Entscheidungsstichwort (Thema)
Teilkündigung. Abgeltung von zusätzlicher Arbeitsbereitschaft durch Grundvergütung
Leitsatz (redaktionell)
1. Grundsätzlich ist eine Teilkündigung unzulässig. Anders liegen die Dinge, wenn das Recht zur Teilkündigung einer Zusatzabrede tarifvertraglich geregelt ist, sofern das Äquivalenz- und Ordnungsgefüge des Arbeitsverhältnisses dadurch nicht gestört wird, womit zugleich das Erfordernis einer Billigkeitskontrolle nach § 315 BGB entfällt. Statthaft ist eine Teilkündigung insbesondere dann, wenn ein Vertragsverhältnis auf mehreren Teilverträgen beruht und diese nach einem Gesamtbild jeweils als selbständig lösbar aufgefasst werden müssen.
2. § 85 Abs. 1 Nr. 2 PersVG BE 2004 erfasst lediglich die Anordnung von Mehrarbeit und Überstunden, nicht aber deren Wegfall.
3. Die Verlängerung der Arbeitszeit gemäß § 2 Abs. 2 S. 2 des Tarifvertrags zur Ergänzung des Anwendungs-TV Land Berlin für den Bereich der Schulhausmeister/innen vom 20. April 2007 (TV SHM) bedeutet nicht, dass die Arbeitsbereitschaft zur regelmäßigen Arbeitszeit hinzutritt. Vielmehr wird sie deren Bestandteil und ist demzufolge durch die Grundvergütung abgegolten.
Normenkette
KSchG § 2 S. 1; PersVG Bln TV Schulhausmeister/innen Land Berlin § 85 Abs. 1 Nrn. 1-2, § 87 Nr. 3
Verfahrensgang
ArbG Berlin (Urteil vom 01.10.2008; Aktenzeichen 56 Ca 7674/08) |
Tenor
1. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Berlin vom 01.10.2008 – 56 Ca 7674/08 – wird auf seine Kosten zurückgewiesen.
2. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Die Parteien streiten über die Kündigung einer Zusatzvereinbarung und restliche Arbeitsvergütung.
Der am … 1970 geborene, verheiratete und einem Kind unterhaltspflichtige Kläger wird im Anschluss an seine Tätigkeit im Polizeidienst seit dem 01. Juni 2005 auf der Grundlage eines auf diesen Monat datierten Arbeitsvertrags vom Beklagten als Schulhausmeister beschäftigt.
Gemäß § 2 des Tarifvertrags zur Ergänzung des Anwendungs-TV Land Berlin für den Bereich der Schulhausmeister/innen (TV Schulhausmeister/innen Land Berlin) vom 20. April 2007 (Abl. Bl. 161-163 d. A.; im Folgenden: TV SHM) betrug seine zu erbringende regelmäßige durchschnittliche Arbeitszeit 37 Stunden, die durch Arbeitsbereitschaft auf durchschnittlich 48 Stunden wöchentlich verlängert werden durfte und dementsprechend auch verlängert wurde. Auf der Grundlage einer ebenfalls am 20. April 2007 zwischen dem Beklagten und dem Landesbezirk Berlin-Brandenburg der Vereinten Dienstleistungsgewerkschaft (ver.di) und der dbb tarifunion getroffenen Vereinbarung zum Arbeits- und Gesundheitsschutz (Abl. Bl. 33-34 d. A.; im Folgenden: VAGS) schlossen die Parteien am 16. Mai 2007 einen Vertrag (Abl. Bl. 32 d. A.), wonach der Kläger einwilligte, zusätzliche Bereitschaftsdienste zu leisten, die abends und am Wochenende anfielen. Arbeitgeberseitig sollte dieser Vertrag aus betrieblichen, insbesondere wirtschaftlichen Gründen mit einer Frist von sechs Wochen zum Ende eines Kalendervierteljahres kündbar sein. Das hieraus erzielte Einkommen des Klägers belief sich auf durchschnittlich rund 660,00 EUR brutto monatlich, während seine Vergütung für die 48 Stunden regelmäßiger Arbeitszeit und -bereitschaft zuletzt rund 2.230,00 EUR im Monat ausmachte.
Nach Kenntnisnahme durch den Personalrat kündigte der Beklagte dem Kläger den Vertrag über die Leistung von zusätzlichen Bereitschaftsdiensten mit einem am 18. April 2008 zugegangenen Schreiben vom 01. April 2008 (Abl. Bl. 35 d. A.) unter Berufung auf wirtschaftliche Gründe zum 30. Juni 2008.
Das Arbeitsgericht Berlin hat die hiergegen und auf Zahlung von Überstundenvergütung für die Zeit von Februar bis Juli 2008 gerichtete Klage abgewiesen. Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt, die VAGS vom 20. April 2007 sei als Tarifvertrag anzusehen und unterliege deshalb keiner Inhaltskontrolle. Die Ausübung des zwischen den Parteien vereinbarten Widerrufsvorbehalts habe billigem Ermessen entsprochen, weil hierfür aufgrund haushaltsrechtlich vorgegebener Mindereinnahmen von rund 500 TEUR im Schulbereich wirtschaftliche Gründe vorgelegen hätten. Im Rahmen billigen Ermessens hätten die erheblichen Einbußen des Klägers nur bedingt berücksichtigt werden können, weil ihm der tarifvertragliche Grundlohn verblieben sei und mit dem Wegfall der zusätzlichen Verdienstmöglichkeit auch seine Verpflichtung zum Bereitschaftsdienst entfallen sei. Dass bei ihm ein Härtefall vorliege, habe der Kläger nicht vorgetragen. Die als Widerruf zu betrachtende „Teilkündigung” des Beklagten sei auch kollektivrechtlich wirksam, weil sie nicht auf eine Beendigung des Arbeitsverhältnisses gerichtet gewesen sei und die Beendigung etwaiger Mehrarbeit nicht mitbestimmungspflichtig sei.
Ein Anspruch auf Zahlung einer Überstundenvergütung für die aufgrund des TV SHM geleistete Arbeitsbereitschaft bestehe nicht. Nach der tarifvertraglichen Regelung werde durch die Arbeitsbereitschaft die regelmäßige Arbeitszeit verlängert. Für eine Über...