Entscheidungsstichwort (Thema)

Betriebsbedingte Kündigung. Interessenausgleich. Namensliste. Betriebszugehörigkeit

 

Leitsatz (amtlich)

Wird ein Interessenausgleich durch den zuständigen Gesamtbetriebsrat abgeschlossen, kann eine diesen Interessenausgleich ergänzende Namensliste nicht durch den örtlichen Betriebsrat abgeschlossen werden.

 

Normenkette

KSchG § 1 Abs. 1-3, 5; BetrVG §§ 111 ff, 50 ff

 

Verfahrensgang

ArbG Potsdam (Urteil vom 02.03.2010; Aktenzeichen 7 Ca 2181/09)

 

Tenor

I. Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Potsdam vom 2. März 2010 – 7 Ca 2181/09 – wird auf ihre Kosten bei unverändertem Streitwert zurückgewiesen.

II. Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Tatbestand

Die Parteien streiten um die Wirksamkeit einer betriebsbedingten Kündigung und dabei insbesondere um die ordnungsgemäße Sozialauswahl.

Seit wann der Kläger bei der Beklagten bzw. deren Rechtsvorgängern beschäftigt ist, ist zwischen den Parteien streitig. Im Arbeitsvertrag heißt es unter § 1: „Als statistisches Eintrittsdatum zur Berechnung der Betriebsrentenansprüche gilt der 02.04.1990” (vergl. den Arbeitsvertrag vom 08.10.1997 in Kopie Bl. 52 ff d. A.). Im Zwischenzeugnis vom 30.09.2009 heißt es:

„Herr E. M., geboren am … 1964 in Z., trat am 02. April 1990 in die A. AG ein.”

In der „Vereinbarung Interessenausgleich Namensliste” vom 27.08.2009, abgeschlossen zwischen der Beklagten und dem Betriebsrat im A. Betrieb F. heißt es für den Kläger unter „Ersteintritt” „02.04.1990”. Endlich heißt es in der Entgeltabrechnung für Juni 2010 neben „Eintrittsdatum” „02.04.1990” (vgl. die Kopie der Entgeltabrechnung für Juni 2010 Bl. 229 d. A.).

Anlässlich einer Umgestaltung des bisherigen Beschäftigungsbetriebes F. als einem reinen Produktionsstandort zu einem Service-Center und der Zusammenführung unterschiedlicher Konzerneinheiten am Standort F. vereinbarten die Beklagte und der bei ihr bestehende Gesamtbetriebsrat (im Folgenden: GBR) am 28.08.2009 einen „Interessenausgleich ‚Zukunftsperspektive F.’ „, welcher örtlich sowohl den Betrieb F. als auch Teile des Betriebes in Berlin und persönlich sowohl Beschäftigte in Berlin als auch in F. erfasst. Unter „C 1.2.2 Ausscheidensregelungen” heißt es unter a) auf S. 3 des Interessenausgleichs:

„Die nähere Ausgestaltung der Milderung wirtschaftlicher Nachteile obliegt den lokalen Betriebsparteien, im Rahmen des § 112 BetrVG zu vereinbaren. Außerdem bleibt ihnen vorbehalten, die Auswahl der von der Maßnahme betroffenen Beschäftigten und Umsetzung der Maßnahmen gem. §§ 95, 99, 102 BetrVG, 1 Abs. 5 KSchG zu regeln.”

Bereits einen Tag vorher, am 27.08.2009, vereinbarten die Beklagte und der bei ihr bestehende örtliche Betriebsrat in F.: „… wird gem. § 1 Abs. 5 KSchG als Interessenausgleich (auch in Ergänzung und als integraler Bestandteil des Interessenausgleichs „Zukunftsperspektive F.”) nachstehende namentliche Bezeichnung der Beschäftigten, denen gekündigt werden soll, vereinbart: …

[es folgen 33 Namen mit Sozialdaten zum Geburtsdatum, zum Ersteintritt, zum Familienstand, zur Steuerklasse und zum Kinderfreibetrag sowie mit einer Rubrik „Anmerkung”, in der unter anderem die Behinderung eines Arbeitnehmers oder dessen Ersatzmitgliedschaft im Betriebsrat vermerkt ist]. Weiter heißt es: „Die Vereinbarung erfolgte nach ausführlicher Erörterung des auf der Planung des Arbeitgebers beruhenden künftigen Personalbedarfs. Die Sozialdaten aller jeweils untereinander vergleichbaren Beschäftigten – Betriebszugehörigkeit, Lebensalter, Unterhaltsverpflichtungen und Schwerbehinderung – wurden individuell abgewogen.”

Die Beklagte hat den Kläger mit Schreiben vom 29.09.2009 zum 30.04.2010 gekündigt (vgl. das Kündigungsschreiben in Kopie Bl. 3 d. A.) und sich zur Begründung ihrer Kündigung unter anderem auf den Interessenausgleich mit dem lokalen Betriebsrat in F. gestützt. Hiergegen richtet sich die am 08.10.2009 beim Arbeitsgericht Potsdam eingegangene Kündigungsschutzklage des Klägers. Er beruft sich unter anderem darauf, dass er etwa gegenüber den Arbeitnehmern J. G. und T. H. sozial schutzwürdiger sei.

Das Arbeitsgericht Potsdam hat der Kündigungsschutzklage stattgegeben, und zur Begründung im Wesentlichen ausgeführt, dass die Kündigung sozialwidrig sei. Die nach § 1 Abs. 5 KSchG mögliche Vermutung, dass die Kündigung durch dringende betriebliche Erfordernisse i. S. v. § 1 Abs. 2 KSchG bedingt sei, könne nicht zugrunde gelegt werden, da eine danach nötige Namensliste in einem Interessenausgleich enthalten sein müsse. Der zwischen den Betriebsparteien in F. ausgehandelte Interessenausgleich sei kein solcher, da darin keine Maßnahmen aufgelistet seien, die zum Wegfall von Arbeitsplätzen oder gar einer Betriebsänderung führen könnten. Im Übrigen sei der Interessenausgleich mit dem örtlichen Betriebsrat bereits am 27.08.2009 geschlossen worden, so dass auf den Interessenausgleich mit dem GBR nicht hätte Bezug genommen werden dürfen. Die danach verbliebene bloße Namensliste mit Sozialdaten ohne Vereinbarung einer B...

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