Entscheidungsstichwort (Thema)
Kein Entschädigungsanspruch bei missbräuchlicher Bewerbung. Rechtsmissbrauchseinwand bei Entschädigungsanspruch nach AGG. Rechtsmissbräuchliche Bewerbung mangels ernsthafter Stellenabsicht. Kein Schadensersatz bei nur formellem Bewerbungsstatus
Leitsatz (amtlich)
1. Das Entschädigungsverlangen eines / einer erfolglosen Bewerbers / Bewerberin nach § 15 Abs. 2 AGG kann dem durchgreifenden Rechtsmissbrauchseinwand (§ 242 BGB) ausgesetzt sein.
2. Rechtsmissbrauch ist anzunehmen, sofern diese Person sich nicht beworben hat, um die ausgeschriebene Stelle zu erhalten, sondern es ihr darum ging, nur den formalen Status als Bewerber/in im Sinn von § 6 Abs. 1 Satz 2 AGG zu erlangen mit dem ausschließlichen Ziel, Ansprüche auf Entschädigung und / oder Schadenersatz geltend zu machen (im Anschluss an BAG 31. März 2022 - 8 AZR 238/21 - Randnummer 37; 25. Oktober 2018 - 8 AZR 562/16 - Randnummer 46 ff; 26. Januar 2017 - 8 AZR 848/13 - Randnummer 123 ff mit weiteren Nachweisen).
Normenkette
BGB § 242; AGG § 6 Abs. 1, § 7 Abs. 1, § 15 Abs. 2; ZPO § 97 Abs. 1
Verfahrensgang
ArbG Berlin (Entscheidung vom 23.06.2022; Aktenzeichen 42 Ca 10434/21) |
Tenor
I. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Berlin vom 23. Juni 2022 - 42 Ca 10434/21 - wird auf seine Kosten zurückgewiesen.
II. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Die Parteien streiten darüber, ob der Beklagte verpflichtet ist, dem Kläger eine Entschädigung nach § 15 Absatz 2 AGG (Allgemeines Gleichbehandlungsgesetz) wegen einer Benachteiligung wegen des Geschlechts zu zahlen.
Der Beklagte betreibt ein Umzugsunternehmen in Berlin. Über einen Account mit Bezug zum Beklagten wurde auf dem Portal eBay-Kleinanzeigen eine Stellenanzeige veröffentlicht, wonach der Beklagte eine Sekretärin sucht. Dieses Portal ermöglicht eine elektronische Kontaktaufnahme. Der 1994 geborene Kläger, der jedenfalls im August 2021 in A wohnte und auch jetzt in A wohnt, meldete sich am 29. August 2021 auf diese Stellenanzeige. Zu diesem Zeitpunkt war der Kläger arbeitsuchend und verbrachte einen Urlaub in Ägypten. Der Inhalt der vom Kläger am 29. August 2021 über das Portal eBay-Kleinanzeigen verfassten E-Mail lautet:
"Hallo wie heißt ihre Firma und die Anschrift damit man sich bewerben kann?"
Er erhielt noch am gleichen Tag folgende Antwort:
"B Umzüge, Inh. C, D-str. , ... Berlin. Da es dringend ist, wird der tel. Kontakt bevorzugt."
Am 2. September 2021 versandte der Kläger über den Account mit Bezug auf den Beklagten bei eBay-Kleinanzeigen eine E-Mail mit folgendem Inhalt:
"Hallo, ich habe gerade auf Ebay Kleinanzeigen ihre Stellenausschreibung gefunden, womit Sie eine Sekretärin suchen. Ich suche derzeit eine neue Wohnung im Umkreis und habe Interesse an Ihrer Stelle. Ich habe Berufserfahrung im Büro und kenne mich mit Word und Excel und Gesetzen gut aus. Lieferscheine und Rechnungen kann ich auch schreiben und sonst typische Arbeiten einer Sekretärin, die Sie fordern.
Ich bewerbe mich hiermit auf ihrer Stelle.
Suchen Sie nur ausschließlich eine Sekretärin, also eine Frau? In ihrer Stellenanzeige haben Sie dies so angegeben.
Ich habe eine kaufmännische abgeschlossene Ausbildung als Industriekaufmann und suche derzeit eine neue Herausforderung.
Über eine Rückmeldung würde ich mich sehr freuen.
Ich wäre ab sofort verfügbar.
Mit freundlichen Grüßen Herr E."
In einer weiteren Nachricht im unmittelbaren Anschluss an die zuvor zitierte Nachricht fügte der Kläger hinzu:
"Ich bin leider noch im Ausland im Urlaub und kann von hieraus keine Anrufe tätigen."
Bewerbungsunterlagen hatte der Kläger seiner E-Mail nicht beigefügt.
Mit E-Mails vom 2. September 2021 erhielt der Kläger die folgende Rückmeldung:
"Es wird lediglich eine Frau als Sekretärin gesucht. Der Geschäftsführer möchte es so. Sorry."
"Sie müssen niemanden anrufen Herr E. Die Firma möchte ausschließlich eine weibliche Sekretärin."
Mit seiner am 19.Oktober 2021 beim Arbeitsgericht eingegangenen und dem Beklagten am 23. Oktober 2021 zugestellten Klage hat der Kläger einen Anspruch auf Entschädigung geltend gemacht.
Der Kläger hat im Wesentlichen vorgetragen: Der Beklagte habe ihn aufgrund des Geschlechts diskriminiert, da er ausschließlich eine Frau habe einstellen wollen und ihn nicht zu einem Bewerbungsgespräch eingeladen habe, obwohl er gut qualifiziert sei. Der Beklagte habe über das Portal eBay-Kleinanzeigen die Stelle als Sekretärin ausgeschrieben. Er habe mit dem Beklagten persönlich in Verbindung gestanden. Sämtliche Nachrichten über eBay-Kleinanzeigen würden jedem Nutzer auch in sein E-Mail-Postfach gesondert zugestellt. Der Profilname "C" sei aus den beigefügten Unterlagen - der Kläger hat insoweit Ausdrucke eingereicht, auf die Bezug genommen wird (Blatt 41 bis 42 der Akte und Blatt 56 bis 60 der Akte) - ersichtlich. Er habe somit Kontakt mit dem Beklagten und nicht mit einer Mitarbeiterin des Beklagten gehabt. Jedenfalls habe es entsprechende Anweisungen vom Inhaber an seine Mitarbeiter gegeben, bei d...