Entscheidungsstichwort (Thema)
Streik um Verbandstarifvertrag gegen OT-Mitglied
Leitsatz (amtlich)
Zur Rechtmäßigkeit eines gegen ein Mitglied eines Arbeitgeberverbandes ohne Tarifbindung geführten eintägigen Warnstreiks
Normenkette
GG Art. 9 Abs. 3
Verfahrensgang
ArbG Berlin (Urteil vom 07.01.2010; Aktenzeichen 33 Ca 14015/09) |
Tenor
I. Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Berlin vom 07.01.2010 – 33 Ca 14015/09 – wird auf ihre Kosten zurückgewiesen.
II. Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
Die Parteien streiten darüber, ob die beklagte Gewerkschaft der Klägerin, die ein Unternehmen im Bereich pharmazeutischer Verpackungen betreibt, Schadensersatz wegen des Aufrufs zu einem aus Sicht der Klägerin rechtswidrigen Warnstreik am 29. Mai 2009 im Zuge der mit dem Arbeitgeberverband Druck und Medien H. e. V. um eine Lohn- und Gehaltserhöhung für die Beschäftigten der Druckindustrie geführten Arbeitskampf schuldet.
Die Beklagte kündigte den mit dem Arbeitgeberverband Druck und Medien H. e. V. geschlossenen Entgelttarifvertrag unter dem 19. Februar 2009 zum 31. März 2009. Zum 30. März 2009 wechselte die Klägerin gem. § 3 Abs. 3 der Satzung des Arbeitgeberverbandes Druck und Medien H. e. V. (Anlage K2, Bl. 45 – 63 d. A.) von einer Mitgliedschaft mit Tarifbindung in eine Mitgliedschaft ohne Tarifbindung in diesem Arbeitgeberverband und begründete zum 1. Mai 2009 eine ordentliche Mitgliedschaft mit Tarifbindung in dem Arbeitgeberverband Papier, Pappe und Kunststoff verarbeitende Unternehmen Mitte e. V.
Unter dem 19. Mai 2009 teilte der Verband Papier, Pappe und Kunststoff verarbeitende Unternehmen Mitte e. V. der Beklagten u. a. folgendes mit:
„Die Firma Ch. N.-I. GmbH war bis Ende März dieses Jahres ordentliches Mitglied des Landesverbandes Druck und Medien. Das Unternehmen hat eine Umwandlung der Mitgliedschaft in eine solche ohne Tarifbindung beantragt und erhalten. Zugleich hat das Unternehmen beim VPU einen Antrag auf ordentliche Mitgliedschaft ab 01.05.2009 gestellt, dem zwischenzeitlich stattgegeben wurde. Die Firma Ch. N.-I. GmbH hat uns ausdrücklich mit der Wahrnehmung ihrer Interessen beauftragt.”
Wegen des weiteren Inhalts des Schreibens wird auf Anlage K3 (Bl. 64 d. A.) verwiesen.
Am 22. Mai 2009 fand ein Treffen zwischen dem Geschäftsführer der Klägerin sowie dem Geschäftsführer des Arbeitgeberverbandes Papier, Pappe und Kunststoff verarbeitende Unternehmen Mitte e. V. auf der einen Seite und dem Landesfachbereichsleiter Bereiche Medien, Kunst, Industrie im Landesbezirk H. der Beklagten und dem Bezirkssekretär der Beklagten auf der anderen Seite statt. In diesem Gespräch wurde die Beklagte auf den Statuswechsel hingewiesen.
Mit Schreiben vom 27. Mai 2009, wegen dessen Inhalt im Einzelnen auf Anlage K4 (Bl. 67 – 68 d. A.) verwiesen wird, teilte die Beklagte der Klägerin u. a. Folgendes mit:
„… Mit Schreiben des Verbandes Papier, Pappe Kunststoff Verarbeitende Unternehmen Mitte e. V. (vpu Mitte) vom 19. Mai 2009 haben wir Kenntnis davon erlangt, dass Sie seit 1. April 2009 Mitglied im Landesverband Druck und Medien ohne Tarifbindung (OT) sein sollen. Im selben Schreiben haben wir davon Kenntnis bekommen, dass Sie seit 1.5.2009 ordentliches Mitglied im Verband Papier, Pappe und Kunststoff Verarbeitende Unternehmen Mitte geworden sein sollen. Eine Bestätigung durch unseren bisher für Sie zuständigen Tarifvertragspartner liegt uns bisher nicht vor.
…
Nach aktueller OT-Rechtsprechung (Blitzaustritt/Blitzwechsel usw.) werden Sie an das Tarifergebnis der Druckindustrie gebunden sein…”
Die Beklagte rief die Beschäftigten der Klägerin mit dem Streitkaufruf (Anlage K5, Bl. 69 d. A.) zum Warnstreik für den 29. Mai 2009 von 06:00 Uhr bis 22:00 Uhr auf, um eine Lohn- und Gehaltserhöhung von 5 % für die Beschäftigten in der Druckindustrie durchzusetzen. Die Belegschaft der Klägerin folgte dem Streikaufruf überwiegend, so dass die Klägerin ihre Produktion am 29. Mai 2009 nicht aufnehmen konnte.
Mit dem Schreiben vom 28. Oktober 2009 (Anlage B4, Bl. 212 d. A.) teilte der Arbeitgeberverband Druck und Medien H. e. V. der Beklagte u. a. folgendes mit:
„… auf Wunsch des Geschäftsführers unseres obigen Mitgliedsunternehmens, Herrn …, setzen wir Sie in Kenntnis, dass das Unternehmen mit Wirkung vom 30.3.2009 in die nach unserer Satzung mögliche Mitgliedschaft ohne Tarifbindung gewechselt ist.”
Mit der am 29. Juli 2009 bei dem Arbeitsgericht Berlin eingegangenen Klage hat die Klägerin einen Schadensersatzanspruch in Höhe von 35.835,47 EUR gegen die Beklagte geltend gemacht und den Streik wegen der fehlenden Tarifbindung und der ausreichenden Transparenz ihres Wechsels in die OT-Mitgliedschaft bereits vor Ablauf der Friedenspflicht und der Aufnahme der Tarifverhandlungen für rechtswidrig gehalten.
Die Klägerin hat erstinstanzlich beantragt,
die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin 35.835,47 EUR nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen.
Die Beklagte hat Klageabwei...