ferienzeiträume dürften nicht ausgespart werden, und bat die Klägerin, einen korrigierten Antrag für die Zeit ab dem 4. August 2017 zu stellen (Ablichtung Bl. 14 d.A., Anlage K3).
Mit Schreiben vom 3. Juli 2017 (Ablichtung Bl. 8 - 9 d.A., Anlage K5) verfolgte die Klägerin ihr Begehren weiter. Das beklagte Land blieb mit Schreiben vom 21. Juli 2017 bei seiner ablehnenden Rechtsauffassung und wies erneut darauf hin, die Elternzeit sei ab dem 4. August 2017 zu nehmen (Ablichtung Bl. 12 - 13 d.A., Anlage K4).
Mit Schreiben vom 24. Juli 2017 bot die Klägerin dem beklagten Land an, in der Zeit vom 4. bis zum 20. August 2017 11 Tage Urlaub von den ihr im schlechtesten Fall noch zustehenden 13 Urlaubstagen zu nehmen (Ablichtung Bl. 10 - 11 d.A., Bestandteil der Anlage K5).
Am 3. Juni 1996 hatte die Senatsverwaltung für Inneres des beklagten Landes ein Rundschreiben II Nr. 40/1996 zum Bundeserziehungsgeldgesetz erstellt, mit dem eine "Neufassung der Durchführungshinweise (Tarifgebiete West und Ost)" erfolgte.
Nr. 3.2. Abs. 1 des Rundschreibens lautet unter der Überschrift "Teilabschnitte, Verlängerung" wie folgt:
"Der Erziehungsurlaub kann auch in einzelnen Abschnitten genommen werden. Dadurch wird ein Wechsel zwischen den Eltern, der dreimal möglich ist, erleichtert. Der Arbeitnehmer kann Erziehungsurlaub auch in höchstens drei Abschnitten nehmen, zwischen denen Zeiten der Erwerbstätigkeit liegen (§ 16 abs. 1 Satz 2 BEEG). Der Erziehungsurlaub kann einem Arbeitnehmer jedoch nicht dergestalt in Teilabschnitten gewährt werden, daß Zeiträume ausgespart werden, in denen der Arbeitnehmer ohnehin nicht arbeiten müßte, insbesondere können z.B. Lehrkräfte und andere Beschäftigte in Schulen nicht die Ferienzeiträume aussparen."
Hinsichtlich des vollständigen Inhalts des Rundschreibens wird auf die Ablichtung auf Bl. 46 - 56 d.A. Bezug genommen (Anlage B1).
Mit der vorliegenden, am 18. August 2017 beim Arbeitsgeric...