Entscheidungsstichwort (Thema)
Gleichheitswidrige Stichtagsregelung
Leitsatz (amtlich)
1. Die Parteien eines Haustarifvertrags können durch Nachholung einer Stichtagsregelung Ansprüche, die sich für eine Arbeitnehmergruppe bisher nur wegen Fortgeltung der Entlohnungsgrundsätze aufgrund einer Verletzung des Mitbestimmungsrechts ergeben haben, für die Zukunft verschlechtern.
2. Dagegen ist es mit dem Gleichheitssatz aus Art. 3 Abs. 1 GG nicht vereinbar, diese Beschäftigtengruppe auch im Verhältnis zu solchen Arbeitnehmern schlechter zu stellen, die erst unter der Geltung des Haustarifvertages neu eingestellt werden.
Normenkette
GG Art. 3 Abs. 1; TV-Charité
Verfahrensgang
ArbG Berlin (Urteil vom 28.01.2009; Aktenzeichen 60 Ca 6278/08) |
Tenor
1. Auf die Berufung der Klägerin wird das Urteil des Arbeitsgerichts Berlin vom 28. Januar 2009 – 60 Ca 6278/08 – im Kostenausspruch und insoweit geändert, wie die Klage über einen Betrag von 420,50 EUR brutto hinaus abgewiesen worden ist, und die Beklagte verurteilt, an die Klägerin weitere 1.370,64 EUR brutto nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 04. Dezember 2007 zu zahlen.
2. Die Kosten des Rechtsstreits erster Instanz haben bei einem Streitwert von 1.840,20 EUR die Klägerin zu 22,85 % und die Beklagte zu 77,15 EUR zu tragen, während die Kosten der Berufungsinstanz bei einem Streitwert von 1.507,05 EUR von der Klägerin zu 9,05 % und von der Beklagten zu 90,95 % zu tragen sind.
3. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Die am … 1952 geborene Klägerin trat am 01. Februar 2001 als Krankenschwester in die Dienste der Rechtsvorgängerin der Beklagten. Ihr Arbeitsverhältnis war zunächst wiederholt befristet. Bis September 2007 bezog die Klägerin aufgrund arbeitsvertraglicher Bezugnahme und ihrer Beschäftigung im Beitrittsgebiet eine Vergütung nach VergGr. Vc Altersstufe 41 BAT-O, seitdem wegen Versetzung in den Westteil der Stadt und gleichzeitiger Übertragung einer höherwertigen Tätigkeit Vergütung nach VergGr. Vb Altersstufe 45 BAT.
Die Tarifbindung der Beklagten endete 2003 infolge Austritts aus dem Arbeitgeberverband. Bei Neueinstellungen ab 01. April 2004 wurde die Vergütung unter Berücksichtigung von Grundvergütung, allgemeiner Zulage und Ortszuschlag gemäß BAT/BAT-O als Festbetrag vereinbart, während die Tarifverträge über ein Urlaubsgeld und eine Zuwendung nicht mehr in Bezug genommen wurden. Dementsprechend traf die Beklagte mit der Klägerin für die Zeit ab 01. April 2005 bis 31. März 2007 eine weitere Befristungsabrede (Ablichtung Bl. 21-23 d.A.), nach deren § 5 „die übrigen den BAT-O ergänzenden Tarifverträge … auf das Arbeitsverhältnis nicht angewendet” werden sollten. Im daran anschließenden Vertrag vom 02. April 2007 (Ablichtung Bl. 25-27 d.A.) für die Zeit vom 01. April 2007 bis 30. November 2008 heißt es in § 6:
„Soweit dieser Vertrag nichts Abweichendes regelt bestimmt sich das Arbeitsverhältnis nach dem Tarifvertrag für den öffentlichen Dienst (TVöD) und dem TVöD Besonderer Teil Krankenhäuser in der jeweiligen Fassung und den ergänzenden, ändernden oder ersetzenden Tarifverträgen sowie dem Eckpunktepapier vom 18.10.2006 ver.di/Charité.
Außerdem finden die für den Arbeitgeber jeweils geltenden sonstigen einschlägigen Tarifverträge Anwendung.”
Mit einer Klage vom 12. April 2007 wandte sich die Klägerin gegen die Befristung ihres Arbeitsverhältnisses und begehrte zugleich Urlaubsgeld für 2005 und 2006 sowie die Zuwendung für die Jahre 2004 bis 2006. Der Rechtsstreit wurde durch Prozessvergleich vom 5. Oktober 2007 folgenden Inhalts beigelegt:
- „Es besteht Einigkeit, dass zwischen den Parteien über den 30. November 2008 hinaus ein unbefristetes Arbeitsverhältnis besteht und dieses ungekündigt ist. Die Bedingungen des Arbeitsverhältnisses ergeben sich aus dem Arbeitsvertrag vom 02. April 2007, soweit nicht in diesem Vergleich etwas anderes bestimmt wird.
- Die Parteien sind sich ferner darüber einig, dass der in „Eckpunkten” vorliegende unter dem 18. Oktober 2006 zwischen der Beklagten und der Gewerkschaft Ver.di vereinbarte Haustarifvertrag nach seinem Inkrafttreten auf das Arbeitsverhältnis der Parteien Anwendung finden wird. Insbesondere gilt dies für die in den Eckpunkten vorgesehenen Zuwendungen/Jahressonderzahlungen ab 2007.
- Die Beklagte verpflichtet sich, ohne Anerkennung einer Rechtspflicht über den vorliegenden Fall hinaus, an die Klägerin zur Abgeltung der Klageforderung 800,00 EUR brutto (achthundert) zu zahlen.
- Mit diesem Vergleich ist der vorliegende Rechtsstreit erledigt.”
Das unter Nr. 2. des Prozessvergleichs angesprochene Eckpunktepapier (Ablichtung Bl. 34 und 35 d. A.) lautete unter Nr. 5:
„Die Zuwendung nach ZuwendungsTV beträgt ab 2007 (in v.H. der bisher gezahlten Zuwendung):
|
West |
Ost |
AVR |
2007 |
63% + 250 EUR EZ |
63 % + 100 EUR EZ |
10 % |
2008 |
63 % |
63 % |
20 %” |
„Mit Wirkung zum 18. Dezember 2007 schloss die Beklagte mit der Gewerkschaft ver.di den Tarifvertrag für die Charité-Universitätsmedizin Berlin (TV-Charité). Dieser ...