Entscheidungsstichwort (Thema)
Weiterbeschäftigungsanspruch. Einstweilige Verfügung. Wegfall des Arbeitsplatzes
Leitsatz (amtlich)
1. Im einstweiligen Verfügungsverfahren auf Weiterbeschäftigung gem. § 102 Abs. 5 BetrVG bedarf es der Darlegung und Glaubhaftmachung von Tatsachen, die einen Verfügungsgrund belegen sollen, nicht, weil durch die Nichtbeschäftigung zeitabschnittsweise ein endgültiger Rechtsverlust droht (Anschluss an LAG Berlin vom 16.09.2004 – 10 Sa 1763/04).
2. Einer Verurteilung zur Weiterbeschäftigung zu unveränderten Bedingungen kann deren Unmöglichkeit, etwa wegen Wegfalls des Arbeitsplatzes, entgegenstehen.
3. Auf einen solchen Wegfall kann sich der Arbeitgeber im Verfahren nach § 102 Abs. 5 BetrVG nicht berufen, wenn sich der Widerspruch des Betriebsrates gerade darauf bezieht, dass im Rahmen der Sozialauswahl dem gekündigten Arbeitnehmer, dessen zuletzt innegehabter Arbeitsplatz unstreitig weggefallen ist, ein im Betrieb noch vorhandener Arbeitsplatz hätte angeboten werden müssen.
Normenkette
BetrVG § 102 Abs. 5
Verfahrensgang
ArbG Berlin (Beschluss vom 15.01.2010; Aktenzeichen 55 Ga 494/10) |
Tenor
I. Auf die sofortige Beschwerde der Antragstellerin wird der Beschluss des Arbeitsgerichts Berlin vom 15.01.2010 – 55 Ga 494/10 – geändert:
Die Antragsgegnerin wird verurteilt, die Antragstellerin bis zum rechtskräftigen Abschluss des Kündigungsrechtsstreits vor dem Arbeitsgericht Berlin zum Az. 55 Ca 13441/09 zu unveränderten Arbeitsbedingungen als Assistentin am Standort Berlin weiterzubeschäftigen.
II. Die Kosten des Verfahrens werden der Antragsgegnerin auferlegt.
Tatbestand
Die Antragstellerin begehrt im Weg des einstweiligen Verfügungsverfahrens gegenüber der Antragsgegnerin die Weiterbeschäftigung bis zum Abschluss des zwischen den Parteien vor dem Arbeitsgericht Berlin anhängigen Kündigungsschutzverfahrens auf der Grundlage der Vorschrift des § 102 Abs. 5 BetrVG.
Die Antragsgegnerin, die in ihrem Berliner Betrieb Umstrukturierungsmaßnahmen vorgenommen hat, hörte den bei ihr gebildeten Betriebsrat mit Schreiben vom 15.06.2009 zur beabsichtigten ordentlichen Kündigung der seit dem 11.02.1980 als Teamassistentin beschäftigen Antragstellerin an. Mit Schreiben vom 23.06.2009 (Bl. 14 d. A.) widersprach der Betriebsrat der geplanten Kündigung der Antragstellerin mit der Begründung, dieser sei aufgrund der „Sozialpunkte” die eine – unstreitig – verbleibende Assistenzstelle anzubieten gewesen und im Hinblick auf die Sozialpunkteliste sei der Antragstellerin nicht zu kündigen. Die Mitteilung (Bl. 14 d. A.) ist durch die Betriebsratsvorsitzende unterschrieben.
Gegen die sodann am 26.06.2009 ausgesprochene ordentliche Kündigung zum 31.01.2010 hat die Klägerin – rechtzeitig i. S. v. § 7 KSchG – gemäß § 4 KSchG Klage erhoben.
Mit Schreiben vom 9.12.2009 hat sie gegenüber der Antragsgegnerin eine Weiterbeschäftigung geltend gemacht, nachdem diese zuvor eine Freistellung ausgesprochen hatte.
Am 12.01.2010 ist beim Arbeitsgericht der vorliegende Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung auf Weiterbeschäftigung bis zum Abschluss des Kündigungsschutzverfahrens eingegangen; die Antragstellerin hat sich dabei auf die Vorschrift des § 102 Abs. 5 BetrVG berufen.
Mit Beschluss vom 15.01.2010 hat das Arbeitsgericht den Antrag zurückgewiesen. Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt, der Antragstellerin stehe ein Verfügungsgrund nicht zur Seite, da sie eine künstliche Eilbedürftigkeit der Sache selbst dadurch herbeigeführt habe, dass sie es unterlassen habe, in dem Kündigungsschutzverfahren vor dem Arbeitsgericht Berlin im Wege der Klagehäufung einen Leistungsantrag auf vorläufige Weiterbeschäftigung zu stellen. Die Kündigungsschutzklage sei seit dem 25. Juli 2009 rechtshängig. Auch habe die Antragstellerin die Weiterbeschäftigung nicht gegenüber der Arbeitgeberin begehrt, dies sei weder in ihrem Widerspruch nach § 3 Kündigungsschutzgesetz unter dem 9. Juli 2009 noch in ihrer Kündigungsschutzklage erfolgt. Hierdurch sei verhindert worden, dass die Antragsgegnerin sich zu dem Weiterbeschäftigungsbegehren habe positionieren müssen, was wiederum dazu geführt habe, dass die Antragsgegnerin keine Veranlassung zu sehen habe brauchen, ihrerseits ein Verfahren auf Erlass einer einstweiligen Verfügung nach § 102 Abs. 5 Satz 2 BetrVG zu bedenken und ggf. rechtshängig zu machen. Erst nach Erhalt der Freistellungserklärung am 8. Dezember 2009 habe die Antragstellerin ihre diesbezüglichen Rechte geltend gemacht. Spätestens zu diesem Zeitpunkt sei eine Klageerweiterung im Kündigungsschutzverfahren veranlasst gewesen. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Entscheidungsgründe (Bl. 38 ff. d. A.) Bezug genommen.
Gegen diesen am 19.01.2010 zugestellten Beschluss richtet sich die sofortige Beschwerde der Antragstellerin, mit der sie die Beschlussgründe des Arbeitsgerichts mit Rechtsausführungen angreift.
Mit Beschluss vom 18.02.2010 hat das Arbeitsgericht der sofortigen Beschwerde nicht abgeholfen und sie dem Landesarbeitsg...