Entscheidungsstichwort (Thema)
Haftung des Arbeitgebers wegen unterbliebener Aufklärung über die Pflicht zur Abgabe einer Steuererklärung im Rahmen der Altersteilzeit
Leitsatz (amtlich)
Der Arbeitgeber muss grundsätzlich nicht dafür einstehen, dass ein Arbeitnehmer im Vertrauen auf einen Mindestnettobetrag bei der Altersteilzeit keine Steuererklärung abgibt und deshalb Jahre später mit erheblichen Zinszahlungen belastet wird.
Normenkette
EStG §§ 32b, 46 Abs. 2 Nr. 1
Verfahrensgang
ArbG Berlin (Entscheidung vom 01.09.2016; Aktenzeichen 58 Ca 6876/16) |
Tenor
I. Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Berlin vom 1. September 2016 - 58 Ca 6876/16 wird zurückgewiesen.
II. Die Klägerin trägt die Kosten der Berufung.
III. Der Gebührenwert des Berufungsverfahrens wird auf 2.991,00 EUR festgesetzt.
IV. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Die Klägerin begehrt von der Beklagten im Wege des Schadenersatzes die Erstattung von Zinsen, die das Finanzamt von ihr wegen der verspäteten Abgabe der Steuererklärungen 2008 bis 2010 verlangt.
Die Klägerin ist die Witwe des am 29. Dezember 2010 verstorbenen W. P.. W. P. war am 6. Oktober 1952 geboren und vom 3. Juli 1972 bis zu seinem Tod bei der Beklagten als Elektromechaniker und Signalmechaniker beschäftigt.
Am 11. Juli 2006 fand ein Gespräch zwischen Herrn P. und der Mitarbeiterin M. A. aus der Personalabteilung der Beklagten statt. Im Rahmen dieses Gespräches wurde ein vorformulierter "Arbeitsbogen Altersteilzeit" ausgefüllt und von beiden unterzeichnet. Es wurde festgehalten, dass der Kläger Altersteilzeit im Blockmodell anstrebe, ein Zeitraum aber noch nicht festgelegt sei. Unter anderem ist in diesem Bogen ausgeführt:
Der monatliche Mindestnettobetrag wurde unter den aktuellen Gegebenheiten ermittelt. Nach derzeitigem Stand würde er monatlich 1.680,24 EUR betragen. In diesem Zusammenhang wird besonders auf Progressionsvorbehalt gemäß § 32 Einkommensteuergesetz hingewiesen.
Der Progressionsvorbehalt war und ist zwar in § 32 b EStG geregelt, aber jedenfalls bedeutet dieser, dass die steuerfreien Aufstockungsbeträge zur Altersteilzeitvergütung fiktiv dem Einkommen hinzugerechnet werden und sich dadurch der individuelle Steuersatz erhöhen kann, da mit einem höheren Einkommen der individuelle Steuersatz steigt.
Unter dem 28. November 2006 schlossen Herr W. P. und die Beklagte einen Altersteilzeitvertrag. Nach diesem sollte das Arbeitsverhältnis der Parteien vom 1. November 2007 bis zum 31. Oktober 2017 als Altersteilzeitverhältnis durchgeführt werden und zwar mit einer Arbeitsphase vom 1. November 2007 bis 31. Oktober 2012 und einer Freistellungsphase vom 1. November 2012 bis 31. Oktober 2017. Es wurden Aufstockungsleistungen der Beklagten in Höhe von 20% der dem Kläger zustehenden Bezüge zuzüglich des darauf entfallenden sozialversicherungspflichtigen Teils der von der Beklagten zu tragenden Umlage zur Zusatzversorgungseinrichtung, mindestens jedoch 83% des bisherigen Nettoentgelts vereinbart.
Nach dem Tod des Ehemannes der Klägerin hatte die Beklagte das Altersteilzeitverhältnis rückabgewickelt und einen Nachzahlungsbetrag von 30.861,37 EUR brutto ermittelt. Nach Abzug von 150,-- EUR Einkommensteuern und den Sozialabgaben erhielt die Klägerin eine entsprechende Entgeltabrechnung und eine restliche Summe von 26.586,02 EUR netto. Der niedrige Steuersatz war dem Umstand geschuldet, das es sich um Arbeitslohn für mehrere Jahre handelte, der nach §§ 34, 24 Nr. 1 a EStG steuerlich privilegiert wird.
Die Beklagte hatte zur Altersteilzeitvergütung jeweils entsprechend den seinerzeit noch üblichen Monats-Lohnsteuertabellen die "normale" Lohnsteuer auf den Arbeitslohn des W. P. an das Finanzamt abgeführt, ohne jedoch den Progressionsvorbehalt zu berücksichtigen.
Im November 2015 wurde die Klägerin vom Finanzamt für die Jahre 2008 bis 2010 zur Abgabe der Einkommensteuererklärungen aufgefordert und letztlich für nicht ausreichend gezahlte Steuern in den Jahren 2008 bis 2010 in Anspruch genommen.
- Nach dem Einkommensteuerbescheid 2008 vom 15. Dezember 2015 sollte die Klägerin Einkommensteuer in Höhe von 2.879,00 EUR, Solidaritätszuschlag in Höhe von 170,77 EUR und Zinsen in Höhe von 969,00 EUR zahlen (0,5% je Verspätungsmonat auf die gerundete Steuersumme (68 Monate = 34%).
- Nach dem Einkommensteuerbescheid 2009 vom 15. Dezember 2015 sollte die Klägerin Einkommensteuer in Höhe von 3.036,00 EUR, Solidaritätszuschlag in Höhe von 184,47 EUR und Zinsen in Höhe von 840,00 EUR zahlen (0,5% je Verspätungsmonat auf die gerundete Steuersumme (56 Monate = 28%).
- Nach dem geänderten ursprünglich ebenfalls unter dem 15. Dezember 2015 erstellten Einkommensteuerbescheid 2010 vom 25. Januar 2016 sollte die Klägerin Einkommensteuer in Höhe von 5.260,00 EUR, Solidaritätszuschlag in Höhe von 305,30 EUR und Zinsen in Höhe von 1155,00 EUR zahlen (0,5% je Verspätungsmonat auf die gerundete Steuersumme (44 Monate = 22%).
Die Klägerin trägt vor, dass weder sie noch ihr verstorbener Ehemann zuv...