Entscheidungsstichwort (Thema)

Maßregelungsverbot. selbständige Einstellung oder Entlassung von Arbeitnehmern. Unbegründeter Auflösungsantrag der Arbeitgeberin bei unwirksamer Kündigung nach verweigerter Annahme eines Altersteilzeitangebotes. Kündigungsschutz bei eingeschränkter Berechtigung zur Einstellung oder Entlassung

 

Leitsatz (amtlich)

1. Verweigert der Arbeitnehmer die Zustimmung zu einem angebotenen Altersteilzeitvertrag und spricht der Arbeitgeber sodann eine Beendigungskündigung aus, obwohl wegen einer unstreitig vorhandenen freien Stelle allenfalls eine Änderungskündigung in Betracht gekommen wäre, stellt dies eine unzulässige Maßregelung nach § 612 a BGB dar.

2. Ein Arbeitnehmer ist dann nicht zur selbständigen Entlassung von Arbeitnehmern berechtigt, wenn auch der Personalleiter des Unternehmens, der auf gleicher Ebene tätig ist, unterschriftsberechtigt bzgl. Personalentscheidungen ist.

 

Normenkette

KSchG § 14 Abs. 2 S. 2, § 9 Abs. 1 S. 2; BGB §§ 612a, 134

 

Verfahrensgang

ArbG Berlin (Entscheidung vom 07.03.2012; Aktenzeichen 37 Ca 14237/11)

 

Tenor

I. Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Berlin vom 07.03.2012 - 37 Ca 14237/11 - wird auf ihre Kosten zurückgewiesen.

II. Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Tatbestand

Die Parteien streiten über die Wirksamkeit einer Kündigung und über die Berechtigung eines von der Beklagten gestellten Auflösungsantrages.

Der am ..... 1951 geborene Kläger war seit dem 1. November 2001 bei der Beklagten, bzw. deren Rechtsvorgängerin beschäftigt. Anfangs war er als Factory Manager des Werkes in Neustadt tätig. Seit dem 1. Januar 2008 war er als Operations Manager für alle drei Werke der Beklagten tätig und hatte gleichzeitig die Leitung des Werkes Schwerin inne. Unter dem 2. Januar 2008 wurde ihm Handlungsvollmacht für das Aufgabengebiet Operations, Fabrik Schwerin erteilt (Kopie Bl. 40 d. A.). Der Kläger erhielt zuletzt unter Berücksichtigung von Optionen etc. ein Jahresentgelt in Höhe von ca. 200.000,-- €.

Hinsichtlich der vom Kläger vorgenommenen Einstellungsvorgänge wird auf das Anlagenkonvolut B4 (Bl. 148 ff. d. A.) verwiesen. Der Kläger hatte hierbei auch das Formular "HIRING NEEDS AUTHORIZATION" (Bl. 128 d. A.) zu benutzen. Der Kläger hat verschiedene Kündigungen zusammen mit der Personalleiterin des Werkes Schwerin, Frau D., unterzeichnet (Anl. B3 = Bl. 139 ff. d.). Kündigungen durften nur nach dem Vier-Augen-Prinzip erfolgen. Der Personalleiter der Beklagten, Herr L., war ebenfalls berechtigt, Kündigungen auszusprechen. Auch er hatte das Vier-Augen-Prinzip zu berücksichtigen. Ihm waren jeweils die Personalleiter der drei Werke Schwerin, Neustadt und Eschweiler unterstellt, somit auch Frau D.. Hinsichtlich der verschiedene Unterschriftsberechtigungen wird auf die Anlage des Schriftsatzes vom 23. August 2012 (Bl. 335 d. A.) verwiesen.

In einem Gespräch am 11. Juli 2011 wurde dem Kläger mitgeteilt, dass für ihn kein Platz mehr in der neuen Organisationsstruktur vorhanden sei. Für die Leitung des Werkes Schwerin sei Herr S. (ca. 35 Jahre) vorgesehen, der aus einem anderen Unternehmen des Konzerns stammt. Gleichzeitig wurde dem Kläger mitgeteilt, dass man ihm einen Altersteilzeitvertrag anbieten werde. Am 19. Juli 2011 wurde dem Kläger der Entwurf eines Altersteilzeitvertrages mit Datum vom 15. August 2011 (Kopie Bl. 43 ff. d. A.) überreicht. Am 15. August 2011 (Kopie Bl. 48 ff. d. A.) ließ der Kläger mitteilen, dass er dieses Angebot ablehne. Mit Schreiben vom 22. August 2011 erfolgte die Freistellung des Klägers von der Arbeit. Am nächsten Tag wurde Herr S. als Nachfolger des Klägers im Werk Schwerin vorgestellt. Mit Schreiben vom 29. August 2011 kündigte die Beklagte das Arbeitsverhältnis zum 31. Dezember 2011.

Gegen diese Kündigung setzt der Kläger sich mit der am 16. September 2011 beim Arbeitsgericht Berlin eingegangenen Klage zur Wehr. Er hat die Ansicht vertreten, nicht Leitender Angestellter zu sein. Er sei auch nicht befugt, selbständig Einstellungen oder Entlassungen vorzunehmen. Ihm fehle im Außenverhältnis die entsprechende Kompetenz. Bei Einstellung benötige er zumindest die Zustimmung des Geschäftsführers. Darüber hinaus habe er mit dem entsprechenden Formular das Hiring Comitee um Zustimmung zu bitten. Kündigungen seien intern mit dem Geschäftsführer abzustimmen gewesen. Die Personalleiterin des Werkes Schwerin, Frau D., sei nicht ihm gegenüber weisungsgebunden gewesen, sondern nur gegenüber Herrn L.. Einstellungen und Entlassungen seien durch Herrn L. in Abstimmung mit Frau D. entschieden worden. Er habe diese nur unterzeichnet, da sonst aller Schriftverkehr erst hätte nach Berlin geschickt werden müssen. Die erfolgte Kündigung sei auch altersdiskriminierend. Bei dem Gespräch am 11. Juli 2011 sei ihm mitgeteilt worden, dass seine Stelle "durch einen jüngeren Nachfolger" besetzt werden solle. Darüber hinaus verstoße die Kündigung gegen das Maßregelungsverbot, weil er mit der Änderung der Arbeitsbedingungen im Rahmen des Altersteilze...

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