Entscheidungsstichwort (Thema)

Schließung C. BKK. Unwirksame betriebsbedingte Kündigung einer tariflich unkündbaren Arbeitnehmerin wegen Schließung einer Betriebskrankenkasse

 

Leitsatz (redaktionell)

1. Die gesetzlich bestimmte Beendigung des Arbeitsverhältnisses nach §§ 155 Abs. 4 Satz 9, 164 Abs. 3 Satz 3 SGB V setzt für eine ordentlich unkündbare Arbeitnehmerin voraus, dass ihr eine zumutbare anderweitige Beschäftigung angeboten wurde.

2. Die Übernahme von Beschäftigten einer Betriebskrankenkasse hat zu denselben oder zumindest gleichwertigen Bedingungen zu erfolgen; danach ist eine der Art der bisherigen Tätigkeit und ihrer Einordnung in die betriebliche Hierarchie entsprechende Stellung anzubieten, bei der das Entgelt annähernd dem Entgelt für die bisherige Tätigkeit entsprechen muss.

3. Wird eine Betriebsstilllegung in mehreren Abschnitten durchgeführt und hierbei der Entschluss gefasst, ehemalige Beschäftigte der bisherigen Belegschaft mit Abwicklungsarbeiten zu betrauen, ist eine ordentliche Kündigung nur dann durch ein dringendes betriebliches Erfordernis bedingt, wenn eine Weiterbeschäftigung der gekündigten Arbeitnehmerin wegen Wegfalls des Arbeitsplatzes auf einem anderen Arbeitsplatz in dem Betrieb nicht möglich ist.

 

Normenkette

KSchG §§ 1, 1 Abs. 2 S. 1 Alt. 3, Abs. 3; SGB V § 155 Abs. 1 S. 2, Abs. 4 S. 9, § 164 Abs. 4 S. 1, Abs. 3 S. 3

 

Verfahrensgang

ArbG Berlin (Entscheidung vom 25.11.2011; Aktenzeichen 33 Ca 7824/11)

 

Tenor

I. Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Berlin vom 25. November 2011 - 33 Ca 7824/11 - wird zurückgewiesen.

II. Von den Kosten des Rechtsstreits haben die Klägerin ¼ und die Beklagte ¾ zu tragen.

III. Die Revision wird für die Beklagte zugelassen.

 

Tatbestand

Die Parteien streiten um die Beendigung ihres Arbeitsverhältnisses aufgrund gesetzlicher Anordnung sowie über die Wirksamkeit zweier vorsorglicher Kündigungen seitens der Beklagten.

Die Beklagte entstand mit Wirkung zum 01.01.2004 durch Zusammenschluss der BKK B. und der BKK H.. Weitere Fusionen mit der Ba. BKK und der b. BKK erfolgten zum 01.01.2005.

Die am .....1959 geborene Klägerin war seit 16.09.1991 bei der Beklagten bzw. bei deren Rechtsvorgängern als Sachbearbeiterin bei einer monatlichen Bruttovergütung von 3629 € beschäftigt. Auf das Arbeitsverhältnis findet der Manteltarifvertrag für die Beschäftigten der Betriebskrankenkassen vom 15.03.2010/24.03.2011 (künftig: MTV) Anwendung. Nach § 20 Abs. 1 Satz 1 MTV ist das Arbeitsverhältnis nur noch aus einem in der Person der Klägerin oder ihrem Verhalten liegenden wichtigen Grund außerordentlich kündbar.

Nach Anzeige der Überschuldung durch die Beklagte am 07.04.2011 ordnete das Bundesversicherungsamt mit Bescheid vom 04.05.2011 die Schließung der Beklagten zum 30.06.2011 an.

Mit Schreiben vom 09.05.2011 teilte die Beklagte der Klägerin mit, dass ihr Arbeitsverhältnis aufgrund der Schließung mit dem 30.06.2011 ende.

Der Landesverband der Betriebskrankenkassen Baden-Württemberg machte der Klägerin mit Schreiben vom 13.05.2011 (Bl. 359 d. A.) folgendes Beschäftigungsangebot:

"BKK, Sitz

DIE B. KRANKENKASSE, Solingen

Standort: Solingen

Funktion: Sachbearbeiterin

Geschäftsbereich: Krankengeldfallmanagement

Vergütung: E 5, 2.400 - 2.500 EUR (unter Berücksichtigung der Fähigkeiten und bisherigen Dienststellung)

Anzuwendender Tarifvertrag: BKK Tarif"

Dieses Angebot lehnte die Klägerin als nicht zumutbar ab.

Nach Unterrichtung des Personalrats kündigte die Beklagte mit Schreiben vom 19.05.2011 das Arbeitsverhältnis vorsorglich außerordentlich mit "sozialer" Auslauffrist zum 30.06.2011 und "höchst vorsorglich zum nächstmöglichen Termin am 31.12.2011".

Mit am 25.05.2011 beim Arbeitsgericht Berlin eingegangener Klage hat sich die Klägerin gegen die Beendigung ihres Arbeitsverhältnisses gewandt.

Seit ihrer Schließung tritt die Beklagte als "C. BKK Körperschaft des öffentlichen Rechts in Abwicklung" auf. Die Klägerin schloss am 29.06.2011 mit dieser einen befristeten Arbeitsvertrag für die Zeit vom 01.07.2011 bis 16.10.2011.

Die Klägerin hat beantragt,

I. festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien über den 30. Juni 2011 fortbesteht und auch durch die Kündigung der Beklagten vom 19. Mai 2011 weder zum 30. Juni 2011 aufgelöst wurde, noch zum 31. Dezember 2011 aufgelöst werden wird.

II. für den Fall des Obsiegens mit dem Klageantrag zu 1) die Beklagte zu verurteilen, die Klägerin bis zum rechtskräftigen Abschluss des Rechtsstreits über den Klageantrag zu 1) zu unveränderten Arbeitsbedingungen als Sachbearbeiterin weiterzubeschäftigen.

Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Parteivorbringens in der ersten Instanz wird auf den Tatbestand des angefochtenen Urteils Bezug genommen.

Mit Urteil vom 25.11.2011 hat das Arbeitsgericht Berlin der Klage stattgegeben.

Gegen das ihr am 7.12.2011 zugestellte Urteil hat die Beklagte am 19.12.2011 Berufung eingelegt und diese nach Fristverlängerung bis zum 21.2.2012 am 20.2.2012 begründet.

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