Entscheidungsstichwort (Thema)
Keine automatische Anrechnung von Zwischenverdienst bei unwiderruflicher Freistellung. Keine böswillige Unterlassung bei nachweislichem Bemühen um neue Arbeitsstelle
Leitsatz (redaktionell)
Eine Anrechnung von Zwischenverdienst bei erfolgter Freistellung findet nur bei vertraglicher Vereinbarung statt.
Normenkette
BGB § 611 Abs. 1, § 615 S. 2, § 397; ZPO § 263 Abs. 3
Verfahrensgang
ArbG Potsdam (Entscheidung vom 29.07.2020; Aktenzeichen 6 Ca 1014/19) |
Tenor
I. Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Potsdam vom 29.07.2020 - 6 Ca 1014/19 - wird zurückgewiesen.
II. Das Urteil des Arbeitsgerichts Potsdam vom 29.07.2020 - 6 Ca 1014/19 - wird hinsichtlich der Ziff. 1. für wirkungslos erklärt.
III. Von den Kosten des Rechtsstreits der 1. Instanz haben die Beklagte bei einem Streitwert von 53.942,88 EUR 20 % und die Klägerin 80. % zu tragen. Hinsichtlich der Kosten des Rechtsstreits der 2. Instanz bei einem Streitwert von 48.048,80 EUR haben die Beklagte 23 % und die Klägerin 77 % zu tragen.
IV. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Die Parteien streiten - soweit für die hiesige Entscheidung noch von Relevanz - ausschließlich noch über die Zahlung von Arbeitsentgelt für den Zeitraum Oktober 2019 bis Januar 2020 in rechnerisch unstreitiger Höhe von insgesamt 10.525,44 € brutto nebst Zinsen.
Eine ursprünglich erhobene Kündigungsschutzklage ist von der Klägerin erstinstanzlich im Termin am 29.07.2020 zurückgenommen worden. Soweit das Arbeitsgericht Potsdam die Beklagte verurteilt hat, an die Klägerin eine Abfindung i.H.v. 35.523,36 € zu zahlen, hat die Klägerin diesen Teil ihrer Klage vor dem Berufungstermin zurückgenommen, wobei die Beklagte zugestimmt hat. Die von der Beklagten mit der Berufungsbegründungsschrift hilfsweise erhobene Widerklage ist von beiden Parteien vor der hiesigen Entscheidung übereinstimmend für erledigt erklärt worden.
Die Klägerin arbeitete bei der Beklagten seit dem 01.09.1992 als "Krankenschwester im Nachtdienst" in einer Rehabilitationsklinik für Kinder. Sie war ausschließlich im Nachtdienst eingesetzt und hat zuletzt monatlich 2.631,36 € brutto verdient. Mit Schreiben vom 26.06.2019 (Bl. 8 d.A.) kündigte die Beklagte das Arbeitsverhältnis der Klägerin zum 31.01.2020 und stellte sie ab 01.09.2019 unwiderruflich unter Fortzahlung der Vergütung von der Arbeit frei.
Am 10.07.2019, reichte die Klägerin Kündigungsschutzklage beim Arbeitsgericht Potsdam ein, die sie später auch um den hiesigen Zahlungsantrag erweiterte. Mit Schreiben vom 09.07.2019 (Bl. 99f d.A.), welches die Klägerin am 12.07.2019 erhielt, unterbreitete die Beklagte der Klägerin ein Überleitungsangebot zu einem Arbeitsverhältnis bei einem Schwesterunternehmen. Ein modifiziertes Angebot unterbreitete die Beklagte mit Schreiben vom 20.08.2019 (Bl. 76f d.A.). Die Klägerin lehnte beide Angebote ab. Mit Schreiben vom 17.10.2019 (Bl. 203ff d.A.) wies die Beklagte die Klägerin auf verschiedene Stellenangebote des Klinikums Ernst von Bergmann hin und stellte ihr anheim, sich dort kurzfristig um einen Arbeitsplatz zu bewerben. Die Klägerin bewarb sich dort mit einem allgemeinen Bewerbungsschreiben. Die Klinik bot ihr keine Tätigkeit an, die mit der Tätigkeit einer Nachtschwester in einer Rehabilitationsklinik vergleichbar war. Die Klägerin bewarb sich erfolglos um weitere Stellen. Insofern wird auf die Seiten 4f ihres Schriftsatzes vom 10.02.2020 Bezug genommen. Am 01.02.2020 hat sie eine Stelle als Dauernachtwache im A in Potsdam angetreten.
Die Klägerin hat beantragt,
1. ...
2. die Beklagte zu verurteilen, an sie 10.525,44 € brutto nebst Zinsen i.H.v. 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz aus 5.262,72 € seit dem 01.12.2019 und aus 5.262,72 € seit dem 01.02.2020 zu zahlen.
Die Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Die Beklagte hat die Ansicht vertreten, die Klägerin könne nicht mit Erfolg Annahmeverzugslohnansprüche geltend machen, da sie es böswillig unterlassen habe, Verdienst zu erzielen.
Mit Urteil vom 29.07.2020 hat das Arbeitsgericht Potsdam auch der Vergütungsklage stattgegeben. Die Beklagte müsse die Vergütung gemäß §§ 611, 615 BGB i.V.m. dem Arbeitsvertrag zahlen. Zwischenverdienst sei nicht erzielt worden. Die Klägerin habe einen solchen Verdienst auch nicht böswillig unterlassen. Die beiden unterbreiteten Übernahmeangebote seien nicht vertragsgemäß gewesen.
Auch hiergegen richtet sich die Berufung der Beklagten. Sie hält an ihren erstinstanzlich geäußerten Rechtsauffassungen fest und ist deswegen der Ansicht, dass das erstinstanzliche Urteil fehlerhaft sei. Es liege kein Annahmeverzug vor. Da die Klägerin die Übernahmeangebote abgelehnt habe, werde ersichtlich, dass sie in der Zwischenzeit nicht leistungswillig gewesen sei. Jedenfalls habe sie möglichen Zwischenverdienst böswillig unterlassen. Im Gegensatz zur Rechtsauffassung des Arbeitsgerichts komme es nicht darauf an, dass das unterbreitete Arbeitsangebot vertragsgemäß sein müsse. Es liege auch kein Erlas...