Entscheidungsstichwort (Thema)

Unwirksamkeit einer Vertragsstrafenregelung im Arbeitsvertrag wegen fehlender Transparenz. Unwirksamkeit der Vereinbarung als Folge von Unklarheit über die Höhe der Vertragsstrafe

 

Leitsatz (amtlich)

Die Vereinbarung einer Vertragsstrafe in einem Arbeitsvertrag ist gemäß § 307 Abs. 1 Satz 2 BGB unwirksam, wenn als Vertragsstrafe das Entgelt für zwei Wochen bzw. einem Monat vorgesehen ist, aber mangels Vereinbarung einer bestimmten Arbeitszeit oder eines festen wöchentlichen oder monatlichen Entgelts nicht feststeht, welches Entgelt auf diesen Zeitraum entfällt. Bei einer solchen Regelung ist bei Vertragsabschluss nicht hinreichend klar, welcher Betrag ggf. anfällt.

 

Normenkette

BGB § 611; ZPO § 138 Abs. 3; BGB § 307 Abs. 1, § 394

 

Verfahrensgang

ArbG Potsdam (Entscheidung vom 19.02.2020; Aktenzeichen 8 Ca 1608/19)

 

Tenor

I. Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Potsdam vom 19. Februar 2020 - 8 Ca 1608/19 - wird auf ihre Kosten zurückgewiesen.

II. Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Tatbestand

Die Parteien streiten über Ansprüche auf Entgelt und eine Vertragsstrafe.

Der Kläger war bei der Beklagten in der Zeit vom 7. Oktober 2019 bis 21. Oktober 2019 als Paketzusteller tätig. In dem Arbeitsvertrag vom 2. Oktober 2020, auf den im Übrigen Bezug genommen wird (s. Bl. 44-50 d.A.) ist u.a. geregelt:

"§ 3 Vergütung

Der monatliche Bruttolohn beträgt 10,00 EUR brutto die Stunde. Die Vergütung wird jeweils am 15. des folgenden Monats fällig.

§ 7 Arbeitszeit/Überstunden

Die Arbeitszeit ausschließlich der Essenszeit und Ruhepausen beträgt bis zu 195 Stunden monatlich. Aus dringenden betrieblichen Gründen, insbesondere aus Gründen des Arbeitsmarktes, kann diese Arbeitszeit im Einzelfall variieren. Beginn und Ende der täglichen Arbeitszeit und der Pausen richten sich nach den betrieblichen Regelungen unter besonderer Berücksichtigung des Betriebes.

§ 12 Vertragsstrafe

Im Falle der schuldhaften Nichtaufnahme oder schuldhaften vertragswidrigen Beendigung der Tätigkeit, verpflichtet sich der Arbeitnehmer der Firma eine Vertragsstrafe in Höhe eines vollen (bzw. in Höhe von zwei Wochen während der Probezeit) Gesamtmonatseinkommens zu zahlen. Das Gesamtmonatseinkommen wird nach dem Durchschnitt der Bezüge der letzten 12 Monate oder, im Falle einer kurzen Beschäftigungsdauer, nach dem Durchschnittsverdienst während der Beschäftigungszeit oder, sofern die Tätigkeit nicht aufgenommen wurde, der vereinbarten Vergütung errechnet. Im Falle der Probezeit berechnet sich die Vertragsstrafe nach der verkürzten Beschäftigungszeit, also nur eines zweiwöchigen Gesamteinkommens.

Eine Vertragsstrafe entsprechend der vorbenannten Höhe wird ebenso verwirkt, wenn das Anstellungsverhältnis durch außerordentliche Kündigung durch die Firma beendet wird, wenn der Arbeitnehmer schuldhaft einen wichtigen Grund für diese Kündigung gesetzt hat. Als schuldhafter wichtiger Kündigungsgrund ist beispielsweise eine Eigentums- oder Vermögensverletzung des Arbeitgebers durch den Arbeitnehmer maßgeblich. Die Firma ist berechtigt, einen weitergehenden Schaden geltend zu machen.

Eine Vertragsstrafe entsprechend der vorbenannten Höhe wird auch für jeden Einzelfall eines schuldhaften Verstoßes des Arbeitnehmers gegen die Geheimhaltungs- und Verschwiegenheitspflicht gemäß § 10 dieses Vertrages verwirkt.

Die vorbenannte Vertragsstrafe darf jedoch nicht höher als die Arbeitsvergütung sein, die für die Zeit zwischen der vorzeitigen Beendigung des Arbeitsverhältnisses und dem Ablauf der maßgeblichen Kündigungsfrist an den Arbeitnehmer zu zahlen gewesen wäre."

Der Kläger erklärte mit Schreiben vom 21. Oktober 2019 die fristlose Kündigung des Arbeitsverhältnisses. Die Beklagte erklärte mit Schreiben vom 22. Oktober 2019 die fristlose Kündigung des Arbeitsverhältnisses.

Die Beklagte erteilte dem Kläger eine Abrechnung, gemäß der dem Kläger für insgesamt 115,32 Stunden 1.153,20 Euro brutto entsprechend 801,55 Euro netto zustehen, hiervon eine Vertragsstrafe von 900,00 Euro abgezogen und ein Minusbetrag von 98,45 Euro ausgewiesen wird (s. Bl. 64 RS d.A.).

Mit seiner am 5. November 2019 beim Arbeitsgericht eingegangenen, der Beklagten am 15. November 2019 zugestellten Klage hat der Kläger unter Angabe eines täglichen Arbeitsbeginns um 8.30 Uhr und eines für die insgesamt 13 Arbeitstage jeweils unterschiedlichen Arbeitsendes (s. i.E. Bl. 39 d.A.) eine Vergütung für 136,5 Stunden verlangt. Er habe länger als die von der Beklagten eingeräumten acht Stunden täglich gearbeitet. Dies ergebe sich bereits aus der Abrechnung der Beklagten selbst.

Die vorliegende Vereinbarung einer Vertragsstrafe sei unwirksam, weil diese gegen das Transparenzgebot verstoße. Unabhängig hiervon seien die Voraussetzungen nicht gegeben. Er habe das Arbeitsverhältnis gekündigt, weil der Geschäftsführer der Beklagten ihm auf seine wiederholte Bitte weder einen Vorschuss gewährt noch die in diesem Fall dringend benötigte Bescheinigung für das Jobcenter erteilt habe, dass k...

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