Entscheidungsstichwort (Thema)
Wirksamkeit der sachgrundlosen Befristung eines Arbeitsvertrags. Abweichung von der tarifvertraglich festgelegten Befristungshöchstdauer
Leitsatz (amtlich)
Entscheidungsdokumentationsende
Normenkette
AÜG § 1 Abs. 1 S. 1, S. 4, Abs. 16, § 9 Abs. 1 Nr. 1b, 10 Abs. 1 S. 1, 19 Abs. 2; BGB § 242; RL 2008/104 EG; TzBfG § 14 Abs. 2; ZPO §§ 167, 222, 529 Abs. 2 S. 2; AÜG § 1 Abs. 1, § 9; TzBfG § 14
Verfahrensgang
ArbG Cottbus (Entscheidung vom 27.10.2023; Aktenzeichen 4 Ca 1284/22) |
Tenor
I. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Cottbus vom 27.10.2023 - 4 Ca 1284/22 - wird auf seine Kosten zurückgewiesen.
II. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Die Parteien streiten in der Berufungsinstanz noch über die Wirksamkeit der Befristung ihres Arbeitsvertrags.
Der 1990 geborene Kläger stand seit dem 01.08.2012 in einem Arbeitsverhältnis mit der A. Die A beschäftigte den Kläger seit dem 09.12.2013 gemäß Änderungsvertrag vom 06.12.2013 (Anlage K4, Blatt 27 folgend der Akte) entsprechend der Tätigkeit im Einsatzbetrieb als Anlagenfahrer. Sie verlieh den Kläger vom 09.12.2013 bis zum 31.05.2018 durchgehend ohne Unterbrechung im Wege der Arbeitnehmerüberlassung an die Beklagte.
Die Parteien schlossen unter dem 13./20.03.2018 den als Anlage K7 zur Klageschrift vorgelegten Arbeitsvertrag ab (Blatt 32 bis 40 der Akte). Ausweislich Ziffer 1 des Arbeitsvertrags wurde der Kläger ab dem 01.06.2018 als Anlagenfahrer II befristet bis zum 31.05.2020 eingestellt. In Ziffer 4 des Arbeitsvertrages werden die für die Beklagte normativ geltenden Tarifverträge in ihrer jeweils gültigen Fassung für auf das Arbeitsverhältnis der Parteien anwendbar erklärt; derzeit seien dies die Tarifverträge der chemischen Industrie.
Der Manteltarifvertrag für die chemische Industrie Ost vom 17.03.1994 in der Fassung vom 22.11.2019 (MTV; Anlage K14, Blatt 57 fortfolgende der Akte) gilt ausweislich seines § 1 Ziffer 1 räumlich unter anderem für das Land Brandenburg und regelt unter § 11 ("Beginn und Ende des Arbeitsverhältnisses") Abschnitt II ("Probezeit und befristete Arbeitsverhältnisse") Ziffer 3, dort Absatz 2, das Folgende:
"Befristete (...) Arbeitsverhältnisse sind im Rahmen der gesetzlichen Vorschriften zulässig, wobei auf der Grundlage von § 14 Abs. 2 Satz 3 TzBfG die zulässige Dauer von ohne Sachgrund befristeten Arbeitsverhältnissen auf bis zu 48 Monate ausgedehnt wird. Die Nutzung des erweiterten Rahmens nach dem TzBfG ist von dem Abschluss einer freiwilligen Betriebsvereinbarung oder der Zustimmung des Betriebsrates im Einzelfall abhängig."
Unter dem 13.03.2018 ließ die Beklagte dem Kläger eine "Übersicht zu betrieblichen und tarifvertraglich vereinbarten Leistungen (...)" zukommen (Anlage K8, Blatt 41 der Akte).
Unter dem 20.04.2020 vereinbarten die Parteien, das zwischen ihnen bestehende, bis zum 31.05.2020 befristete Arbeitsverhältnis ohne Unterbrechung bis zum 31.03.2021 zu verlängern (Anlage K9, Blatt 45 der Akte). Der bei der Beklagten gebildete Betriebsrat hatte der Verlängerung unter dem 03.04.2020 zugestimmt (Anlage B1 zum erstinstanzlichen Schriftsatz der Beklagten vom 01.12.2022, Blatt 149 folgend der Akte) und genehmigte die Verlängerung nochmals unter dem 11.08.2022 (Anlage B2, Blatt 151 der Akte).
Unter dem 19./30.01.2021 vereinbarten die Parteien eine weitere Verlängerung des Arbeitsverhältnisses bis zum 31.05.2022 (Anlage K10, Blatt 46 der Akte). Der Betriebsrat hatte sich hiermit am 15.01.2021 einverstanden erklärt (Anlage B3, Blatt 152 der Akte) und genehmigte die Verlängerung nochmals unter dem 11.08.2022 (Anlage B4, Blatt 153 der Akte).
Mit seiner am 21.06.2022 beim Arbeitsgericht Cottbus eingegangenen, der Beklagten am 28.06.2022 zugestellten Klage hat der Kläger, soweit in der Berufungsinstanz noch von Bedeutung, die Wirksamkeit der zwischen den Parteien vereinbarten Befristung angegriffen.
Er hat gemeint, aufgrund der Überschreitung der gesetzlich zulässigen Überlassungshöchstdauer sei bereits vor dem 01.06.2018 ein unbefristetes Arbeitsverhältnis zwischen den Parteien zustande gekommen. Auch nach der alten Fassung des Arbeitnehmerüberlassungsgesetzes (AÜG) habe die Überlassung nur vorübergehend erfolgen dürfen. Zwar sehe das AÜG erst seit dem 01.04.2017 eine zeitlich bestimmte Grenze von 18 Monaten sowie erst seither auch als Sanktion für den Fall einer Überschreitung der Überlassungshöchstdauer vor, dass ein Arbeitsverhältnis zwischen Entleiher und Leiharbeitnehmer als zustande gekommen gelte. Auch enthalte die zugrundeliegende Leiharbeitsrichtlinie an sich keinen Anspruch des Leiharbeitnehmers auf Begründung eines Arbeitsverhältnisses mit dem Entleiher. Nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) hätten jedoch die nationalen Gerichte die Aufgabe, klarzustellen, dass nicht mehr nur vorübergehende Überlassungen nicht nur gegen die Richtlinie, sondern auch gegen das AÜG verstießen. Ein Übernahmeanspruch ergebe sich unmittelbar aus dem AÜG. Im Fall des Klägers...